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Das „Sicherheitspapier“ der DFL

Am 12.12.2012 wurde das „Sicherheitspapier“ seitens des DFL und DFB abgesegnet, 31 von 36 Vereinen der ersten und zweiten deutschen Bundesliga stimmten für diese weitreichenden Maßnahmen. Doch, was beinhaltet dieses und wieso gab es deswegen vereinsübergreifende Fanproteste? All dies wird in den folgenden zwei Artikeln beantwortet sowie auch die rein theoretische Frage, welche Auswirkungen dies auf Österreich haben könnte?

Entstehung

Wie bei jedem Konzept muss es einen Auslöser für die Erstellung geben und der Auslöser dieses Konzeptes liegt diesmal, so man der Argumentationslinie von DFL, DFB und den Innenministern glaubt, bei der zunehmenden Gewalt in den Stadien Deutschlands. Dafür verantwortlich gemacht werden gemeinhin die Ultras. Doch, um zuerst einmal den Begriff „Gewalt“ zu definieren, was versteht man nach einer kleinen Medienrecherche unter Gewalt? Hier kommen nicht nur Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fans vor dem Stadion zur Argumentation (die immer seltener werden), sondern auch die bei vielen Ultras als unverzichtbar eingestufte Pyrotechnik. Dass es jedoch an den Vereinen bzw. an den Verbänden selbst gelegen hat, dass das Thema „Pyrotechnik“ eine andere Stellung in den Fanszenen hat, wird gerne verschwiegen. Gab es jedoch in der letzten Saison Verhandlungen bezüglich Ausnahmeregelungen, als Vorbild kann hier Innsbruck erwähnt werden, die jedoch von der DFL nach ersten hoffnungsvollen Versprechungen abgebrochen wurden.

Doch sicherlich mehr eingebrannt hat sich das Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC um den letzten Platz in der ersten deutschen Bundesliga. Einerseits wurden von Seiten der Hertha BSC Fans Bengalen auf das Feld geworfen, um somit einen Spielabbruch und den Sieg für ihre Mannschaft zu provozieren, anderseits wurde aufgrund falscher Wahrnehmungen von zumeist Besuchern der Sitzplatztribünen der Platz gestürmt. Die Leute dachten bei einem Pfiff des Schiedsrichters, das Spiel sei zu Ende und stürmten im Jubel den Platz. Als man die Leute aufklärte, wurde der Platz wieder geräumt und das Spiel konnte, auch aufgrund der Nebenschauplätze, Attacken seitens der Hertha BSC Spieler auf Fortuna Düsseldorf Spieler bzw. auch angeblich auf das Schiedsrichterteam, verspätet zu Ende gebracht werden. Böse Zungen behaupten, dass sich hier ein gewisser österreichischer Schiedsrichter Anleitungen zu einem professionellen Ende einer Partie holen hätte können.

Die Berichterstattung in den nächsten Tagen drehte sich dann in allen Talkshows Deutschland rund um dieses vermeintliche Sicherheitsproblem, das der deutsche Fußball habe. Höhepunkt waren Aussagen seitens einiger Studiogäste, Ultras wären die „Taliban der Fans“ und Choreographien Ausdruck „faschistoider Versammlungsrituale“. Dass dieser friedliche Platzsturm nicht noch mehr behandelt wurde, hatte man dem darauf stattfindenden Champions League Finale und der kommenden Europameisterschaft in Polen und der Ukraine zu verdanken.

Natürlich spielt im Sicherheitspapier auch eine starke Orientierung an ein Eventpublikum eine Rolle. Die Stadien in Deutschland sind so voll wie noch nie. Dies hat nicht nur Gründe in der guten sportlichen Situation, sondern auch aufgrund moderner Stadien, die entweder schon existieren oder bestehende umgebaut werden. Passende Beispiele sind hier die Sanierung des Millerntores oder das Stadion des VfB Stuttgart.

Inhalt des Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“

Im Folgenden möchte ich die Inhalte näher bringen. Aus Gründen der nicht erfüllten juristischen Grundkenntnisse der deutschen Gesetzeslage dient mir ein Blog, der von FC St. Pauli Fans betrieben wird, als Quelle. Grundsätzlich muss man anmerken, dass das Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ nicht für alle DFL Ligen gelten wird, sondern, hier kommen wir zu einem ersten Spezifikum, nur für die 1. und 2. Deutsche Bundesliga. Dies ist zumindest zur „Optimierung der Sicherheit“ schon einmal, als komisch anzumerken. Sollte nicht überall die „Sicherheit optimiert“ werden oder wieso soll es in Ligen, in denen es genauso Probleme gibt,  dieses Konzept nicht genauso gelten?
Der FC St. Pauli, Dynamo Dresden, Hansa Rostock und der Hallescher FC könnten unter Umständen eine „interessante“ 3. Liga in der Saison 2013/14 oder 2014/15 bescheren. Die Spannungen zwischen dem FC St. Pauli und Hansa Rostock sind beinahe traditionell, aber auch Spannungen zwischen den einzelnen Ostvereinen sind nicht auszuschließen.

