Ich glaube, die Situation stellt sich wie folgt dar.
Angefangen hat alles mit dem Thema Kernmitglied. Der damalige Vorstand stellte in diversen Vereinsabenden die Mitglieder nicht vor die Wahl Profi- oder Amateurfußball, sondern entweder Existenz mit Investor oder nicht. Viele, wie auch ich, haben den Vorstand geglaubt und sind den Weg Kernmitglied, quae media Investor mitgegangen. Allein über die Zeit vom Abstieg mit der Grumser Truppe bis zur GV könnte man Seiten empirische und ideologische Thesen verfassen, doch das ist jetzt Vergangenheit. Schneexi hat zugegebenermaßen als einer der Wenigen das Spiel damals durchschaut. Touché
Wir alle kennen die Geschichte, aber ich wollte nur noch mal die Bedingungen schildern, wie wir so weit gekommen sind. Nur als Info. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob Hamburg damals wirklich für den Verein das beste Angebot war oder, ob da persönliche Interessen im Spiel waren. Jedenfalls hätte man vor Ponomarew die Reißleine ziehen müssen. Radi, vor dem desillusioniert auch ich gewarnt habe (Stichwort Gehalt auf Konto einer anderen Person, um Konkursmasse zu vermeiden), war nur der Gipfel. Ob das Kalkül ehemaliger Vorstände sich mit Radi jeglicher Verantwortung zu entziehen aufgeht, sei dahingestellt.
Jedenfalls war die Situation dann so, dass die GmBH sowieso nicht mehr zu retten war und wie wir mittlerweile wissen, der Verein mit mehreren 100k Schulden quasi mit 1 ¾ Füßen schon über der Kippe war, in die Insolvenz geschickt zu werden. Wie gesagt, das war Anfang des Sommers, da könnte man bis dahin wohl Bücher füllen an Überlegungen. Eine Frage wäre zB, warum man es seit der Wiederauferstehung des Wackers in 20 Jahren nicht geschafft hat, solide wirtschaftliche und sportliche Strukturen zu etablieren. Aber lassen wir das mal.
Was vielleicht zu Vergangenheit zu diskutieren ist, ist folgender Punkt. Diejenigen, wie ich, die für den Weg des Investors gestimmt haben, tragen letztendlich Mitschuld an der aktuellen Situation. Ich habe mich jetzt nie tiefer mit Ethik befasst, aber heißt das nicht, das man als „Schuldiger“ auch Verantwortung hat, seine Fehler wieder gut zu machen? Heißt, erhöhte Bereitschaft Geld in den Verein zu investieren, ehrenamtliches Engagement etc. Sicher, man kann Angesicht der derzeitigen Lage mit Recht behaupten, es geht nur um Fußball, aber de facto hängen wir und viele andere immer noch emotional an diesem Verein. Und es liegt an uns allen jetzt wieder Kredit für den Verein aufzubauen.
Nach dieser etwas langen Hinführung jetzt zum Kernproblem, das derzeit diskutiert wird. Als erstes möchte ich festhalten, dass ich die derzeitigen Schulden rund um den Verein nicht kenne. Ich weiß also nicht, wieviel wir noch abbauen müssen, um wieder gesund zu sein. Was ich auch nicht weiß, ist inwiefern Rauch mit Ponomarew verstrickt ist und wenn es solche Verstrickungen gibt, was Ponomarew eigentlich will.
Um auf den Punkt zu kommen. Als Rauch von Radi übernahm gab es grundsätzlich drei Möglichkeiten. Ich rede jetzt von allgemeinen Möglichkeiten, da durch die Kernmitgliedschaft der Weg sowieso schon entschieden war.
