Antisemitismus im österreichischen Fußball
„Haut‘ s die Juden eini“! – Mit einem markanten Titel versah Judith Götz ihren Vortrag in der Kulturbackstube anlässlich der Wanderausstellung “Tatort Stadion” zum Verhältnis von Antisemitismus und Fußball in Österreich. Die Literatur- und Politikwissenschafterin beleuchtete ausgehend von ihrem Lebensmittelpunkt Wien die österreichische Fußballkultur und wies in ihrem Vortrag auf den nach wie vor vorhandenen mehr oder weniger latenten Antisemitismus in Österreichs Stadien hin.
Historischer Antisemitismus im Fußball
Fußball macht die zentralen Werte und Konflikte einer Gesellschaft sichtbar. Umso erschreckender ist es, wenn Antisemitismus auch heute noch Teil der österreichischen Fußballkultur ist. Dass österreichischer Fußball als proletarischer und antisemitischer Sport von Beginn an ein gespaltenes Verhältnis zum Judentum hatte, dürfte allseits bekannt sein. Dass mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten der Fußball von der deutschen Arbeiterbewegung unterwandert wurde, um als Mittel der Volkserziehung zu dienen ebenfalls. Im selben Atemzug wurden erfolgreiche Vereine wie die Wiener Hakoah zerschlagen und ausgelöscht, aber auch Vereine wie die als jüdisch verschriene Wiener Austria wurden über Nacht zum SC Ostmark umbenannt. Der einzige Verein, der bisher seine Nazi-Zeit ernsthaft aufgearbeitet hat, ist der SK Rapid Wien, der erst vergangenes Jahr das Buch “Grün-Weiß unterm Hakenkreuz” unterstützte. Dass jedoch auch nach 1945 der Antisemitismus seinen fixen Platz in Österreichs Kurven hat, schockiert – zumal im Regelfall keine “realen Juden” mehr nötig sind.
Unklare Verhältnisse in Wien
Tönte es noch plakativ “Haut‘ s die Juden eini!” in der Nachkriegszeit, sind die Messages am und rund ums Stadion heute subtiler geworden. 2004 wurde etwa ans Wiener Horr-Stadion “Franz Strohsack Synagoge” gesprayt – der jüdische “Makel” haftet dem damaligen FK Austria Magna immer noch an. Wien-Hütteldorf ziert eine Aufschrift “Scheiß FAK” versehen mit einem Judenstern, während Rapid-Fans auf einem Doppelhalter einen Hitler-Cartoon im Simpson-Style mit der Aufschrift “Tod und Hass dem FAK” präsentieren. Das legendäre “Judasschitz”-Plakat anlässlich der Rückkehr ins Hanappi-Stadion von Andi Ivanschitz im Österreich-Trikot ist wohl noch als verhältnismäßig harmlos anzusehen. Auch das violette Wien hat jedoch ein offensichtliches Neonazi-Problem: Die Fangruppe Unsterblich posiert offen mit SS-Totenkopf-Logo vor dem Wiener Stadtwappen, Reichskriegsfahnen und Franco-Unterstützungs-Transparente “schmücken” die Fantribüne. Dass einzelne Fanclubs wie die Fanatics versuchen gegenzusteuern, kann die braune Menge bisher wenig beeindrucken.
Antisemitismus – kein begrenztes Phänomen
Der weitere Kreis der Verharmlosung des Nationalsozialismus begrenzt sich nicht nur auf die Wiener Großvereine. Die Braunauer Bulldogs fallen etwa mit Sprechchören der Marke “Wir sind die Jungs aus der Hitlerstadt!” auf. Fotos mit Hitlergruß vor dem Konzentrationslager Mauthausen verdeutlichen die rückwärtsgewandte Orientierung des Fanclubs. Am 20.4. gratulierten jedoch auch Teile des Rapid-Sektors zum Geburtstag des Führers mit einem “Alles Gute 18”-Transparent mit den zahlencodierten Initialen des Adressaten. Die Aufschrift “Heil HC” mit Hakenkreuz auf dem Fahrzeug des Organisators eines Antirassismus-Turniers war da wenigstens noch für alle klar und deutlich zu verstehen. Auch anlässlich von Länderspielen Österreich-Israel kommt es regelmäßig zum Aufkeimen antisemitischer Tendenzen. Dies geht soweit, dass Wolfgang Winheim in einem Artikel des Kurier offen mit antisemitischen Vorurteilen wie Geldgier und Weltverschwörung spielte.
Angesichts der “Zyklon B für‘ n FCW”-Rufe einiger Unsterblich-Wien-Mitglieder als Empfang für die Fans des FC Wacker Innsbruck beim Cupspiel gegen den Graf-Verein Hellas Kagran, kann den geübten Innsbrucker Auswärtsfahrer in Sachen Antisemitismus nur mehr wenig überraschen. Die schiere Vielzahl der offen antisemitischen Botschaften rund um den österreichischen Fußball nimmt dem kritischen Beobachter dann aber doch den Atem. Eine Aufarbeitung der einzelnen Vorfälle täte Not, möglicherweise ist auch in Westösterreich die Weste gar nicht so weiß wie gedacht.