Quo vadis Regionalliga?
Mit Ausnahme von Wattens und dem FC Wacker Innsbruck beschlossen die Tiroler Vertreter an der Regionalliga West (RLW), unter Federführung des Tiroler Fußballverbands (TFV), den Ausstieg aus der RLW. Laut Reglement muss die Liga, vorbehaltlich einer Einigung auf einen neuen Modus, noch weitere zwei Saisonen bestehen bleiben. Was danach kommt, ist derzeit offen. Die Begleitgeräusche, die die Vereine und der Verband dabei ausstoßen, erinnern dabei eher an schlechten Populismus, denn an gesunden Menschenverstand. TFV-Päsident Sepp Geisler forciert die Nivellierung nach unten. Doch wer ernsthaft der Meinung ist, Lokalderbies und vermeintlich klingelnde Kassen vor die sportliche Perspektive zu stellen, der kann kein tatsächliches Interesse an einer eigenen Weiterentwicklung haben. Höhepunkt dieser Farce ist der Aufstiegsverzicht der Tiroler-Liga-Titel-Konkurrenten Reichenau, deren Saisonziel eigentlich der Aufstieg war, und des SC Imst. Begründung: Der Verband stehe nicht zur Regionalliga West.
Der überregionale Vergleich ist scheinbar nicht mehr gewünscht. Lieber im eigenen Saft schmoren, da lassen sich auch die eigenen Unzulänglichkeiten besser kaschieren. Warum nicht gleich das komplette Unterhaus in Tirol neu ordnen? Der Argumentationsline des TFV folgend braucht es mehr Lokalderbies. Also bitte: Silvretta-,Pitztal-, Ötztal-, Wipptal-, Stubaital-,Zillertal-, Mittelgebirgs-, Karwendel-, Wilder-Kaiser- und Innsbrucker-Stadtliga. Wäre damit allen gedient? So irrwitzig diese Aufzählung erscheinen mag, man wird das Gefühl nicht los, dass es in diese Richtung geht. Das Niveau scheint ohnehin niemanden zu interessieren…
Emotionslos betrachtet offenbart der Beschluss zur Aufkündigung der Regionalliga West seitens des TFV natürlich ganz Grundsätzliches: Die Unzufriedenheit mit den derzeitigen Strukturen im österreichischen Fußball bis hinab in den Amateurbereich. Denn nüchtern betrachtet lassen sie keine vernünftige, nachhaltige Teilhabe der Amateurvereine am Profigeschehen zu, schon ein Aufstieg in die Drittklassigkeit ist für viele Klubs ein Wagnis, das sie nicht eingehen wollen. Das ist unnatürlich, wenn nicht schon pervers. Meistertitel und Aufstieg gehören zum Fußball ebenso wie Abstieg und Relegation. Wenn nahezu jeder Verein Bedenken anmeldet, den Gang eine Klasse höher oder tiefer antreten zu wollen oder zu müssen, läuft mehr schief als ÖFB und Bundesliga zulassen sollten.
Allein der einnahmeseitige Unterschied zwischen Bundesliga und Erster Liga ist gewaltig und macht einen sechsstelligen Betrag aus. Kein Wunder, dass sich jeder Verein im Abstiegsfall die Existenzfrage gefallen lassen muss. Gerade für Vereine aus strukturschwachen Regionen ist es ohnehin ein Kunststück, die notwendigen finanziellen Mittel für den Profibetrieb aufzutreiben. Wäre unser Wacker Innsbruck ein drittes Jahr in der Zweitklassigkeit geblieben, wir alle würden noch heute die Konsequenzen spüren. Daraus müsste eigentlich folgen: Österreich ist zu klein für zwei vollwertige Profiligen. Es ist die Wurzel allen Übels – auch für die Regionalligen, die dadurch genauso in die Defensive gedrängt werden.
Statt über Alternativkonzepte nachzudenken, versuchen Bundesliga und ÖFB krampfhaft ein System aufrecht zu erhalten, dessen Schwächen vor allem ein paar Klassen tiefer vollends zur Geltung kommen. Da passt der Beschluss der Tiroler Westligaklubs nur zu gut ins Bild. Denn wenn ein Verein aus dem kuscheligen Wohnzimmer der Tiroler Liga in die Regionalliga hinaufsteigt, ist nicht plötzlich am Arlberg oder in Kiefersfelden Schluss mit Fußball. Auf den gestiegenen Kosten wie Transport, Aufwandsentschädigungen etc. bleiben die Vereine allein sitzen. Einnahmesteigerungen kann man sich ob des nominal gleichen Zuschauerinteresses und der medialen Aufmerksamkeit ohnehin nicht erwarten. Und zur Refundierung der Kosten findet sich auch niemand. Geht es dann hinauf in die Erste Liga, wird es noch brenzliger. Für wen soll das also noch attraktiv sein?
Entweder beteiligt sich Bundesliga künftig finanziell an der Drittklassigkeit, umso Auf- und Abstiegshemnisse abzubauen und auch ein vernünftiges Backup aufzubauen oder das System der drei Regionalligen könnte sich ebenfalls mit einschneidenden Veränderungen konfrontiert sehen. Ziel muss es sein, dass alle Vereine aus freien Stücken den Gang nach oben anstreben, ohne sich Sorgen machen zu müssen. Das würde auch zu mehr Vielfalt im österreichischen Klubfußball beitragen. Der Beschluss der Tiroler Westligaklubs kann dafür, trotz der ein oder anderen unbedachten Äußerung, ein wichtiger Denkanstoß gewesen sein.
Autoren: Sebastian Kollemann und Christian Hummer