1) Komplette Auflösung des Vereins ohne Neustart. Dass es Wacker gibt, ist eine kontingente Tatsache und diese können sich ändern. Was dafür spricht, ist, dass sich so mancher User wohl ein neues sinnstiftendes Hobby suchen hätte müssen. Diesbezüglich kann ich zB Philosophie und Mathematik empfehlen, wobei eine solide Basis in analytischer Philosophie und Mathematik nie schadet. Mit Mathematik werden einem zudem viele Disziplinen und deren Modelle zugänglich von Quantenphysik – basically linear Algebra – bis hin zu generellen Gleichgewichtsanalyse der neoklassischen Mikroökonomik. Auf der anderen Seite würde man dutzende Nachwuchsspieler*innen und etliche Akteure vor das Nichts stellen. Und seien wir uns ehrlich, ohne Wacker würde einfach was fehlen. Punkt aus. Uns wird’s immer geben, scheiß auf Geißler, Madl und Co.
2) Neustart in der letzten Liga. Den alten Verein Konkurs gehen lassen und wie die Schweinderln neu starten. Ist sicherlich romantisch, aber von Bundesliga für die Damen brauchen wir dann nicht reden, geschweige denn, dass es überhaupt eine Damenmannschaft gibt. Wie ich sehe, hat @AlexR diesen Weg vorgeschlagen. Man kann natürlich argumentieren, dass bevor es mit den Damen so wie jetzt läuft, es besser ist keine Abteilung zu haben und dann, wenn die Zeit reif ist, eine zu installieren. Die Gefahr sehe ich bei diesem Ansatz, dass Wacker komplett in der Bedeutungslosigkeit versickert und dann das Interesse so gering ist, dass man froh sein muss, eine Kampfmannschafft zu stellen. Siehe wieder Schweinderln, wo nach den Jahren der anfänglichen Euphorie kaum noch 700 Zuschauer zu den Heimspielen kommen und auswärts fahren vielleicht 50 mit. Unter solchen Umständen gäbe es wohl überhaupt kein Damenteam, wobei man wie gesagt, argumentieren kann, dass das besser ist als es jetzt ist. Der Vorteil wäre natürlich, dass man sich als reiner Fan- und Mitgliederverein neu aufstellen hätte können. Das erste Problem wäre aber gewesen, dass man bis Sommer 2023 hätte warten müssen und dann muss man erst einen Platz finden. Zudem will man sicher auch einen Nachwuchs und der muss ja auch finanziert werden. Man könnte hier noch sehr viel auf deskriptiver und normativer (was ich damit meine, ist wie man einen Verein haben will) ausführen, aber de facto stellt sich uns diese Situation einfach nicht. Punkt aus.
3) Die dritte Variante ist die jetzige, wobei man nach Regularien wohl in der Regionalliga spielen sollte. Dazu grundsätzliche Voranmerkungen.
a) Ich bin ein Befürworter des Damenfußballs beim FCW, sie stehen mit Recht in den Statuten, aber ich besuche keine Spiele. Ich kann einfach nicht jedes relevante Spiel des FCWs gehen, auch wenn es sich die Mädels verdient hätten. Also muss ich mich, bevor ich mit dem Finger zeige, mal selbst an der Nase nehmen. Das ist zumindest mein Ansatz. Wenn es sich bei mir nicht ausgeht, und ich habe sicherlich viel zu tun (Job im Turbokapitalismus, Dr.phil an Eliteuni), dann kann ich das auch nicht von anderen verlangen.
b) Laut Medienberichten steigt der kommerzielle Wert des Damenfußballs. „Sieben Prozent aller Clubs erzielten 2021 Erlöse von mehr als einer Million US-Dollar (rund eine Million Euro) aus Spieltags-, Übertragungs-, Werbe- und Preisgeldeinnahmen. Gleichzeitig verzeichneten die Clubs im Vergleich zum Vorjahr ein Wachstum der Werbeeinnahmen von 33 Prozent.“ Quelle ORF Sport.
https://sport.orf.at/stories/3102261/
Wie die Situation in Österreich ist, weiß ich nicht, aber ich glaube wir sind noch weit davon entfernt, dass zumindest bei uns mit dem Damen Geld verdient werden kann.
