Die Sache mit dem mündigen Mitglied
Irritiert war ich schon. Obwohl es in diesem Fall wohl nicht ganz das treffende Wort ist. Eher überrascht. Überrascht von dem, was innerhalb weniger Monate so alles im (Fußball-)Land Tirol geschehen kann.
War ich gegen Gratkorn einer von knapp 5000 Zuschauern im Tivoli, so erschlug mich quasi das Bild eines ausverkauften Stadions mit mehr als dreimal so hoher Zuschauerzahl gegen die SV Ried. Dazu eine Nordtribüne, die im Vergleich zur Ersten Liga, ganz klar noch einmal einen Gang nach oben geschaltet hat. Richtig die Augen reiben musste ich mir schließlich, als ich zum ersten Mal auch die anderen Tribünen mitklatschen sah. Eine Euphorie hat sich ausgebreitet in einem Land, das sich sonst so ungern aus der Reserve locken lässt. Selbst in meinem hiesigen Bekanntenkreis sprachen mich sonst unter Fußball-Phobie leidende Kollegen an, wollten sich einmal den Wacker Innsbruck „live“ anschauen.
So schön all diese Dinge auch sind, eines braucht der FC Wacker Innsbruck mindestens genauso dringend wie die jetzige Euphoriewelle im Land – und das ist die nachhaltige Verankerung nicht nur in den Köpfen, sondern vor allem in den Herzen der Menschen. Nur wenn es gelingt, wenn aus den neuen „interessierten“ Zuschauern dauerhafte Freunde, Abonnenten und schließlich Mitglieder des FC Wacker Innsbruck werden, dann ist etwas erreicht. Passend dazu startete der Verein die Initiative „1000 Mitglieder“, die auch sehr erfolgreich läuft. Inzwischen darf der FC Wacker Innsbruck auf 1115 Mitglieder verweisen. So sehr sich jeder von uns über den Zuwachs in der Wackerfamilie freut, stellt sich aber auch gleichzeitig die Frage der Aufnahmefähigkeit eines Vereins, der zum 1.1.2010 noch wesentlich weniger Mitglieder zählte.
Denn die Mitgliedschaft beim Tiroler Traditionsverein beinhaltet nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten! Das Mitglied ist oberster Hüter der Vereinsphilosophie, des Namens, des Wappens, unserer Farben und sollte auf Missstände aufmerksam machen, wenn sie ihm auffallen. Dazu sollte jeder auch regelmäßig am Vereinsleben teilnehmen. Die Frage ist daher nur, ob jeder, der im Angesicht dieser neu erwachsenen Euphorie Mitglied geworden ist, sich dieser Verantwortung auch bewusst ist und die grundlegendenden Werte des Vereins auch so verinnerlicht hat, dass er sie auch lebt. Die Wahrheit werden wir in den nächsten Monaten erleben, auf den nächsten Vereinsabenden, spätestens aber auf der bald folgenden Generalversammlung. Dort wird man sehen, wie viele stimmberechtigte Mitglieder anwesend sein werden und ihre Kontrollfunktion ausüben. Werden wir viele neue Gesichter unter uns begrüßen können, wurde vieles richtig gemacht. Wenn nicht, wird die Zukunft spannend.