Podiumsdiskussion zum Thema Fans und Repression
Im Zuge der Wanderausstellung „Tatort Stadion“ fand als Abschlussveranstaltung eine Podiumsdiskussion mit Vertretern aus der Fanszene, Fanarbeit, Bundesliga und der Justiz statt. Thema war unter anderem die steigende Repression der Polizei gegenüber den Fußballfans: Fußball als Trainingsfeld für Überwachung und Kontrolle.
Mit einem Blick auf das Podium wurde schnell klar, dass da die Herren von der Polizei leider mit Abwesenheit glänzten. Eingeladen war Bernd Brunner, Hauptsachbearbeiter beim szenekundigen Dienst des Landespolizeikommando Tirol, dem eine Teilnahme bei der Diskussion von höherer Stelle untersagt wurde.
Ohne Salz und Einlage
So konnte man an diesem Abend zwar diskutieren, aber das Ganze ist ziemlich eintönig geworden. Die Vertreter der Innsbrucker Fanszene konnten ihre Anliegen und Beschwerden zwar einwerfen, aber die Empfänger dieser Beschwerden waren mit Sicherheit die Falschen. So schmeckte den Meisten der Abend wie eine Suppe ohne Salz und ohne Einlage.
Eine bodenlose Frechheit eigentlich, dass man den Dialog mit Fanvertretern von Seiten der Polizei einfach verweigert. Das ist somit ein Spiegelbild dessen, was wir Woche für Woche in unseren Fußballstadien erleben. Deeskalation und Dialog zwischen Fans und Polizei steht nur auf irgendeinem Papier in einem verstaubten Büro, findet in Wirklichkeit aber kaum oder gar nicht statt.
Interessanter Vortrag von Gerd Dembowski
Gerd Dembowski hielt einen interessanten Vortrag über „ Das Elend der Männlichkeiten“.
So erfuhren wir, dass die ersten Aufzeichnungen über Fußball aus dem 13. Jahrhundert stammen. Damals wurde Fußball verboten, weil das Spiel zu gewalttätig wurde. Es spielte ein Dorf gegen ein anderes. Auch wurde angeführt, dass es in der Neuzeit Frauen schwerer haben, sich in der Fanszene zu bewähren, was durchaus eine Abbildung unserer Gesellschaft zeigt. Fußball ist aber nicht alleine Männersache, aber das weibliche Geschlecht wird oft nicht anerkannt.
Auch durften wir erfahren, dass in den 14 Tagen beim Oktoberfest mehr Straftaten zu ahnden sind als in einer gesamten Bundesligasaison zusammen. Und dass sich bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Fußballfans zwei Männergruppen gegenüberstehen, welche des Öfteren sogar aus den selben Gesellschaftssichten kommen. Es gäbe noch einiges zu berichten, aber das würde hier zu weit führen.
Podiumsdiskussion leider ohne Polizei
An dieser Diskussion nahmen Thomas Gassler – Fanbotschaftskoordinator für die EM 2012, Armin Weber – Fanarbeit Innsbruck – Sozialarbeit mit Fußballfans, Mathias Kapferer – Anwalt und Berater der Faninitave Innsbruck, Martin Weberberger – Vorstand des FC Wacker Innsbruck und Peter Jedelsky – Vertreter der Bundesliga (Senat 3) teil. Wie schon erwähnt, fehlte der Vertreter des szenekundigen Dienstes Tirol aus unverständlichen Gründen.
Von Thomas Gassler durften wir erstmals erfahren, dass ihm nach der letzten derartigen Diskussion im Jahr 2004 von Seiten der Polizei vermehrt Strafen angedroht wurden und er sich deswegen als Vorsänger der Tivoli Nord zurückzog. Peter Jedelsky sprach sich für kontrollierte Pyrotechnik im Stadion aus und bedauerte, dass es in Österreich nicht mehr solcher Fanprojekte wie in Innsbruck gibt. Martin Weberberger kritisierte, das Fehlen der Polizeivertreter, und prangerte die aktuelle Verhaltensweise der Beamten gegenüber Fußballfans an. Für Armin Weber sind die ausgesprochenen Stadionverbote ein Problem. Auch die acht Meldeauflagen, welche Fußballfans vor dem Spiel gegen Sturm Graz zugestellt wurden, sind ein solches. So wurde eine dieser Auflagen sogar am Arbeitsplatz eines Betroffene von uniformierten Beamten zugestellt. Webers Ziel ist es, Fans nicht lediglich auszusperren, sondern zusammen mit dem Verein konstruktive Maßnahmen zu setzen. Für Rechtsanwalt Mathias Kapferer ist die Repression der Polizei stark gestiegen. Er sieht noch einiges auf uns zukommen und Fußballfans als Versuchsfeld für repressives Vorgehen und Einschränken von Bürgerrechten.
