Skip to main content

Emotionen unerwünscht?

Nichts für schwache Nerven ist die erste Cuprunde für den begeisterten Fan des FC Wacker Innsbruck. Nur relativ wenige Zuschauer verirren sich am Freitag am Abend ins Stadion des Regionalligaklubs Gratkorn in der Nähe von Graz. Die erste Überraschung ist, dass es keinen Auswärtssektor gibt, die Kartenpreise für den Stehplatz mit 10 Euro durchaus als stolz zu bezeichnen sind und das Wetter doch noch mitspielt. Der große Regen ist beendet, doch die Rutschpartie auf dem Kunstrasen beginnt erst. Im Stehplatzsektor finden sich nach und nach einige unermüdliche Wackerfans ein, die trotz des für sie ungünstigen Termins die weite oder kürzere Fahrt auf sich genommen haben und gespannt dem ersten Pflichtspiel der Saison entgegenblicken.

Jedes Wort

Da auf den Zuschauertribünen ziemlich wenige Leute sind und noch weniger, die Stimmung machen, hört man nicht nur jedes Wort der Spieler auf dem Platz, sondern auch die Emotionen der Zuschauer. Ich gebe es ja gerne zu, ich kann nicht tonlos ein Spiel meiner Schwarz-Grünen verfolgen, vor allem tut sich für den Gegner der Hauch einer Chance auf – ein Schrei hallt durch das Rund des jeweiligen Stadions. So mancher ist froh darüber, denn so weiß man beim Live-Ticker-Schreiben sofort, Aufmerksamkeit ist gefragt.

Da auch der steirische Gegner in der ersten Halbzeit so seine Möglichkeiten vorgefunden hat, speziell knapp vor dem Pausenpfiff eigentlich die Führung vor Augen hat, geht meine Stimme mit mir durch. Lieber Herr Gsellmann, der wackere Trainer will nicht Ausschreitungen im Keim ersticken, sondern er ist um sein Nervenkostüm und das seines Teams besorgt. So kommt er in der Halbzeitpause zum Fansektor, fragt recht emotionell, wer denn hier so schreie und alle durcheinanderbringe. Ertappt wie eine Schülerin beim Schule-Schwänzen gestehe ich meine „Untat“ und denke mir, besser wäre es, er ginge in die Kabine zu seiner Mannschaft und mache ihr klar, dass nur mit Einsatz und noch mehr Kampfgeist ein Erfolg zu erzielen sei. Jedoch meint der wackere Übungsleiter, Daumen drücken sei schon in Ordnung, aber alles andere nicht unbedingt notwendig. Gut habe ich mich in der restlichen Pause nicht gefühlt, jedoch meine Emotionen kann ich nicht völlig ablegen.

Zähne zusammenbeißen

So geht es nach Seitenwechsel auf dem Rasen weiter. Um ja niemanden zu erschrecken oder aus der Konzentration zu bringen, kaue ich eifrig an meinem Kaugummi, beiße die Lippen zusammen und mir fast in die Zunge, denn ich will doch an einem Scheitern des FC Wacker Innsbruck nicht schuld sein. Das könnte ich mir als langjähriger treuer Fan, der fast nie ein Spiel im Stadion – ganz egal ob im Tivoli oder auswärts – versäumt, niemals verzeihen. So gelingt es mir trotz so mancher guten Chance für die Steirer ziemlich ruhig zu sein. Es ist anstrengend, weil ungewohnt, aber was tut man nicht alles zum Wohle des Vereins.

Als knapp vor Ende der 90 Minuten die Gratkorner den Matchball auf dem Fuß haben, hilft alle Beherrschung nicht mehr. Ein Schrei gellt durchs Stadion. Doch mein Leiden und der Arbeitstag der Mannschaft sind noch lange nicht zu Ende. Es geht in die Verlängerung. Das Spiel wogt hin und her, dann die Chance der Entscheidung: Elfmeter für Wacker Innsbruck. Leider vergibt Wernitznig leichtsinnig. Doch ganz ohne Emotionen dürfte auch der wackere Übungsleiter nicht sein, denn er wechselt den etwas überheblichen Schützen sofort aus. Die weitere Spielzeit bleibt ohne Treffer und es geht in die knappste aller Entscheidungen: das Elfmeterschießen.

Leiden lohnt sich

Kühl ist es in der Zwischenzeit geworden, die Steirer wittern die Sensation, ich dagegen verstecke mich noch tiefer in meiner Kapuze der Jacke mit 1913 auf der Brust und traue mich kaum zum Tor zu schauen, auf das gleich Alex Hauser den ersten Elfmeter für Schwarz-Grün schießen wird. Konzentriert, ja keinen Ton von mir zu geben, beiße ich die Zähne zusammen und kann nur mehr stumm und starr sehen, dass er scheitert. Gratkorn geht in Führung, doch die übrigen wackeren Spieler Schreter, Fernandes, Schütz und Bergmann behalten die Nerven und gleichen jeweils aus. Aber dann haben die Steirer die Chance, die Sensation perfekt zu machen. Ein mir gut bekannter Wackerfan hat sich an meine Seite gesellt und meint beruhigend, Safar hält den Elfer – wirst sehen! Und so ist es auch. Jetzt kommt Julius Perstaller für den FC Wacker Innsbruck an die Reihe und ungestört von meinen mit aller Macht unterdrückten Emotionen verwandelt er. Aber der Krimi ist noch nicht aus: Der nächste Schütze für Gratkorn donnert den Ball an die Querlatte. Glück gehabt – Gott sei Dank. Befreit falle ich jenem beruhigend wirkenden Wackerfan um den Hals – Emotionen sind doch etwas Schönes und gehören wie Glück und Pech zum Fußball dazu.

Ich sehe das anders, denn zu viele Gefühle hängen am Verein meines schwarz-grünen Herzens. Was habe ich nicht schon vor Freude gejubelt in den letzten Jahren oder bittere Tränen bei Niederlagen und natürlich dem Abstieg vergossen? Geschämt habe ich mich dafür aber nie. So hoffe ich für die Jubiläumssaison auf gut gefüllte Tribünen und eine tolle Stimmung, denn so können meine emotionalen Gefühlsausbrüche in dem Laut der Menge ein wenig untergehen und niemand muss mehr um seine Nerven fürchten!

Avatar for Heidi Roznovsky

Autor: Heidi Roznovsky

Dieser Text stellt geistiges Eigentum des tivoli12 magazins dar und ist somit urheberrechtlich geschützt. Um den Text, oder Teile davon nutzen zu können, setzen Sie sich bitte mit dem tivoli12 magazin in Verbindung.
Skip to content