Es nicht einmal lange her, da erspielte sich ein Aufsteiger aus den Bergen in die Herzen des ganzen Landes. Euphorie breitete sich aus wie ein schwarz-grünes Virus, gegen das es kein Gegenmittel gab. Der Auftakt in das Abenteuer Bundesliga gelang mit einem Paukenschlag: Erstes Heimspiel, erster Sieg. Und das noch gegen ein großes Kaliber der Liga. Auftritte mit Erinnerungscharakter folgten – der Respekt, den man sich so sehr wünschte, er kehrte zurück. Hart erarbeitet und ohne Geschenke. Eine Zeit, an die sich jeder von uns gern zurückerinnert. Dass sie nicht auf Dauer heimisch geworden ist, hat vielfältige Gründe. So schön das Offensichtliche auch ist, es verglüht schnell, wenn die Substanz fehlt.
Weiterlesen: Aus einer Geschichte, die bereits geschrieben ist
Während die fortschreitende Urbanisierung in Europa eher zu einer Stärkung der Städte führt, geht die österreichische Bundesliga hingegen einen anderen Weg. „Dörferliga“ oder „Welt der Sportplätze“ sind wohl noch die schmeichelhaftesten Beschreibungen für eine oberste Spielklasse, die auf der Suche ist nach ihrer eigenen Identität.
Erinnern wir uns kurz noch einmal zurück an das „Wunder“ von Wolfsberg und da konkret an die 73. Minute des Abstiegsthrillers. Gerade ist dem FC Wacker Innsbruck der viel umjubelte Anschlusstreffer geglückt. Wir brauchten wieder zwei Tore zum Klassenerhalt. Aber ab diesem Zeitpunkt war ich mir ziemlich sicher, dass unsere Mannschaft das Wunder schaffen könnte: so sehr, dass ich mit einem Schwazer Landsmann ein Gelübde aussprach. Wenn wir das noch schaffen, gehen wir gemeinsam auf St. Georgenberg und zünden eine Kerze an. Fünf Minuten später war das perfekt und die Walfahrtskirche rief. Sünden brauchte ich keine mehr abzubüßen, denn das haben wir in den letzten Minuten in Wolfsberg tausendfach getan.
Versprochen ist versprochen!
Normalerweise bin ich nicht so heilig, aber versprochen ist versprochen und so machten sich am Samstagnachmittag vier fußballverrückte Schwazer auf den Weg Richtung Stanserjoch. Allein wir zwei „reiferen“ Herren bringen es zusammen auf über 83 Jahre FC Wacker Innsbruck „schaug´n“. Ausgelassen wird der Wacker da nur bei Ereignissen, welche nicht zu vermeiden sind. Die 100 Jahre bringen wir auch noch zusammen und mit den beiden jüngeren Mitpilgern kommen wir ohnehin auf die legendären 117 Jahre.
Zeit für Gespräche
Der Weg ist weit und wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. So ist Zeit genug, die gemeinsamen 83 Jahre FC Wacker Revue passieren zu lassen. Und da leuchten unsere Augen noch immer. Bei Erzählungen vergangener Heldentaten, aber auch Dramen ist der Weg auf den St. Georgenberg viel zu kurz. Sagenhaft, was wir schon alles erlebt haben. Und mit 100 Jahre FC Wacker Innsbruck feiern wir einen Verein, der eigentlich alle bisherigen Turbulenzen überlebt hat, stets kämpferisch blieb und immer wieder aufsteht. Das ist der berühmte Wackergeist.
Seit dem ersten Meistertitel des FC Wacker Innsbruck 1971 bis zum Crash des FC Tirol im Jahr 2002 war man, gemessen an österreichischen Meistertitel, klar die Nummer zwei im Alpenstaate. Auch die internationalen Erfolge können sich sehen lassen. 1975, 1978, 1987 und 2000 konnte unser Verein auch immer wieder für Furore sorgen. Aber die größte Sensation des FCW gelang im Jahr 1970. Als frischgebackener österreichischer Cupsieger bekamen die Innsbrucker in der zweiten Europacuprunde keinen geringeren als das weiße Ballet aus Madrid zugelost. Zuerst belächelt und verhöhnt (Wacker wurde nicht einmal beobachtet) waren nach der ersten halben Stunde im riesigen Stadion nur mehr die etwa 700 mitgereisten Schwarz–Grünen zu hören. Poldl Grausam machte mit seinem Seitfallzieher die Lage für den Milliardenklub aus Spanien „grausam“.
