„Man muss die Fans nicht immer einsperren!“
Seit November 2008 ist Philipp Bechter Sicherheitsbeauftragter beim FC Wacker Innsbruck. Eine Tätigkeit mit vielen Höhen, aber auch Tiefen, wie der gebürtige Vorarlberger im ausführlichen Gespräch mit dem Tivoli12 Magazin zu erzählen weiß…
Tivoli12: Philipp, du bist sein November 2008 Sicherheitsbeauftragter des FC Wacker Innsbruck. Wie bist du in diese Funktion gekommen?
Bechter: Da muss ich etwas ausholen. Ich bin seit ungefähr zehn Jahren im Bewachungsdienst tätig, habe mir so auch mein Studium in Innsbruck finanziert. Und während dieser Zeit war ich für eine Innsbrucker Wachdienstfirma u.a. für die Sicherheit bei Bundesligaspielen im Tivoli Stadion mitverantwortlich. Hinzu kam meine Tätigkeit als mitverantwortliches Sicherheitsorgan bei der Euro 08 in Innsbruck. Nach der Europameisterschaft bin ich auf eigenen Wunsch bei diesem Wachdienstunternehmen ausgeschieden und konzentrierte mich auf meinen Beruf als Sozialarbeiter. Bis im Herbst des vergangenen Jahres Gerald Schwaninger auf mich zu kam um mich als Sicherheitsbeauftragten zum FC Wacker Innsbruck holen.
Aber du wolltest, bevor du dieses Amt übernimmst, eine Rücksprache mit den Fanklubs haben. Warum?
Ganz einfach, wir wollten ausloten, ob sich die Fanklubs vorstellen können, mit mir zusammenzuarbeiten.
Was fällt alles in deinen Aufgabenbereich?
Ich sehe mich als Bindeglied zwischen all diesen Kräften, die den Bereich Sicherheit rund um die Spiele des FC Wacker Innsbruck berühren. Angefangen von den Fans, über den Ordnerdienst und Exekutive bis hin zum Verein selber. Weiters nehme ich an den relevanten Workshops der Bundesliga, des ÖFB und des Bundesministerium für Inneres zum Thema Sicherheit teil.
Wie schaut dein Arbeitstag bei einem Heim- und Auswärtsspielen des FC Wacker Innsbruck aus?
Bei Heimspielen organisiere ich den Behördenrundgang und fungiere als Ansprechpartner. Bei Auswärtsspielen versuche ich den Verein schadfrei zu halten, sprich ich schaue, dass wir keine Strafen seitens der Bundesliga kassieren.
Wie dürfen wir uns das vorstellen?
Ich versuche wirklich alles mit einer Videokamera zu dokumentieren. Sprich alles was die Sicherheit unserer Fans gefährdet oder was etwaige Ausschreitungen leichter macht, wird von mir dokumentiert. Zum Beispiel, wenn der Einlass aus irgendwelchen Gründen nicht funktioniert, kann der Verein bei etwaigen Vorfällen, entsprechend argumentieren. Ich will nie etwas schönreden, aber man vieles relativieren und richtig darstellen.
Gibt es darüber hinaus noch Bereiche die du abdeckst?
Ja, und zwar etwas, was nicht in meinen Bereich fällt. Ich bin immer sehr darum bemüht, die Interessen unserer Fans bei Auswärtsspielen zu kommunizieren. Dass z.B. stets ein angemessenes Catering unseren Fans zur Verfügung gestellt wird oder dass infrastrukturelle Geschichten wie Toiletten etc. vorhanden sind.
Welche Erfahrungen hast du in deinem bisherigen Tätigkeitszeitraum gemacht?
Also die Auswärtsfahrten in der Ersten Liga sind zum Teil wirklich grenzwertig. Stichwort Grödig. Das ist keine Arena, das ist ein Fußballplatz. Wir (der FC Wacker Innsbruck, Anm.) haben damals schon im Vorfeld klar und deutlich kommuniziert, dass dieses Stadion nicht bundesligatauglich ist und dass es zu 100 Prozent zu Ausschreitungen kommen wird. So ist es auch eingetroffen.
Auch in Leoben gab es Probleme.
Richtig. Es war ein Wahnsinn wie das Ordner- und Sicherheitspersonal aufgetreten ist. Sehr militant und martialisch, mit Hosenabschluss und Bomberjacke und nicht als Ordnerpersonal erkennbar. Teilweise waren sie sogar bewaffnet. Angefangen von Pfefferspray bis hin zu Polizeischlagstockähnlichen Knüppeln und erst als ich den Sicherheitsbeauftragten der Bundesliga hinzuholte, konnten wir erwirken, dass das Leobener Personal entsprechend gekennzeichnet auftritt. Was wiederum den Effekt hatte, dass sie sofort freundlicher wirkten.
Du hast den Delegierten der Bundesliga angesprochen. Wie funktioniert generell die Zusammenarbeit in Sachen Sicherheit mit der Bundesliga?
Prinzipiell relativ gut. Ein Hauptproblem ist allerdings, dass, wie wir es vom Fußball kennen, dieses schnelllebige Geschäft auch vor den Gremien in Wien nicht halt macht. Es gibt einen ständigen Personalwechsel und man muss immer wieder bei null anfangen. Das macht sich auch bei den Workshops bemerkbar. Da sind immer wieder Personen beteiligt, die zwar was Fußball generell betrifft, sehr fachkundig sind, aber was Fankultur im Allgemeinen anbelangt, sich wenig bis gar nicht auskennen.
In der aktuellen Saison war das erste Auswärtsspiel sicher auch ein Highlight der besonderen Art.
Hartberg war sicher ein eigenes Kapitel. So kurz nach dem Aufstieg waren die einzelnen Aufgabenbereiche im infrastrukturellen Bereich noch nicht zugeordnet.
