IM ZENTRUM – der Gewalt
Tatort Sonntag 22 Uhr. Auf ORF 2 flimmert gerade eine „Informationssendung“ in die Wohnzimmer der Österreicher. Normalerweise eine Sendung, in der sich Politiker Duelle liefern. Dieses Mal ging es um Fußball. Genauer gesagt um die Gewalt im Fußball. Eingeladen waren unter anderem der Ex- ÖFB Präsident (Stickler), der aktuelle Präsident der Bundesliga (Rinner), Sportminister (Darabos) und ein TV-Experte und Ex-Fußballer (Mählich), aber keine Person, die sich in der Szene auskennt. Hätte man sich genauer damit befasst, hätte man da wohl jemand gefunden. Aber vielleicht war es den Verantwortlichen ja ganz recht so…
Vorwiegend ging es natürlich um den Platzsturm der Rapidler im Derby. Einhellige Meinung, raus mit den Hooligans. Stadionverbote weltweit und drastisch strengere Strafen. Ich möchte jetzt gar nicht darauf eingehen, denn in jeder Diskussion steckt wahrscheinlich ein Stückchen Wahrheit drinnen. Aber ich frage mich, ob das wirklich so einfach durchführbar ist, wie sich das die Herren so vorstellen. Die Wortmeldungen und die Art dieser Diskussion sprechen für sich. Angefangen vom sogenannten TV Experten Roman Mählich bis zum Ex-ÖFB Häuptling Stickler war einfach alles zum Vergessen. Ich verschone unsere Leser mit Details, da alles schon einmal erwähnt wurde. Vom ach so tollen England bis hin zu personifizierten Eintrittskarten und dass sich die Hooligans während eines Spiels bei der Polizei melden und man diese Leute aus den Stadion verbannen sollte. Da seien sie zu treffen, so ein Redner, denn Fußball müsse ein Familienfest bleiben. So weit so gut…
So viel Schwachsinn auf einem Haufen tut schon weh! Als ob das ein rein österreichisches Problem wäre. Man braucht doch nur über die Grenzen nach Deutschland und noch viel ärger der Schweiz zu schauen. Bleiben wir bei Deutschland. Trotz X-mal größerer Ultra Szenen dort bleibt der Fußball ein Familienfest. Es gibt bei unseren Lieblingsnachbarn zweifelslos immer wieder gewisse Schwierigkeiten und doch strömen die Massen in die Stadien. Dass Ultragruppierungen irgendjemand vom Stadionbesuch abhalten, halte ich für eine Mär.
Um auf das aktuelle Thema zurückzukommen: Für den Großteil der grün-weißen Platzstürmer war das ein stiller Protest. Hochbezahlte Profis bringen ihre Leistung nicht. Das Präsidium agiert abgehoben und, und, und … .
Alles keine Ausrede, macht es aber erklärbar. Was ich einigen massiv ankreide, ist der Sturm zum gegnerischen Sektor! Der Pyrotechnik-Missbrauch und das Werfen von Gegenständen auf das Spielfeld. Was uns allen noch teuer zu stehen kommen wird. Danke für den grün-weißen Bärendienst.
Jetzt alle Fußballfans in einen Topf zu werfen, wird wohl nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen sein. Warum gehen denn viele Leute ins Stadion? Wegen der Atmosphäre und der Stimmung. Wir sind nicht England. Wir können uns eine Theateratmosphäre und den Verzicht der ganzen Fanszenen nicht leisten. Sportminister Darabos war in England und wurde vom Aston Villa-Präsidenten auf die „tollen“ Fans von Rapid angeredet. So etwas hat der vorher gar nicht gekannt. Das sagt wohl alles.
Gewalt und Alkohol ist keine Angelegenheit des Fußballs. Es ist ein gesellschaftliches Problem. Das sieht man bei jedem Fest und in jeder Disco. Ballermann lässt auch grüßen. Und dann kommt die Leidenschaft Fußball dazu. Bei keiner Sportart geht es emotioneller zu, wird die Rivalität so extrem gelebt. Und was hat man aus unserem Sport gemacht?
Ein kleiner Verein kann schon gar nicht mehr leicht überleben. Alles wird kommerzialisiert. Spieler verkaufen sich teilweise als Söldner und das Präsidium agiert oft abgehoben und fern der Fans. Sponsoren und Mäzene stehen im Mittelpunkt und nicht der zahlende Zuschauer oder der Fußball. Trifft zwar alles wenig auf uns zu, ist aber ein Grund, warum viele Fangruppen von Vereinen unabhängig handeln und nichts mit der jeweiligen Vereinsführung zu tun haben wollen.
Und was machen die Verantwortlichen? Drohen mit strengeren Strafen, Stadionverboten und weiteren Repressionen der Polizei. So wird man das Problem nie lösen. Kein Jugendlicher wird besser, wenn man ihn beschimpft, wegen jeder Kleinigkeit gleich als Verbrecher abstempelt und wenn man mit roher Gewalt auf Gewalt reagiert. Es entsteht dabei nur noch mehr Gewalt. Bringt man sie aus dem Stadion, wird diese dann eben außerhalb gelebt.
Lösung? Es gibt kein Patentrezept. Man sollte endlich in Fanprojekte investieren. Sozialarbeit statt harter Strafen. Die Fans einbinden und informieren. Man sollte sich einmal überlegen, vielleicht ein paar Polizisten weniger einzusetzen, dafür mehr in Sozialarbeiter investieren. Die beschimpfen einen wenigstens nicht, als „oarschwarme Partie“, wie erst letzlich in Wien. Auch sollten die Vereine gezwungen werden, sich mehr um ihre Schäfchen zu kümmern. Und nur wenn jemand unverbesserlich ist, soll man ihn entfernen.