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Übung und Ernstfall

So mancher mag es anders sehen. Und viele fragen sich, warum nach dem 0:2 in Wien Hütteldorf der Auswärtssektor immer leerer wurde. Transparente, Fahnen, Gesänge verschwanden.
Da kann man sich doch in den Foren informieren, was geschehen sein könnte. Da stand ziemlich schnell von einem User, der brav zuhause im warmen Wohnzimmer saß, zu lesen, dass unsere Fans dem Verein wieder einmal einen „Bärendienst“ erwiesen hätten. Und in einigen Medien war von erneuten Ausschreitungen sogenannter Fans, mit Bildern vom Eingangsbereich des Hanappi-Stadions, sowie eingekesselte Fans vor dem Eingang eines Rapid Beisls (!!!) zu sehen.
Aber was war rund um das Bundesligaspiels des SK Rapid Wien gegen unseren FC Wacker Innsbruck wirklich zu sehen (und zu hören)?

Ich habe mir jetzt lange überlegt, was ich zu den Vorkommnissen in Wien schreiben solle. So habe ich auch mit dem Verantwortlichen der Fanarbeit Innsbruck und betroffenen Fans darüber gesprochen. Mit der bitteren Erkenntnis, dass schneller als erwartet wieder einmal eine Gegendarstellung von Berichten „sogenannter Journalisten“ her sollte. Ich bitte zu bedenken, dass dies ausschließlich meine (Fan) Sicht darstellt und dass es unmöglich ist, in den Wirren eines mit Polizei und verängstigten Fans gefüllten Bereichs eines Sektors, alles zu überblicken. Aber alles, was ich schreibe, kann ich durch unabhängige Zeugen und Beweise belegen. Sonst würd ich es nicht schreiben.

Mal wieder eine Übung?

Nach fünfstündiger Zugfahrt in Wien Hütteldorf angekommen, ging es wie bei unserem letzten Besuch (Das Higlight der Saison) geführt von der Einsatzgruppe „Wega“ zum Stadion. Der Unvernunft einiger weniger war es zu verdanken, dass wir einzeln perlustriert wurden und die Daten jedes Einzelnen aufgenommen wurden. Schon Stunden vor dem Spiel waren überraschend viele Beamte zu erblicken. Stand mal wieder eine Übung an? Als wir am Ort der Kontrollen weit außerhalb des Stadions ankamen, waren die Absperrungsgitter schon aufgebaut.

Seltsam nur, dass man nach dieser Absperrung praktisch „vogelfrei“ war und so mancher sogar ein Bier im Rapid Beisl trank, um sich nicht alleine auf den (gefährlichen) Weg zum Stadion machen zu müssen. Rapid Beisl – FCW Fans – gemeinsam ein Bier? Ja, auch das gibt es und widerlegt die These des ach so bösen Fußballfans… Dass es unter Umständen gefährlich gewesen wäre, sich alleine zum Stadion aufzumachen, zeigt der Umstand, dass etwa 20 Grün-Weiße in die Menge der wartenden wackeren Fans stürmten, wobei es einen Verletzen gab. Wer ihn verletzte, weiß niemand. Die Polizei interessierte das auch nicht sonderlich.

Im Sektor dann zuerst alles normal: Bombenstimmung wie immer im Hanappi. Was sich nach dem schnellen 0:1 noch steigerte. Das 0:2 war nur eine Frage der Zeit und ist dann auch prompt gefallen. Und plötzlich überschlugen sich im Sektor die Ereignisse. Eine Hundertschaft der Einsatzkräfte stürmte ohne ersichtlichen Grund unseren Sektor. Ich bekam Platzangst und fast Panik. Ich musste raus! Neben dem Ordnerdienst drängte sich jetzt eine Übermacht von Beamten in voller Kampfmontur die Stiege neben dem Sektor hinunter. Wer im Weg stand, wurde einfach überrannt oder weggestoßen. Ein Fan, der von der Verpflegungsstation kam und das Ganze gar nicht so mitbekam, und lediglich wieder auf seinen Platz wollte, wurde von den „freundlichen Beamten“ auf´s derbste beschimpft. Es gelang mir, den Mann in die bestuhlten Reihen zu drängen, sonst wär er womöglich gleich in Gewahrsam genommen worden. Ich musste nach oben, denn so ein unwohles Gefühl, dass einem unbescholtenen Bürger dieses Landes da zugemutet wird, kann sich sicher keiner vorstellen. Aber da dies so rasch nicht möglich war, konnte ich vermehrt die „Methode“ der Spezialeinheit beobachten. Da werden Leute gestoßen und derb beschimpft. Lässt man sich zu einer Reaktion provozieren, wird man abgeführt.