Kannst du Beispiele nennen?
Zum Beispiel, der lokale Ordnerobmann hat am Spieltag erfahren, dass er der Sicherheitsbeauftragte für das Spiel gegen den FC Wacker Innsbruck ist, also mein Gegenpart in Hartberg. Dementsprechend hat auch die Kommunikation im Vorfeld der Partie nicht funktioniert. Ich habe unsere Auswärtsfahrer und unsere akkreditierten Mitarbeiter, wie von der Bundesliga gefordert, angemeldet. Aber ich habe aus Hartberg keine entsprechende Antwort erhalten. Selbst als ich versuchte, telefonisch mit dem mir genannten, verantwortlichen Herrn Riedl Kontakt aufzunehmen, war dieser am Spieltag nicht erreichbar.
Wobei man auch erwähnen sollte, dass dieses Formular eine „wackerfizierte“ Variante des Bundesligaformulars ist.
Genau. Es sollte bei Innsbruck Auswärtsspielen und generell in der Bundesliga wie folgt ablaufen. Der Heimverein schickt dem Gastverein ein von der Bundesliga vorgegebenes Formular, welches Punkte wie, wie viele Fans kommen werden u.a. beinhaltet. Dieses Formular sollte mit den entsprechenden Informationen zurückgeschickt werden. Allerdings funktioniert das in der Regel in der Ersten Liga nicht. Daher haben wir unser eigenes Formular entwickelt, auf dem alle wichtigen Informationen festgehalten sind.
Zum Beispiel?
Angefangen von der ungefähren Anzahl der Auswärtsfahrer, die den Verein begleiten. Welche Transportmittel hierfür verwendet werden. Weiters werden unsere Saisonale aufgelistet, also Gegenstände, die vor Saisonbeginn bei der Bundesliga gemeldet werden mussten und etwaige Choreografien. Hinzu kommen die benötigten Akkreditierungen für Vereinsmitarbeiter, Online Redaktion und Fanklubs.
Zurück zum Hartberg Spiel. Wie reagierten die Verantwortlichen, als die Wacker Fans ankamen?
Die waren überrascht! Von Hartberger Seite ging man aus, dass keine Innsbruck Fans die weite Reise in die Steiermark auf sich nehmen würden und deshalb wurde auch kein eigener Auswärtssektor abgetrennt.
Wie kam man zu diesem Schluss?
Nach meinen Informationen hat sich der TSV Hartberg bei der lokalen Polizei informiert und die meinten, dass sich nur zehn Wacker Fans angemeldet hätten. Und wenn ich sowas höre, dann muss ich ehrlich gesagt tief Luft holen. Wir sind in der zweithöchsten österreichischen Bundesliga und selbst wenn nur ein Fan vor Ort ist, ein Auswärtssektor muss zur Verfügung gestellt werden – bei allen Kosten, die dafür anfallen.
Bei aller Kritik – es war nicht alles schlecht in Hartberg.
Nein. Es war, wie schon erwähnt, sicherlich so, dass nicht alles so hundertprozentig funktionierte. Aber die Zusammenarbeit im weiteren Verlauf, kurz vor und während des Spieles mit dem lokalen Ordnerobmann, Ordnerdienst, den SKB und Securitydienst hat sehr gut gepasst. Auch die Exekutive, alle waren froh um jegliche Unterstützung. Wir funktionierten kurzerhand den Heimsektor in einen Auswärtssektor um und diese Zusammenarbeit sollte auch lobend erwähnt werden.
Du sprichst die SKB. Wer oder was sind SKB?
Die SKB sind die szenekundigen Beamten der Polizei, treten aber in Zivil auf. Sie verfügen über das notwendige Wissen, was Fans betrifft und können dementsprechend auf Situationen im Sinne des FC Wacker Innsbruck und der Fans reagieren. An dieser Stelle möchte ich unsere Beamten loben, denn die Zusammenarbeit rund um das Team des scheidenden Herrn Stix ist eine sehr gute, auch bei diesen chaotischen Verhältnissen in Hartberg.
Wie reagierten unsere Fans auf das ganze Chaos im Hartberger Stadion?
Super. Es gab keinerlei Probleme und die Unterstützung der Mannschaft war sensationell.
Hast du dafür eine Erklärung?
Ich glaube, unseren Fans hat es einfach getaugt, dass es in Hartberg keine Zäune und keine Käfige gab, wie es sonst teilweise in den Stadien normal ist. Man wurde einfach ganz normal behandelt und wir konnten uns auf den Support konzentrieren.
Also könnte man die Infrastruktur, wenn auch nicht ganz freiwillig, mit jener bei der Euro 08 vergleichen?
Genau. Jeder kann von der Europameisterschaft 2008 halten was er will. Ich war im vergangenen Sommer was Sicherheit im Stadion betrifft, sehr involviert und Fakt ist: das Erfolgsrezept, sprich der „Smiling Service“ und wenig Uniformierte rund um die Stadien, es hat funktioniert. Man muss die Fans nicht immer in Käfige einsperren. Das Tivoli Stadion war im inneren Bereich offen und es hat nichts gegeben. Und das bei über 30000 Zuschauern pro Spiel.
Abschließende Frage: Gibt es Ziele, die du im Rahmen dieser Tätigkeit verfolgst?
Das Hauptziel ist ganz klar. Ich möchte mithelfen, dass die Fanarbeit in Österreich professioneller wird. Dass das Zusammenwirken zwischen den einzelnen Instanzen verbessert wird und dass die Idee des Innsbrucker Fanmodells, die auf dem Papier schon existiert, eine Vorreiterrolle, nicht nur in Österreich, einnimmt.
Danke für das Gespräch.