Sich zur Wehr setzen
Bei der anschließenden Diskussion kam einiges Interessantes zum Vorschein. So bekamen mehrere deutsche Personen nach Problemen in Österreich auch in Deutschland bundesweites Stadionverbot. Obwohl vom Vertreter der Bundesliga versichert wurde, es werden an andere Länder keine Daten weitergegeben.
Viele Anzeigen geschehen lediglich auf Verdacht und ohne Beweislage. Peter Jedelsky meinte dazu, man solle alle Rechtsmittel ausschöpfen und sich zur Wehr setzen. Was meiner Meinung nach schwierig ist, denn das Wort eines Polizisten zählt weit mehr als das eines Fußballfans.
Auch gab es Strafen wegen Pyrotechnik, obwohl Ausnahmegenehmigungen vorhanden waren. Dazu müssten noch Fotos ausgewertet werden, ob durch das „Schwenken“ der „Bengalen“ der nötige Sicherheitsabstand zum Nebenmann gewährleistet ist. Weiters wird die Möglichkeit der Einführung von personalisierten Tickets in Österreich diskutiert.
Weitere Einschränkung von Bürgerrechten?
Nächstes Jahr dürfte auf Österreichs Fanszene aufgrund einer Gesetzesänderung noch einiges zukommen. Im Zuge der so genannten „erweiterten Gefahrenabwehr“ darf die Polizei Überwachungsmaßnahmen setzen und beispielsweise die Identität von Forums-Schreibern ermitteln. Fußballfans als Versuchsfeld sind also nach wie vor beliebt.
Schon in der Saison vor der Euro 08 waren sie reine Versuchspersonen für die Exekutive. Die anlassbezogene Gesetzesänderungen für die Euro wurden bis heute nicht zurückgenommen. Wer Besserung im Verhältnis zur Polizei erwartet hatte, wurde teilweise schwer enttäuscht. Und wie wir erfahren haben, wird die Situation im kommenden Jahr eher noch verschärft.
Was offenbar weite Teile der Polizei vom Dialog zwischen Fans und den Beamten halten, sah man an der nichtvorhandenen Diskussionsbereitschaft ihrerseits an dieser Veranstaltung. Dies wäre eine goße Chance gewesen, um aufeinander zuzugehen. Dass es auch anders gehen würde, zeigt das Beispiel Hannover: Dort setzt man seit einiger Zeit auf Dialog anstatt massiver Polizeipräsenz. Fans dürfen sich wieder frei in der Stadt bewegen, vorbei ist die Zeit von Polizeikorridoren. Für aufkeimende Probleme ist ein Kommunikationsexperte im Einsatz. Mit großem Erfolg! Straftaten und Anzeigen sind dort weit zurückgegangen.
In Österreich muss man hingegen in Zukunft auch im Internet vorsichtig sein, denn jeglicher interpretierte „Aufruf zur Gewalt“, mag er auch noch so ironisch gemeint oder aus dem Zusammenhang gerissen sein, könnte von der Exekutive verfolgt werden. Man darf gespannt sein, wie es den Sportjournalisten gehen wird, wenn sie weiterhin Termini wie „Schlacht, Kampf, Infight, Zweikampf oder Luftkampf“ verwenden. Ob die dann auch überwacht werden?
Nicht erst seit dieser Podiumsdiskussion erhärtet sich der Eindruck, dass man auf Seiten der Exekutive lieber auf Fußballfans draufhaut als den Dialog sucht.