Zeit zum Feiern
Herrlich diese alten „G´schichterln“: ich kann nicht genug davon bekommen. Ich glaub, wir müssen in einem Jahr ganz auf das Joch pilgern, um genügend Zeit dazu zu haben. Aber so kommt auch die Erkenntnis, was wir eigentlich feiern. Wir haben das alles erlebt und feiern so auch unsere Vergangenheit, unseren Verein und unseren Stolz. Wir feiern nicht den Gegner und sollten uns das auch nicht vermiesen lassen, weil XY oder Z Fehler gemacht und finanzielle Turbulenzen ein wenig Chaos und groben Rollsplit ins wackere Getriebe gebracht haben. Es ist unser Verein und es kommen unsere Legenden und danach spielt unser Wacker – all das am 5. Juli ab 17.15 Uhr am Tivoli. Egal, ob der Gegner Werder, Bayern, Barca oder eben HSV heißt, es geht jetzt um unser Jubiläum. Man kann es ohnehin nicht mehr ändern und die Kritik sollte angekommen sein.
Gedanken an eine bewegende Saison
Natürlich darf bei so einer lustigen Wallfahrt nach Speis und Trank auch das obligate Kerzerl am Marterl nicht fehlen. Schaut man ins flackernde Flammerl, erinnert es an die abgelaufene Saison. Große Probleme in die Gänge zu kommen und dann loderte das Feuer: einmal auf und dann wieder ab. So begann die Saison katastrophal. Mit einem 0:4 in Hütteldorf, wo aber viele von uns nur zwei Tore der Hütteldorfer mitbekommen haben. Ein irrwitziger aggressiver Polizeieinsatz, ausgelöst durch eine Ordnerin, der eine Fahne im Weg war, sorgte für Tumulte an den Stadionaufgängen und acht Festnahmen. Weil einfach vollkommen überzogen eingegriffen wurde und die Staatsmacht nichts nachweisen konnte, weil vorhandene Videos ein anderes Bild sprechen lassen, „pilgerte“ kein einziger Cent der acht Festgenommenen in die Staatskasse. Ganz im Gegenteil!
Weiter lief es schlecht für unser Team – Niederlagen, Niederlagen und nochmals Niederlagen. Die Fangruppen sorgten manchmal für höheren Pulsschlag bei Ordnerdiensten. Zweimal tauchten sie auf „normalen“ Sitzplatztribünen auf und sorgten dort für Bombenstimmung. Passiert ist nichts - natürlich nicht. Sieben Niederlagen in Serie, über 800 Minuten ohne Tor und 0:2 in der zehnten Runde gegen Rapid verloren als unser damaliger Trainer davon sprach, dass er noch nie eine Mannschaft so dominiert hätte, wie damals Rapid (8:18 Türschüsse davon hat Rapid dreimal Aluminium getroffen). Aber eine Runde später, nach dem 0:4 in der Südstadt war der „Realitätsverweigerer“ weg und mir war nach diesem Spiel sauschlecht: so hab ich meinen Wacker noch NIE spielen sehen!
Dafür ist unser entlassener Trainer jetzt Sky Experte und erlebte den Klassenerhalt-Krimi in Wolfsberg als Co-Kommentator live mit.
Grande Finale
Roli kam, sah und siegte. Im Frühjahr war es auch so, dass die Fanunterstützung in Innsbruck riesig war: weniger von der Zuseherzahl, sondern von der Qualität des Supports. Ein paarmal unglücklich verloren - so auch wieder in der Südstadt 3:4 und wieder zurück am Tabellenende. Die Fans standen am Zaun, applaudierten, sangen und riefen unisono „Auf geht’s Burschen, wir pocken, das no“. So war es bis zur letzten Runde und mit dem „Grande Finale" wurden alle belohnt.
Und nun freuen wir uns auf eine spannende und gute Jubiläumssaison. Wie es aussieht, haben unsere sportlichen Heinzelmännchen, Roli Kirchler und Gogo Feistmandl ganze Arbeit verrichtet und ein vielversprechendes Team zusammen gestellt, auch wenn man noch auf den Abwehrchef warten muss.
Bedanken möchte ich mich aber auch bei unseren Fans. Neben der Unterstützung für die Mannschaft haben diese die 12 000 Euro für den FC Wacker Innsbruck gespendet - aller Ehren und eine Pilgerkerze wert, welche noch auf St. Georgenberg lodert.
Die Zeit um den Jahreswechsel ist eine, in der man auf das abgelaufene Jahr zurückblickt und Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen für das kommende formuliert. Mancher hat bereits unter dem Weihnachtsbaum viele Geschenke geöffnet, mir allerdings sind erst jetzt besondere Päckchen in die Hände gefallen, die für meinen Lieblingsklub in Schwarz-Grün bestimmt sind und die Spezielles und Märchenhaftes enthalten.
Selbst zwei Tage nach diesem Fußballmärchen bin ich noch ganz gebannt von den Ereignissen in Wolfsberg. Diese Emotionen, diese Extase, diese wunderbare Erfahrung Teil des FC Wacker Innsbruck zu sein, ist schier unbeschreiblich. Diese Auswärtsfahrt hatte es wahrlich in sich!