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Live is live

Mittwoch 20.30 Uhr – die Flutlichter brennen, das Tivoli ist hell beleuchtet und aus den Lautsprechern ertönen laut die Aufstellungen beider Mannschafften. Ein Hauch von Champions-League. Nur ist nicht der große FC Barcelona am Tivoli zu Gast, sondern der „Dorfklub“ Wiener Neustadt. Und der Kassier des FC Wacker Innsbruck musste die Einnahmen aus dem Kartenverkauf nicht schwerbewacht zur Bank bringen, sondern konnte die paar Kröten getrost mit dem Fahrrad zum Nachttresor bringen. Bei einem eventuellen Dieb hätte er wahrscheinlich sogar noch Mitleid erweckt. Das Spiel selbst war dann eher ein Hauch Gebietsliga als Königsklasse. Aber schlussendlich durften sich die rund 2600 wackeren „Familienmitglieder“ samt ihren Schützlingen auf dem grünen Rasen über die drei wichtigen Punkte freuen.


Erst „hui“- dann „pfui“

Eine halbe Stunde vor Spielbeginn einen Parkplatz direkt vor dem Tivoli zu bekommen, ist auch nicht alltäglich und ein richtig schlechtes Zeichen. Schritt man der Ostseite des Stadions entlang, so konnte man fast den Eindruck bekommen, es handle sich um ein doppeltes Hochsicherheitsspiel. Überall machten sich Absperrgitter breit und den Gehsteig konnte man nicht benutzen. Aber es dürfte sich dabei doch eher um eine Vorsichtsmaßnahme gegenüber den Tauben handeln, welche sich im Dach des „Schmuckkastels“ von Van Staa (Anm. so nannte der ehemalige Landeshauptmann das Tivoli bei der Eröffnung) einnisteten, und den darunter Vorbeispazierenden auf den Kopf zu sch…. drohen. (Gegnerische „Hooligans“ waren jedenfalls keine in Sicht).
An den Stadionkassen und an den Eingängen herrschte Langeweile. Platzmangel war an diesem „lauen“ Abend wahrlich keiner zu merken: Zeit für eine leckere Bratwurst im Wackerzelt (nur dort ist sie wirklich gut) und schließlich noch einen „Radler“ mitgenommen, weil im Wackerzelt die „Kohle“ besser aufgehoben ist.
Auf den Kopf kackten dann die Blauen aus Wiener Neustadt unseren Schwarz-Grünen auch nicht gerade. Schöne Spielzüge und flexibles Spiel der Innsbrucker erfreuten die Anhänger und der entscheidende Treffer entsprang dem vielleicht schönsten Angriff der Saison. Merino vergab kurze Zeit später die Riesenmöglichkeit auf das vorentscheidende 2:0. Aber irgendwie war dies der Anfang vom Ende der Spielkultur Marke „Wacker“ am Tivoli und Schwarz-Grün zitterte sich mehr schlecht als recht in die Pause. Plötzlich agierten die Blauen aggressiver, beweglicher und flexibler. Der mögliche Ausgleich wäre mehr als verdient gewesen.

Das Schweigen der „Lämmer“

Spannend war sie die erste Halbzeit. Die Stimmung im Stadion für die paar „Hansln“ fand ich überraschend gut. So kam es zumindest am „Nordpol“ hoch über dem Tor herüber. Von den Sesseln haute dieses Spiel niemanden. Aber es „kribbelte“, denn es konnte immer etwas passieren. „Passiert“ ist in der zweiten Halbzeit herzlich wenig. Dennis Mimm und Co. schienen ihr Pulver verschossen zu haben und der FCW nutzte zwei gute Möglichkeiten nicht. Aber es wurde immer zäher. Diese Partie nagte an den Nerven der Fans und das hörte man auch zum Teil an der Stimmung. Toll gelang wieder der Wechselgesang zwischen Nord – Ost und Westtribüne. Aber warum macht die Südtribüne nicht mit?

