„Die Stimmung leidet unter so einem System“

Die Online Redaktion hat sich vor der Winterpause im Zuge des Auswärtsspiels unseres FC Wacker Innsbruck gegen die Austria Wien Amateure mit dem Fanbeauftragten von Austria Wien, Martin Schwarzlantner getroffen. Der langjährige Fanbetreuer und Fanbotschafter während der Europameisterschaft hat mit uns über das neue Stehplatzsystem von Austria Wien, die neue Osttribüne und die Wichtigkeit von wirklichen Stehplätzen für eine Fankurve gesprochen.

Online Redaktion: Hallo Martin, erstmals danke, dass du uns für ein Gespräch zur Verfügung stehst. Vielleicht kannst uns mal vorab sagen, wie wichtig Stehplätze im Allgemeinen sind und dann speziell auf das neue Stehplatzsystem von Austria Wien eingehen, dass den Fans ja viel mehr Freiraum zur Entfaltung, als unser „Kuhpferchmodel“, gibt?

Schwarzlantner: Ich glaube, jeder, der sich daran erinnern kann, wie er als Kind auf einem Stehplatz war, wird mir zustimmen, dass man auf einem Stehplatz mehr Raum für seine Emotionen hat, als auf einem Sitzplatz. Man achtet besser auf den Vorsänger, hat viel mehr Bezug zu den anderen Fans, weil man nicht so viel Distanz, wie auf einem Sitzplatz hat. Die Emotion vom Spiel wird für mich viel stärker transportiert, wenn man steht. Ich persönlich kann mir ein Fußballspiel nur stehend vorstellen.

Was ist für dich der Unterschied zwischen einer klassischen Stehplatztribüne und einem System mit durchgehenden Wellenbrechern, wie bei uns am Tivoli?

Durch die Trennung zu den anderen Fans auf der Tribüne kann ich mir gut vorstellen, dass die Stimmung unter so einem System leidet. Ich denke das wirkt wie in einem Käfig, einem abgeschlossenen Raum, in dem man zu den Vorderleuten keinen Bezug herstellen kann. Das sollte nicht sein.

Also ist eine „Durchmixung“ wichtig für die Kurve?

Die „Durchmixung“ ist für mich sehr wichtig. Man bekommt eine gewisse Beweglichkeit in die Masse, weil sonst alles so aussieht wie militärisch organisiert. Jeder steht in einer Reihe, kann sich weder nach vor noch nach hinten bewegen. Natürlich ist auch klar, dass Wellenbrecher aus Sicherheitsgründen unumgänglich sind, aber man muss sie so geschickt einsetzten, dass sie nicht wirklich stören. Für mich braucht Fankultur diesen Spielraum zur vollen Entfaltung.

Kommen wir auch kurz auf die alte Westtribüne zu sprechen. Diese ist ja von den Ausmaßen mit den Mittelblöcken unserer Nordtribüne zu vergleichen. Wie funktioniert da der Umbau in eine Stehplatztribüne nach internationalen Spielen?

Mit ein paar Handgriffen verschwinden die in Vereinsfarben gehaltenen Sitze unter der Metallabdeckung

Ganz einfach. Es kommen sechs Leute mit einem eigenen Schraubenschlüssel. Mit diesem öffnen sie die Verdeckung, in denen die Sitze dann verschwinden. Der Schraubenschlüssel ist eine Sonderanfertigung, wobei es das wahrscheinlich gar nicht bräuchte, da die Verdeckung ja eigentlich unsichtbar ist. Nach dem Öffnen der Verdeckung wird dieses Metallteil weggeschoben. Dann werden die Sitze (Anm.: eine Sitzkonstruktion besteht aus drei Sitzen) unter die Verdeckung geschoben und diese wird mit dem Spezialschlüssel wieder verschlossen.

Wie viele Handgriffe benötigt dann so ein Auf- bzw. Abbau?

Im Endeffekt sind das fünf einfache Handgriffe. Wenn man die Sitze aufbauen will, dann öffnet man die Verdeckung, schiebt das Metallteil weg, holt die Sitzreihe, steckt sie auf und schraubt alles wieder zu.

Und wie lange dauert so ein Umbau?

Wir haben offiziell 2800 Stehplätze und 2200 Sitzplätze. Für einen Umbau brauchen die schon erwähnten sechs Leute einen halben Tag.

Die Fans sind zufrieden mit dem System?

Total zufrieden.

Nochmals zu eurer Variante des variablen Sitzplatzsystems. Habt ihr euch im Vorfeld über verschiedene Systeme informiert?

Natürlich. Wir haben uns verschiedenste Systeme angeschaut, aber das jetzige System wurde extra für die Wiener Austria angefertigt. Es gibt ein ähnliches System, dieses hat aber ein Loch in der Box in der man die Sessel verstaut. Wenn der Sessel offen war, hat man in diesem Loch zu leicht mit den Füßen hängen bleiben können. Das Sicherheitsrisiko wäre zu groß gewesen. Dieses System ist in Deutschland erlaubt, in Österreich aber nicht. Deshalb haben wir etwas Eigenes konzipiert. In dieser Form ist unser System einmalig in Europa.

War es den Fans beim Neubau der Osttribüne ein Anliegen ein klassisches Stehplatzsystem zu haben?

Die neue Osttribüne von Austria Wien mit einen variablen Stehplatzsystem

Ja, es war eines der wichtigsten Anliegen. Wir haben sie von Anfang an eingebunden. Egal ob beim Fanzentrum hinter der Tribüne oder bei den restlichen Räumlichkeiten. Sie konnten immer ihre Ideen einbringen und die Sachen wurden gemeinsam erarbeitet.

Die neue Tribüne hat auch ein wunderschönes Austria Wien Branding (Anm.: FAK prangt in großen Buchstaben auf der in Vereinsfarben gehalten Tribüne).

Ja, darauf haben wir großen Wert gelegt. Aber die Fans werden nach der kompletten Fertigstellung der Tribüne natürlich auch noch selbst kreativ werden können und hinter der Tribüne sprayen dürfen. Allerdings nicht blind, wir werden uns gemeinsam überlegen, was wir Schönes hinter die Tribüne zaubern können.

Du hast gerade die Hinterseite der neuen Tribüne angesprochen. Welche Räumlichkeiten befinden sich den hinter bzw. in der Tribüne?

Neben dem Fanshop in der Innenstadt wird ein großer Haupt-Store in die Tribüne integriert, auch ein großes Pub mit Veranstaltungsbereich wird hinein kommen. In dem Pub können sich die Fans vor dem Spiel treffen, ein bisschen etwas trinken und sich gemeinsam aufs Spiel einstimmen. Das Pub wird natürlich auch jeden Tag geöffnet haben. Damit ermöglichen wir den Fans gemeinsam Champions League und mehr zu schauen. Dann haben wir noch eine eigenes Museum, Ticketing und ein Fanzentrum das jeden Tag geöffnet sein wird. Hier wollen wir den Fans vieles bieten. Es wird zum Beispiel Hausaufgabenhilfe, Sportgruppen und vieles mehr geben. Für die Fans wird es außerdem eine eigene Halle zum Malen von Choreographien geben. Das ganze soll einfach ein sozialer Treffpunkt der Austria Fans werden.

Danke für das Gespräch!