Josef Geisler, Präsident des Tiroler Fußballverbands, bezieht zu heiß diskutierten Themen im Unterhaus der Talenteschiene, korrelierend mit Bundesligist WSG Tirol, Stellung
Josef Geisler sorgte zuletzt mit Aussagen über ÖFB-Präsident Gerhard Milletich („Er ist nicht geeignet für dieses Amt“) für Aufsehen. Es gibt auch auf Tiroler Boden jede Menge Gesprächsstoff.
Was sagen Sie zur Tatsache, dass Tirol kommende Saison fünf Teams in der Regionalliga West stellt, 12 in der Regionalliga Tirol spielen und die Hypo Tirol Liga (14 Teams) dadurch geschwächt wird?
Josef Geisler: Wir haben nach der Regionalliga-Reform eine Liga eingeschoben. Jetzt kommt die Regionalliga West in ihrer alten Form wieder. Es ist klar, dass die Hypo Tirol Liga etwas geschwächt wird, wenn die besten Teams in die Regionalliga Tirol hinaufschieben. Es wäre aber nicht machbar gewesen, die Regionalliga Tirol wieder aufzulösen und zu den Tirol-Ligisten zu sagen, dass es in dieser Saison sechs oder sieben Absteiger gibt.
Wie fällt Ihr Resümee zum abgelaufenen Herbst im Tiroler Fußball-Unterhaus aus?
Geisler: Grundsätzlich stelle ich fest, dass der Amateurfußball und Vereinssport durch Corona nicht abgenommen hat. Mir vorliegende Zahlen bestätigen sogar das Gegenteil. In Tirol wurden im Herbst im Herren-Bereich 1115 Kampfmannschafts-Spiele ausgetragen. Es hat 91 Rote Karten, also in etwa eine bei jedem 12. Spiel, gegeben. Bei Neuaustragungen war zumeist das Wetter verantwortlich, eine Partie zwischen Langkampfen und Brixlegg/Rattenberg musste strafverifiziert werden. Wenn ein Spiel davon betroffen ist, ist es auch das eine zu viel, aber unterm Strich muss man es auch im Verhältnis des Ganzen sehen.
Der Ton bleibt im Unterhaus freilich zuweilen ein rauer ...
Geisler: Dass der Ton im Unterhaus manchmal etwas rauer ist, muss man auch als Spiegelbild unserer Gesellschaft betrachten. Wobei ich auch hier die gebotene Fairness großschreiben möchte. Es hat noch keine Herbstsaison gegeben, in der so viele Leute auf den Fußballplätzen waren. Nach meiner Pensionierung hab’ ich natürlich mehr Zeit: Ich war bei 40 Spielen von der zweiten Klasse bis ganz hinauf. Das ist ein repräsentativer Wert. Ich bin überall auf eine gute Atmosphäre getroffen.
Stichwort FC Wacker. Sie wurden nach der konkursbedingten Einordnung der Schwarz-Grünen in der Hypo Tirol Liga in Fanforen oft unter der Gürtellinie beschimpft. Haben Sie das hinter sich gelassen?
Geisler: Der organisierte Fußball braucht Fans im Sinne von leidenschaftlichen Anhängern. Im Bereich des FC Wacker Innsbruck gibt es überwiegend derartige Fans, die ich durchaus positiv sehe und die zu einer positiven Ausstrahlung dieser weltweit beliebten Sportart beitragen. Leider Gottes gehören aber auch Anhänger dazu, die vor lautstarken Beschimpfungen und Beleidigungen des Verbandes und meiner Person – teilweise auch in Form von Spruchbändern – nicht haltmachen. Aus diesem Grund habe ich entschieden, Spiele dieses Vereins bzw. mit dessen Beteiligung nicht zu besuchen. Masochismus zählt nämlich nicht zu meinen Persönlichkeitseigenschaften. Ich bin überzeugt, dass jeder vernünftige Mensch dafür Verständnis aufbringt. Der bekannte deutsche Dichter Friedrich Schiller hat vor über 200 Jahren in seinem Werk „Die Jungfrau von Orléans“ bereits ausgeführt, dass gegen die Dummheit selbst Götter vergebens ankämpfen.
Gibt es Neuigkeiten, wie es im Leistungsfußball weitergeht? Sprich beispielsweise eine nähere Anbindung der Akademie an Bundesligist WSG Tirol?
Geisler: Das sind Sachen, die ich mit dem neuen Sportlandesrat (Georg Dornauer; Anm.) besprechen werde. Der Verlust der Zweitliga-Plattform, wo der FC Wacker agiert hat, tut sehr weh, weil es die ideale Plattform auch für unsere AKA-Abgänger war. Es muss das Bestreben aller geben, dort bald wieder ein Team positionieren zu können.
Muss es Ihrer Meinung nach ein stärkeres Bekenntnis zur WSG Tirol geben? Das Konstrukt im Tiroler Profifußball mit einem Bundesligisten, der mit kleinem Budget jede Saison um den Liga-Erhalt kämpft, ist ja sehr fragil.
Geisler: Es ist fragil und man muss natürlich hoffen, dass die WSG lange erstklassig bleibt. Nur dann kann man gemeinsam Konzepte verwirklichen. Ich bin kein Politiker, aber es ist ja grundsätzlich nicht die Aufgabe der Politik, den Profibereich zu finanzieren. Im Ausbildungsbereich müsste man schon schauen, dass wir wieder weiterkommen, denn sonst wandern die besten Talente in andere Bundesländer oder ins Ausland ab. Es steht ja auch eine mögliche Akademie-Reform im Raum, die eine Zwei-Klassen-Gesellschaft einführen könnte: In der 1. Klasse würden die AKA-Teams der Bundesligisten starten und in der 2. Klasse jene, die von Landesverbänden geführt werden. Wenn es so weit käme, muss man schauen, dass die AKA Tirol beim Bundesliga-Team angesiedelt ist, um erstklassig zu bleiben. Das halte ich für alternativlos.
Wenn die Talenteschiene unter einem Vereinsdach geführt würde, wäre da vieles möglicherweise auch leichter?
Geisler: Der Verband hat nach dem Konkurs des FC Tirol (2002) über zwei Jahrzehnte für stabile Verhältnisse gesorgt. Es kann sein, dass die Identifikation unter einem Clubnamen größer wäre – vorausgesetzt, der Verein hat eine gewisse Strahlkraft.(Anmerkung: Derzeit muss ein Bundesligist, der keine eigene Akademie führt, ja entweder mit einem Landesverband kooperieren oder 150.000 Euro in einen Bundesliga-Fonds einzahlen).
Noch kurz auf die große Bühne. In einer Woche startet die WM in Katar. Ihre Gemütslage?
Geisler: Obwohl ich ein totaler Fußballfan bin, ist diese WM bei mir bisher noch nicht angekommen. Das hängt mit der Jahreszeit zusammen und wo sie gespielt wird. Es hängt auch damit zusammen, dass man viel darüber liest, wie sie dorthin gekommen ist und was bei der Errichtung der Sportstätten passiert ist. Zudem muss ich sagen: Je mehr Teams an einer WM teilnehmen, umso uninteressanter wird die Vorrunde. Ich kann die interessanten Duelle in der Gruppenphase fast an einer Hand abzählen.
Und in Katar stehen dann acht Stadien, die in dieser Form danach keiner mehr braucht.
Geisler: Egal, welche Sportart – die Großereignisse gehören zur passenden Jahreszeit dahin, wo bereits Infrastruktur vorhanden ist bzw. die man nur etwas adaptieren muss. Eine WM in Katar macht absolut keinen Sinn.