Einziger richtiger Aufreger: unsere Nummer acht packte wieder einmal einen echten „Schweini“ aus und brachte Szabolcs Safar mit einem unmöglichen Rückpass in arge Bedrängnis. Aber unsere Nummer eins rettete abermals den Sieg. Zum Schluss durfte noch kurz gezittert werden. Aber auch die Wiener Neustädter dürften den Spielbetrieb vorzeitig eingestellt haben. Interessant ist, dass es bei diesem Duell lediglich halb so viele Fouls gegeben hat wie bei einer durchschnittlichen Bundesligapartie. Es war das fairste Spiel der Saison.  Abstiegskampf – Abstiegskrampf oder wohl eher Abstiegs „sich lieb haben“ – wie die Lämmer eben. Ob sie auch geschwiegen haben, entzieht sich meiner Kenntnis.

Live versus „Flimmerkastl“

Einige dürften zu Hause geblieben sein, um das warme Wohnzimmer und das Cupduell zwischen den beiden besten Mannschaften der deutschen Bundesliga vorzuziehen. Bier und Chips waren hergerichtet und so konnte es losgehen. Und die Daheimgeblieben – die Live-Verweigerer oder einfach Stubenhocker sahen ein gutes Spiel zwischen den „Unaussprechlichen“ für so manchen Fußballfan, dem FC Bayern München und Borussia Dortmund. Aber ist es nicht so, dass einem gefällt, was da über den Flimmerkasten läuft, und doch die einzigen Aufreger in den neunzig Minuten die hinuntergefallene Fernbedienung oder das Ausgehen des Chips-Vorrates sind? Na – manchmal holen die Frau oder der Sohn das Bier zu langsam. Aber es ist ein tolles „Erlebnis“, im Wohnzimmer Fußball zu schauen.
Für Verwunderung sorgte auch im Vorfeld der wortgewaltige „Präsi“ des FC Bayern. Würde es die Politik zulassen, würde er, Ulli Höness, Pyrotechnik im Stadion erlauben. Ein Aufschrei des deutschen Blätterwaldes war die (logische) Folge. Das ist doch verboten, das geht doch nicht.

Also verbieten wir gleich Weihnachten, denn alle Jahre gibt es tausende Brände durch Christbäume und Adventkränze. Silvester gehöre gleichfalls abgeschafft, denn alle Jahre gibt es unzählige Verletzte durch die Knallerei. Und das Autofahren ist ebenso gefährlich. Abschaffen kann man es nicht, aber auf jede Autotür schreiben: „Autofahren schadet Ihrer Gesundheit und der Ihrer Mitmenschen“.
Dagegen habe ich noch nie gehört, dass durch Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion jemand ernsthaft verletzt worden ist – außer Rapid-Tormann Koch durch einen Knaller. Und dass dies abzulehnen und zu verurteilen ist, steht wohl außer Frage.
Daher gebührt „Pyromane“ Ulli ein großes Lob und das ist auch interessant für Innsbruck, wo Pyrotechnik mit einer Ausnahmegenehmigung erlaubt ist und das wunderbar und ohne das geringste Problem funktioniert.

Die 2600 „Familienmitglieder“ des FC Wacker Innsbruck sahen wahrlich kein Spitzenspiel, aber eine aufregende erste Halbzeit. Der Torschrei der „Getreuen“ ist da schon mehrmals im Halse stecken geblieben, danach aber machten sich Schreck und Verwunderung über ihre „Lieblinge“ breit. In der zweiten Halbzeit herrschte eigentlich traute Zweisamkeit zwischen den beiden Konkurrenten. Und doch spielten sich auf den Tribünen wunderbare Fußballszenen ab. So mancher konnte gar nicht mehr hinsehen. Da wurde gezittert und gefiebert, natürlich auch geflucht und auf den Boden gestampft. Genützt hat alles nichts. So manche „Lady“ hat bei den Chancen des Gegners einen Schreckensschrei abgelassen und das viel zu oft für meinen Geschmack, was unserer Defensive kein gutes Zeugnis ausstellt.
Dafür gab es nach dem so lange heißersehnten Schlusspfiff einen kollektiven Jubelschrei. Das war Erleichterung und Freude pur, welche beim einen oder anderen bis nach Mitternacht nachwirkte.

So etwas erlebt man eben NUR im Stadion und bei SEINEM Verein. Dieses gemeinsame Erlebnis wird der teuerste Fernseher niemals ersetzen können! So betrachtet ist das ein glatter Kantersieg für das Liveerlebnis Wacker. Da kann ein Spiel noch so schlecht sein!

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Autor: Rudolf Tilg

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