Die zweite Maßnahme, dass der eigene Sicherheitsbeauftragte bei jedem Auswärtsspiel anwesend sein muss und zusätzlich in die Sicherheitsgespräche eingebunden wird, ist eine durchaus gute Idee. Auch die Idee, dass der Auswärtsverein das Sicherheitspersonal, also Ordner, stellt, ist durchaus zu begrüßen. Nicht nur in Deutschland wäre dies eine gute Idee, sondern auch für Österreich wäre dies wünschenswert. Zumindest im Falle Innsbruck ist dies in Salzburg schon so, dass Ordner, die man meistens an den Eingängen zur Nordtribüne stehen, als Sicherheitspersonal fungieren.

Doch, hier kommt schon die erste abzulehnende Maßnahme: die so genannten Nackt-Container. Der Sinn der aufgestellten Container soll sein, Leute, die aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit, als verdächtig erscheinen, Pyrotechnik zu schmuggeln, genauer kontrollieren zu können. Diese sollen vor allem an den Auswärtssektoren stationiert werden, da in Deutschland meistens auswärts Pyrotechnik abgebrannt wird. Besonders pikant an dieser Sache ist, dass hiermit das juristische Grundprinzip der Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt wird. Jeder Stadionbesucher fällt unter Generalverdacht und wird auch so behandelt. Offenbar will man Fußball-Fans ihrer Bürgerrechte berauben.

Die dritte Maßnahme, die da lautet, dass sich Fanklubs dazu bereit erklären müssen, eine Fancharta zu unterschreiben, damit sie überhaupt an Eintrittskarten kommen. Wer diese unterzeichnet und dennoch dagegen verstößt, wird nicht einzeln aus dem Stadion befördert, sondern kollektiv. Neben dem kompletten Rauswurf aus dem Stadion kann es auch noch Strafen, wie Verbot der Blockfahne/Zaunfahne, geben, wenn diese dazu genützt werden, Pyrotechnik abzubrennen.
Auf österreichische Verhältnisse umgemünzt: Hat beispielsweise die Gruppe „Alte Garde“ ein Problem mit den „Ultras Rapid“, wird hinter deren Zaunfahne gefackelt und es heißt für die „Ultras Rapid“ man sieht sich vor dem Stadion bei der Sektion Stadionverbot…

Die Fancharta enthält folgende Punkte: „Bekenntnis zu Gewaltfreiheit/Gewaltverzicht. Anerkennung der geltenden Vorschriften; u.a. im Hinblick auf das Verbot von pyrotechnischen Gegenständen. Bekenntnis gegen Diskriminierung und Rassismus“.
Besonders letzter Punkt ist zwar von der Idee her gut, doch gibt das Papier keinerlei Auskunft über die Umsetzung. Ob das Bekenntnis zur Gewaltfreiheit auch für überreagierende Ordner und „Sicherheitspersonal“ gilt? Zuletzt war der immer häufigere Einsatz von Schlagstöcken und dergleichen schneller und öfter ein Garant für Gruppensolidarisierungen und Auflehnung gegen die Staatsmacht.

Doch, wer nach diesem Absatz glaubt, es kann nicht schlimmer werden, der hat sich leider getäuscht. Es kommt noch schlimmer. Sollten die Fans hin und wieder gegen die Sicherheitsrichtlinien verstoßen, so kann man die Karten für den Auswärtssektor auf 5% (derzeit 10%) reduzieren oder so einschränken, dass Auswärtsfans nur mehr Sitzplatzkarten kaufen dürfen. Desweiteren gibt es ein verstärktes Vermummungsverbot. Man darf gespannt sein, wie die so beliebten Fanschals in Zukunft getragen werden.

In dieselbe Kerbe schlägt auch der nächste Punkt, nämlich der Ausbau der DFB Gerichtsbarkeit. So sollen die Vereine bei Fehlverhalten der Fans, belohnt werden, wenn diese die Täter ausfindig machen und aus dem Stadion ausschließen. So soll ein generell angedrohtes „temporäres Stehplatzverbot“ oder „Teilausschluss der Fans“ verhindert werden. Denunziation soll also gegen Kollektivstrafen eingesetzt werden…

Die allerletzte Forderung seitens DFL/DFB geht hier an die Polizei und Justiz. Es wird gefordert, dass Identitätsfeststellung seitens der Polizei an die Verbände weitergegeben werden und auch „beschleunigte Verfahren“ angewandt werden sollen. Die maximale Dauer eines Stadionverbotes wird von drei Jahren wieder auf fünf Jahre erhöht, sprich die Senkung im Jahre 2007 von fünf auf drei Jahre soll rückgängig gemacht werden.

Soweit die grobe Zusammenfassung des Konzeptes „Sicheres Stadionerlebnisses“. Natürlich wird auch auf die laufenden Fanprojekte eingegangen. Jedoch nicht im Sinne größerer Einbeziehung, sondern die bisherige Arbeit dieser Fanprojekte müsse überprüft werden. Dies erscheint auf den ersten Blick paradox, da die Arbeit ständig evaluiert wird. Der zweite Blick verrät aber, dass die kritische Haltung der Fanprojekte gegenüber diesem Konzept sie in das Fadenkreuz von DFB und DFL gebracht hat.

Im zweiten Teil zum neuen „Sicherheitspapier“ in Deutschland geht es um die Reaktionen der Fanszene, die Aktion 12:12 und eventuelle Auswirkungen auf Österreich.

 

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Autor: admin

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