Ultras – der harte Kampf ums Überleben
Am vergangenen Wochenende fand auf dem Trainingsgelände des unNeo-Bundesligisten FC St. Pauli in Hamburg das 6. Antirassismus-Einladungsturnier statt. Der Fanladen, die Ultras Sankt Pauli und die Frauenfußballabteilung des FC St. Pauli luden 33 aktive Fan- und Ultràgruppen aus ganz Europa ein, um Rassismus und allen anderen Formen der Diskriminierung nicht nur symbolisch einen Kick zu geben. Grund genug für die T12-Redaktion bei den anwesenden Ultras aus Italien, Deutschland, Griechenland, Belgien, Holland, Zypern und Schottland nachzufragen, wie es denn um die eigene Szene bestellt ist.
Repression in Italien
Den Ultras aus Cosenza, Bergamo, Ternana, Venezia und von Sampdoria Genua macht die seit Jahren andauernde Repressionswelle zu schaffen. Stadionverbote werden sehr schnell und ohne eingehende Prüfung ausgesprochen. Zumeist muss sich der Betroffenen, während des Spiels mehrmals auf der zuständigen Wachstube melden. Fanutensilien wie Megafon, Trommeln, Transparente, Fahnen und bengalische Feuer sind seit Jahren verboten. Nur bei Gruppen, die mit der Polizei kooperieren, sind die Auflagen nicht so streng.
Fankarte ante portas
Das überschattende Thema für alle ist aber nach wie vor die „Tessera dei Tifosi“, eine „Fankarte“, die eigentlich keine ist. Ab der nächsten Spielzeit soll sie verpflichtend eingeführt werden. Jeder Zuschauer wird vom Klub registriert, sollte ein Fan ein einziges Mal Probleme mit der Justiz gehabt haben, soll er auf Lebenszeit vom Stadionbesuch ausgeschlossen werden. Die „Ultras Cosenza“ versuchten gegen die Einführung der Tessera dei Tifosi mobil zu machen. Ihr Protest wurde aber kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Die Gruppe „Gate 22“ von Venezia-Mestre ist da ja fast schon zu beneiden. „Wir sind letztes Jahr pleite gegangen und spielen jetzt in der vierten Liga. Dort haben wir zumindest mehr Freiheiten, als Ultras in der Serie A und B. Ab und zu erleuchtet schon noch ein bengalisches Feuer“, meint Chiara aus Venedig.
„Ultras raus!“ in Deutschland
Beim Zündeln erprobten sich auch die Ultras aus Düsseldorf. Ihre Pyro-Aktion mit zwei Fackeln wurde vom ganzen Stadion mit einem gellenden Pfeifkonzert und „Ultras raus“-Sprechchören quittiert. Eines der größten Probleme für deutsche Gruppen ist, dass „Ultras“ samt ihren Aktionen regelmäßig von Bild-Zeitung und Co. in der Luft zerrissen werden. Die Ultras erhalten kaum Rückhalt von den eigenen Vereinsverantwortlichen, die Solidarität innerhalb der Fanszene hält sich zumeist in Grenzen.
Spendenaktion in Griechenland, Reiseverbot in Zypern
Weiter nach Griechenland: AEK Athens „Original 21“ machen gerade eine schwierige Zeit durch. Bei einem Auswärtsspiel wurde die ganze Gruppe von der Polizei überraschend abgefangen. Bei den anschließenden Auseinandersetzungen wurden zahlreiche Mitglieder verhaftet. Es hagelte zum Teil willkürliche Strafen. Die Ultras versuchen mit einer einmaligen Spendenaktion Euro 160.000,- zu sammeln, um die Angeklagten finanziell zu unterstüzen. Bei den „Gate 9“ von Omonia Nikosia hätte es gar nicht soweit kommen können. Auswärtsfahrten sind nämlich in Zypern generell verboten. Für Nikolaos ist das auch Mitgrund, wieso er und seine Jungs die drei Tage in Hamburg von allen Gruppen am ausgelassensten feiern: „Im Grunde ist das unsere einzige Auswärtsfahrt 2010. Da müssen wir ja Party machen.“
Begien und Holland auf den Spuren Italiens
Die Situation bei den „Ultras Inferno“ von Standard Lüttich und dem Fanclub „De Rat“ von NAC Breda aus Holland hört sich dazu im Vergleich ja fast schon „entspannt“ an. Zumindest hat ein Fan die theoretische Möglichkeit auswärts dabei zu sein. Eine Eintrittskarte gibt es allerdings nur gegen Vorlage des Personalausweises oder des Passes. Alle Daten werden überprüft. Sollte man in der speziellen Fußball-Datenbank vermerkt sein, wird einem das Ticket verweigert.
„We still hate Rapid!“
Die „Green Brigade“ von Celtic Glasgow hat da mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Das Ultrà-Phänomen ist auf der Insel nicht gerade ausgeprägt, deshalb kämpfen sie weniger gegen den modernen Fußball oder Repression, sondern viel mehr um Anerkennung. Zu ihren Fanclub-Highlights zählen sie immerhin eine Choreografie gegen die österreichischen Grün-weißen. „Unsere Stadionaktion „We still hate Rapid“ war unsere Top-Choreografie in den letzten drei Jahren“, sagt Steve von den „Green Brigade“, den euer T12-Redakteur in Hamburg auch am sympathischsten findet.