Dass heißt nun laut 3), dass es nun mal so ist, dass das Fortbestehen des Vereins mit der Kampfmannschaft Herren steht und fällt. Wenn Geld lukriert werden kann, dann hängt das mit der Situation der Kampfmannschaft zusammen. Außer man vertraut wieder auf Kernmitglieder, wobei diese ja auch Geld schöpfen wollen und das geht halt wieder nur über die KM. Eine generelle Anmerkung zu der großen Anzahl an Legionären sei mir erlaubt. Wir standen quasi eine Woche vor Transferschluss ohne konkurrenzfähigen Kader da. Hätte man hier nicht gehandelt, glaube ich nicht, dass es möglich gewesen wäre i) die Schulden irgendwann abzubauen und ii) eine bessere Damenmannschaft zu stellen. Nächstes Jahr wären wir ja dann in der fünften Liga gewesen und da muss man erstmals Zuschauer und Sponsoren im ersten Fall halten und im ersten und zweiten Fall gewinnen. Ich glaube nicht, dass bei keinerlei Aussicht der KM auf einer Rückkehr zumindest in die neue Regionalliga das Interesse von diversen Stakeholdern (Begriff bemüht von Ossi und 19tivoli13) vorhanden gewesen wäre. Zumindest nicht in dem Ausmaß, dass man sich eine konkurrenzfähige Damenmannschaft in der BL hätte leisten können.
Wieviel Geld jetzt tatsächlich verfügbar ist, kann ich aufgrund der Distanz zu genauen Informationen nicht beurteilen. Aber so hart es klingt, glaube ich einfach, dass bei allem Respekt vor den Spieler*innern der Herren als auch der Damen der Abbau von Schulden nun die oberste Priorität haben muss. Das ist kein Widerspruch zum bisher gesagten, falls der Eindruck entsteht. Warum? Weil es eben eine gewisse Präsenz der Herren KM braucht, um halbwegs attraktiv zu bleiben. Ob das gut oder schlecht ist, steht jetzt nicht zur Debatte, aber das ist meiner Meinung nach ein Fakt.
Das heißt, dass es natürlich Grenzen geben muss, wieviel ein Spieler kosten darf. Ziel muss eine KM der Herren sein, die in den nächsten Jahren zumindest in die Regionalliga kommt, ohne dabei Gehälter zu zahlen wie zB Imst. Das wäre verantwortungslos und da bin ich bei @AlexR auch unfair gegenüber den Damen, die nicht mal genug zum Überleben haben. Auf der anderen Seite denke ich mir, dass diese Saison für die Damen einfach sehr hart werden wird, so traurig das auch sein mag.
Das alles relativiert sich natürlich, wenn genug Geld vorhanden wäre, man aber im Winter lieber auf teure Spieler setzt. Aber zu genauen finanziellen Lage fehlt mir der Einblick.
Nüchtern betrachtet sind die Damen zu Zeit das sportliche Aushängeschild des Vereins, da in der österreichweiten BL. Das ist Fakt. Fakt ist aber auch, dass wir nicht konkurrenzfähig sind. Bei aller Kritik an @w4e teile ich aber seine Meinung, dass es besser wäre, zwei Ligen tiefer mit den Damen neu zu starten. Von den Ergebnissen macht es dort auch mehr Spaß und der Gesamtverein bleibt erhalten.
Dem Argument mit von @cesc würde ich so entgegnen, dass es zwar stimmt, dass hier eine gewisse Doppelmoral und Ungerechtigkeit vorhanden ist, man aber wie gesagt konstatieren muss, dass für die Genesung des Vereines eben die Herren KM wesentlich ist.
Zu @AlexR würde ich sagen, dass es sicherlich eine Streitfrage ist, inwiefern man dann „more oft he same“ ist. Jedoch glaube ich, dass es für Spielerinnen zwei Ligen tiefer attraktiver ist zu spielen als jetzt. Zum einen, weil man Siege feiern kann, zum anderen, weil es wesentlich kürzere Anreisen sind und man so glaube ich auch Spielerinnen gewinnen kann. Es sollte immer großartig sein, unter dem schönsten Wappen der Welt aufzulaufen.
Dass ein Gang in tiefere Ligen nicht der Weisheit letzter Schluss ist, ist mir klar, aber welche realistischen Alternativen gibt es denn? Außer man hat eben mittlerweile wirklich genügend Geld auf der Seite.