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Jahre und Lichtjahre

Der FC Wacker Innsbruck ist alt. 99 Jahre, sagen die einen. Im 99sten die anderen. Die Bürokraten mit Herz meinen gar 98, die ohne – 10. Aber man hört auch ganz andere Zahlen, nämlich 29,82 Jahre. Ach, sind wir nicht so, sagen wir 30. Das sind aber nicht die Chronisten, die das herausposaunen, und sie meinen auch nicht den Verein, sondern die Kicker. In der 31. Runde der vergangenen Spielzeit hätte man meinen können, es bräuchte Historiker für das Team bei dem Altersschnitt. Oder keinen Nachwuchs, sondern Zivis. Denn unter den 10 ältesten Startelfs der abgelaufenen Saison findet sich neun Mal der FC Wacker Innsbruck. Nur Franco Foda zauberte den Schwarz-Grünen mit Platz 5 im Bundesliga-Geriatriezentrum ein Lächeln ins Gesicht. Ein Lächeln zauberte er auch 1987 den Brasilianern im Maracana-Stadion in Rio auf die Lippen, meint sein Name doch auf Portugiesisch den unentgeltlichen Vollzug des … Na, sagen wir Paarungsaktes. Ein bisserl vulgärer halt.

Für vulgär hielt mancher Schiri auch die Umgangssprache bei Wacker und zückte einen Karton. Gepaart mit den Ali-Hörtnagl-Gedächtnissensen und verhinderten Händen Gottes brachten es die Spieler auf 72 gelbe Karten, zwei Gelb-Rote und zwei Rote. Der bravste Sammler war Marco Kofler (10/1/-), ein Nachwuchstalent auf diesem Gebiet. Talentiert zeigten sich aber auch Wörgetter und Fröschl mit einem Schnitt von einer Karte pro Spiel – zugegeben, bei nur einem Einsatz. Aber es lässt die Hoffnung keimen, dass die Sense am Tivoli nicht aussterben wird.

Auszusterben schien allerdings das Publikum auf den Rängen. 6392 Nord-, Ost- und Südtiroler (und solche, die es gerne wären) besuchten die Spiele des westlichsten Bundesligisten im Schnitt. 3040 Fußballaffine weniger als im Jahr zuvor, und dennoch die zweitmeisten seit der Neugründung. Zeit für die ein oder andere Neugründung hätten die 115.059 Stadionbesucher auch vor den Nahrungs- und Genussmittelverkaufsständen gehabt. Die Schlangen vor diesen vermittelten so manchem ehemaligen DDR-Bürger wohlige Heimatgefühle.

Ein Auferstehen aus Ruinen wäre auch den Offensivkräften des Traditionsvereins zu wünschen gewesen, doch Zurückhaltung vor dem Tor ist ja beinahe schon Tradition, wenn auch nicht gerade eine Zier. Und so zierte man sich vorm gegnerischen Gehäuse und netzte nur 36-mal ein. Immerhin viermal öfter als in der Abstiegssaison 07/08. Dass man dennoch bis zum Schluss vom internationalen Geschäft träumen durfte, verdankte man der Mauer im Rückraum. Ob auch hier wieder ostdeutsche Heimatgefühle aufkommen würden, darf bezweifelt werden.

Unzweifelhaft vermissen werden die Wackerianer jedoch den SV aus Kapfenberg. In vier Duellen mit den Steirern wurden ihnen ebenso oft die Federn gerupft. Wie ein gerupftes Hühnchen präsentierte sich aber auch der Tiroler Adler im letzten Jahr, und zwar gegen die SV Ried. Fünf Treffer ließ man zu, selbst erzielen wollte man keinen. Ein Gemetzel wie im Wienerwald gab es auch gegen Mattersburg, dort öffnete man gar sechs Mal das eigene Gehäuse, und so schaute am Ende nur Rang sieben in der Abschlusstabelle heraus.

Dass vor sieben Bundesliga-Saisonen, im März 2002, gar eine über 32jährige Mannschaft auf das Feld lief, das wird wohl heuer keine Nachahmung finden. Nachahmenswert wäre jedoch Walter Koglers Kindergarten vom 17. April 2009. 22,73 Jahre war das Babyface des FC Wacker Innsbruck, und mit 4:1 siegte man gegen den FC Gratkorn. Und dieser wartet auch in Runde eins des ÖFB-Cups, dem ersten Bewerbsspiel der kommenden Jubiläumssaison. Zum 20jährigen Jubiläum des letzten Pokal-Sieges könnte man sich ja eine Wiederholung desselben wünschen. Die Verwirklichung dieses Traumes steht jedoch in den Sternen. Der Stern des FC Wacker Innsbruck ist ja bekanntlich beta-Cassiopeia, auch Caph genannt. 42 Lichtjahre entfernt ist er von unserem schwarz-grünen Planeten. Ob Schwarz-Grün auch 42 Lichtjahre vom internationalen Geschäft entfernt ist, wird die nächste Saison weisen…

 

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Autor: Stefan Weis

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