Grün-Weißer Bärendienst
Hohe Wogen schlägt in allen Medien, allen Fußballforen und selbst in der Politik der Platzsturm der Rapid-Anhänger am vergangenen Sonntag. Eifrig wird über weitreichende Konsequenzen und Maßnahmen diskutiert, die derlei Aktionen in Zukunft unterbinden können.
Ein guter Draht zur Tribüne?
Jahrelang rühmte sich der Wiener Klub mit der besten Fanarbeit und dem größten Verständnis des Verantwortlichen für die Anliegen der Tribüne. Stolz war man, was die Fanszene alles auf die Beine stellte: tolle Choreographien, fanatische Unterstützung, Massenwanderung ins „St. Hanappi“ und viele, die im In- und Ausland ihr Team unterstützten, ohne Kosten und Mühen zu scheuen. Aber schon da gab es die eine oder andere Meinungsverschiedenheit, die aber immer wieder von „Mister Rapid“ Andi Marek planiert wurde. Das Verständnis und die Kooperation schienen grenzenlos, obwohl bei schlechten Leistungen Spieler attackiert und Sitzstreiks beim Mannschaftsbus durchgeführt wurden. Bereits Tage vor dem Wiener Derby wurde in diversen Foren darüber geschrieben, welche Reaktionen man setzen könne, sollte der Spielverlauf gegen die „grün-weiße Religion“ laufen. Die Verantwortlichen wussten davon, glaubten aber nicht an das Umsetzen dieser „Ideen“. So viel Macht in Händen der Fans?
Großes Umdenken
Seit Sonntag will nun der SK Rapid alles verändern: Die Hand, die den Fans hingestreckt worden ist, soll diesen entzogen werden. Der Imageschaden wird von den Vereinsverantwortlichen als riesig eingestuft. Aber welchen Ruf hatten denn die Hütteldorfer? Einen zumindest in meinen Augen gar nicht so guten, denn ihre Begeisterung in Ehren, aber das immer wiederkehrende über-die-Stränge-Schlagen verdient doch keinerlei Respekt. Jetzt will man Stadionverbote aussprechen und die Abo-Besitzer namentlich erfassen sowie von ihnen immer einen Lichtbildausweis sehen. Bengalen sollen auch mit Ausnahmegenehmigung nicht mehr erlaubt sein. Ist das die Lösung?
Was wird aus der Initiative „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“?
Die Medien greifen gerne auf feurige Bilder aus Stadien bei ihrer Berichterstattung zurück. Im Fernsehen hütet man sich seit dem offiziellen Verbot dieses speziellen Ausdrucks der Fankultur etwas davon zu zeigen. Als eine der ersten Fankurven in Österreich unterstützten aber die grün-weißen Fanklubs die Initiative für das Beibehalten der feurigen Stimmungsmacher. Am Sonntag wurden diese aber zu gefährlichen Wurfgeschoßen. Wie wird man darauf von offizieller, gesetzlicher Seite reagieren? Richtig – mit dem totalen Verbot und solchen angedrohten Konsequenzen, dass sicher jeder überlegt noch einmal „zu zündeln“. Dass bei anderen publikumsträchtigen Sportveranstaltungen die bengalischen Feuer überhaupt toleriert werden, steht auf einem anderen Blatt.
Welche Maßnahmen wird es geben?
Politiker denken an die Insel als Vorbild: Dort habe man die Fans zur Vernunft gebracht, die Krawalle in den Stadien unterbunden und die Stehplatzsektoren „abgeschafft“. So schön, so gut: Doch ist jenen auch bewusst, dass der Durchschnittsbürger sich in der Zwischenzeit kaum mehr die dadurch so teuer gewordene Matchkarte leisten kann? Dass Auseinandersetzungen jetzt an anderen Schauplätzen ausgetragen werden? Dass man die Ursachen dieser Auseinandersetzungen in keinster Weise damit behoben hat? Im Gegenteil! Der Hooliganismus feiert Renaissance auf der Insel – auch wenn die Medien dies bisher verschweigen.
Ich will den Platzsturm absolut nicht verteidigen, doch bevor man Maßnahmen und Verordnungen setzt, die es vielen Fußballbegeisterten künftig unmöglich machen, ihren Lieblingsverein live zu unterstützen, sollte man besser in gezielte Fanprojekte und Sozialarbeit investieren. Das wäre nicht nur im Sinne des Fußballs, sondern auch eine echte Alternative für verunsicherte, unzufriedene und vielleicht am Rande der Gesellschaft stehende Jugendliche und Ältere. Vielleicht wäre eine solche Initiative aller Vereine anstrebenswert und auch von der Öffentlichkeit entsprechend mit Fachleuten und Finanzen zu unterstützen.