Einige konnte ich von einer Konfrontation abhalten und ersparte ihnen so einen ungewollten Zahlschein. Es kam aber noch schlimmer. Ganz unten auf der Stiege kam es aus Platzmangel zu Tumulten. Einige Fans stürzten. Einer von diesen wurde von den Uniformierten an den Haaren (!) die Stiege hochgezogen und abgeführt. Bilder die erschreckend an die täglichen Nachrichtensendungen aus weit entfernten Ländern erinnern.

Brauchte man einen Ernstfall?

Endlich oben angekommen, traute ich meinen Augen nicht. Man musste sich den Weg über den überaus großzügigen Vorplatz durch Massen von Polizei bahnen. Jene Fans, die es nach oben schafften, waren wahrlich keine Heißsporne, ganz im Gegenteil! Doch die „Methode“ der Spezialeinheit ging munter weiter und man musste so manchen normalen Anhänger vor sich selbst schützen. Bis ich erfahren hatte, dass sich eine mir nahestehende Person unter den Festgenommenen befand.

Eine Person, unbescholten, noch nie in einem Stadion aufgefallen einfach zur falschen Zeit, am falschen Ort! Aber das rechtfertigt im Fußball-Kontext offenbar eine Festnahme mit Polizeigewahrsam! Sämtliche mir bekannte Beamte wurden auf die Reise geschickt, um den Aufenthaltsort des jungen Mannes ausfindig zu machen, was auch gelang. Ich wollte zu ihm und wissen was ihm vorgeworfen wurde. Was den Beamten nicht gelungen war, gelang mir! Dieser Trip wurde zum Spießrutenlauf und ich musste immer wieder (normale) Fans von einer Überreaktion schützen. So etwas habe ich in den Jahrzehnten, in denen ich quer durch Österreich zu Fußballspielen reise noch nicht erlebt.

Meiner Hartnäckigkeit war es zu verdanken, dass ich alles herausfand und auch zu ihm vorgelassen wurde. Allerdings ich bin ein halbes Jahrhundert jung. Einen Jüngeren hätte man wohl selbst verhaftet. Wir hatten in diesem Stadion nichts mehr verloren. Auch nichts in dieser Stadt!

Am Heimweg

Lustig ist auch folgender Umstand, dass bei sämtlichen Feststellungen der Personalien beanstandeter Personen die Meldung kam „Sie schon wieder“. Dabei wurden vor dem Spiel, ja ALLE Personalien schon aufgenommen. Wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
Mit der Straßenbahn, wobei man am Weg zu der Bimmelbahn als reiferer Mensch mit Behinderung schon mal von einem übermotivierten Beamten fast zu Boden gestoßen wurde, ging es zum Westbahnhof. Anfangs konnte man in der Bahn eine Stecknadel fallen hören. Die Stimmung war gedrückt, es war schwer so eine Behandlung durch die Spezialeinheit zu verkraften. Zwei Beamte hatten das Vergnügen, mit uns zu reisen. Auf meine Frage, was den unverhältnismäßigen Einsatz denn ausgelöst habe und die Polizei so aggressiv agiere, kam zur Antwort, „wie man in den Wald hinein schreit….“ Wir haben uns jedenfalls wie Schwerverbrecher gefühlt, so verhalten hat sich aber niemand. Wie es am Bahnhof weiterging erfährt ihr morgen.

 

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Autor: Rudolf Tilg

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