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Wenn die Schlussminute am Trainerstuhl sägt

Keine Angst, das wird keine „Hinrichtung“ unseres Trainers. Jedenfalls ist die Unzufriedenheit unter dem Tiroler Fußballvolk groß. Auf der FCW-Seite im Facebook erscheinen im Minutentakt solche Kommentare. Auch sonst schwappen die Wogen über. Die Ergebnisse des FC Wacker Innsbruck passen leider nicht (ganz) zur erbrachten Leistung.

So steht auch unser Trainer Walter Kogler in der Kritik. Ja, ich selber habe ihn schon heftig kritisiert und zwar nach den ideenlosen Spielen in Wiener Neustadt und dem Desaster gegen Ried und Rapid. Aber hab ich gleich seine Ablöse gefordert?
Und was sollte eine solche bringen, außer dass sie dem Verein eine Stange Geld kostet.
Kritik ja, aber wie diese teilweise geübt wird, ist unter aller Sau.

Seelig sind die Kapfenberger. Sie spielen unterirdisch und das Volk steht doch hinter ihrem Trainer. Sind die Steirer nicht so „realitätsfremd“ wie die Tiroler, oder ist in Kapfenberg einfach die Erwartungshaltung nicht so groß wie hierzulande?
Wir sind der dritterfolgreichste Verein in Österreich und dementsprechend groß ist die Erwartung der Fangemeinde – auch wenn uns das aktuelle Budget in der Geldtabelle auf exakt dem siebten Platz bringt. Normalität gibt es bei uns nicht. Entweder himmelhoch jauchzend, oder alles ist schlecht und Kacke, quasi manisch-depressiv. Man kann das Publikum oft verstehen. Schließlich will man für sein hart verdientes Geld auch etwas geboten bekommen. Aber muss Kritik gleich unter die Gürtellinie gehen und ist sie auch gerecht?

Walter Kogler kam im Juni 2008 nach Innsbruck und übernahm einen Scherbenhaufen. Damals musste ein komplett neuer Kader mit dem leider viel zu früh verstorbenen Theo Grüner zusammengestellt werden (14 Spieler verließen den Verein).
Man konnte mit den finanziellen Mitteln der Admira und besonders jenen von Magna Wiener Neustadt keinesfalls konkurrieren. Dennoch verspielte man den möglichen Aufstieg erst in den letzten Runden und musste schließlich Wiener Neustadt den Vortritt lassen. Schwarz-Grün konnte aber mit der Admira einen Verein hinter sich lassen, welcher das vermutlich doppelte Budget unseres Vereins aufzuweisen hatte. Im zweiten Jahr der Ära Kogler wurde der sensationelle Aufstieg geschafft. Auch die Hilfe für die Südstädter vom Admira-Sympathisanten TSV Hartberg und die Millionen ihres Sponsors konnten die Innsbrucker nicht stoppen.
Dann wurde zusammen mit dem neuen Sportdirektor Oliver Prudlo an einem konkurrenzfähigen Team für die Bundesliga gebastelt, was auf Grund der knappen finanziellen Lage fast ein Himmelfahrtkommando gewesen ist. Herausgekommen sind ein sensationeller Herbst und schließlich der gute sechste Platz. Hätte man das vor der letzten Saison so angesagt, hätte wohl fast jeder sofort unterschrieben.

Und die laufende Saison fing eigentlich gut an. Aber individuelle Fehler und schlechte Spiele, wie gegen Wiener Neustadt, Ried und besonders Rapid zehrten am Selbstvertrauen der Spieler. Walter stand zu Recht in der Kritik. Aber es ist ihm gelungen, aus dieser Krise herauszukommen. Gute Spiele in Graz und Salzburg folgten. Ein überzeugender Sieg gegen Wiener Neustadt und Riesenpech bei der Wiener Austria, der zurzeit wohl besten Mannschaft der Nation, zeugen davon. Am Samstag fehlten wohl nur Sekunden und ein Schiedsrichter ohne Scheuklappen (falsche Abseitsentscheidung vor dem Ausgleich) zum verdienten Sieg. So spielt keine Mannschaft, welche der Trainer nicht mehr erreicht. Seine Bilanz in den 127 Spielen (61 Siege, 33 Unentschieden, 33 Niederlagen) als Trainer des FC Wacker Innsbruck spricht sowieso für ihn.

Es ist nun nicht nur unser Trainer gefordert, sondern auch jeder einzelne Spieler. Walter stellt sich ja nicht in den Sturm und schießt frei vom Elfer drüber. Er steht auch nicht in unserer Verteidigung und lässt den Gegner Sekunden vor Schlusspfiff frei stehen. Das ist die Psyche der Spieler und an der wird Walter und sein Team, aber besonders auch die Spieler selbst arbeiten müssen – oder sich doch endlich einen Experten dafür ins Team holen. Denn eines ist auch sonnenklar: Mit den verschenkten Punkten wäre der FC Wacker Innsbruck auf Platz Drei der Tabelle und Euphorie würde herrschen und zusätzliches Geld in die Kasse spülen.

Kritik ist gut, aber keiner braucht zu tun, als ob Profis Maschinen wären. Mit jedem Fehler denken sie mehr nach und sind dann um diesen „Gedanken“ zu langsam. Mit Selbstvertrauen geht der unmöglichste Ball ins Tor. Bist am Boden geht er aus einen halben Meter drüber. Das ist Sport und jeder, der Sport selbst ausgeübt hat, weiß das. Sportler, Schifahrer wie Fußballer und andere, leisten nach Verletzungen oder Formschwankungen fast Unmenschliches, um wieder den Anschluss zu schaffen. Das wird als ganz normal empfunden. Aber wehe, die Form schwankt und kommt nicht gleich wieder, was immer passieren kann und wird, dann gehen Beschimpfungen weit unter die Gürtellinie und vergangene Leistungen zählen nicht mehr.

Viele Kritiker vergleichen ihren Job mit dem unserer Spieler. Jeder hat in der Arbeitswelt seine Leistung zu bringen. Jetzt sind unsere Fußballer Profis und von denen können wir verlangen, dass sie in ihrem Beruf, den wir ja mitfinanzieren, alles geben und sich für uns (und sich selbst) voll ins Zeug legen! Aber sind wir uns ehrlich: Wer von uns hat nicht auch einmal ein Tief? Wer von uns strengt sich nicht an, gibt alles nur um zum Schluss nicht mit dem erhofften Ergebnis aufwarten zu können? Auch uns passiert das im Arbeitsalltag. Hat euch dann jemals untergriffige Kritik weiter gebracht?  Kritik sollte immer sachlich und konstruktiv sein. Walter Kogler ist nicht umsonst unser längstdienender Trainer seit Ernst Happel. Er hat viel erreicht und noch sehe ich keinen Grund an seinem Stuhl zu sägen, zumal wir aktuell exakt dort in der Tabelle stehen, wo man uns bugetmäßig realistischerweise erwarten muss. 

 

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Autor: Rudolf Tilg

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