Skip to main content

Von lila Kühen und rosa Schweinderln

Können Sie sich noch an Ihr erstes Spiel am Tivoli erinnern? Ich mich schon, lebhaft sogar. Es war ein Dienstag. Genauer: der 8. April 2003, ÖFB-Pokal wurde gespielt, Salzburg wartete im Viertelfinale, und die wackeren Kicker waren unbeschreiblich große Außenseiter – ähnlich wie dieses Mal, wenn ich das so sagen darf. Das hab ich aber alles erst später erfahren, denn zum Spiel selbst bin ich dann doch eher überraschend gekommen…


Ich am Tivoli

Schwupps, hat’s gemacht. Ich hab gequiekt, wie man halt so quiekt, wenn man ganz erschrocken ist, und hab versucht, Meter zu machen. Aber gesehen hab ich fast nichts, so hell war’s. Und so laut, das können sie sich gar nicht vorstellen. Gejohle und Gelächter und Geschrei. Also Augen zu und Zick-Zack-Kurs durch die Füße der schwarz-weißen Schaferln und lila Kühe, viel mehr hab ich ja nicht erkannt. Und hinter mir fleckt sich immer wieder so ein gelber Hütehund auf den Boden und versucht mich zu erwischen. Aber denkste, ich bin einfach auf die Tafel zu, die ich am Ende vom Rasen entdeckt hab. 0:2 ist drauf gestanden, irgendwas von Salzburg und Wacker und Wattens, und was vom lässigen Heimo und pfeifenden Heiko, aber so genau hab ich’s nicht angeschaut. Schließlich hat sich hinter mir immer wieder wer auf alle Viere gelegt. Tja, das hab ich im Stall gelernt, beim Fangenspielen mit meinen Geschwistern: schnell sein, und keiner erwischt dich. Und dann haben’s mich doch noch gepackt und rausgetragen. Aus der Ferne hab ich noch gehört, dass sich nix verändert hat auf der Tafel, während sie mich wieder heimbrachten zu meinen Geschwistern in den Stall.

Opi erzählt vom Pokal

Daheim hab ich’s dann ganz aufgeregt dem Opi erzählt. Der hat sich gar nicht mehr eingekriegt vor Lachen, sogar sein Schwänzchen hat sich gekringelt. Und er hat mir erzählt, die schwarz-weißen Schaferln waren nicht immer schwarz-weiß, und sie waren mal ganz große, mit 10 Meistertiteln, aber einem Bauern, der nicht so gut mit dem Geld umgegangen ist. Drum sind sie ordentlich geschoren worden und durften nur mehr gegen die Nachbarschafe kicken. Das haben die lila Kühe ganz lustig gefunden und haben gemeint, dass sie nie wieder nach dem Heimathof heißen würden. Und sie haben gelacht und gesagt, auswärts sei jetzt überall, auch in Kundl, Rum und Hall. Ich weiß nicht, was sie haben, da gibt’s eh schöne Wiesen. Opi hat mir auch noch erzählt, dass die Innsbrucker Wollknäuel beim Spielen um den tollen Pokal mit ein bisserl Fortune irgendwelche Wiener ausgeschaltet haben und dann die Lustenauer aus Österreich, und dann wieder die Lustenauer, aber vielleicht waren’s das zweite Mal die Schweizer, so genau hat das der Opi dann doch nicht gewusst. Und dann haben sie eben gegen die Salzburger gespielt. Obwohl, ein bisserl unfair war’s ja schon, denn auch wenn sie nur in der Dritten spielten, sich die Wattener dazu zu holen und dann zu Zweit anzutreten… Aber wenn keiner was sagt, wird’s wohl passen, und genützt hat es auch nix, haben ja verloren.

Opi hört nicht mehr auf zu reden

Der Opi hat dann aber gar nicht mehr aufgehört zu erzählen. Vom Adler, der hoch geflogen ist und dann tief gefallen, von Schafen, die auf der großen Weide vom Tivoli haben rumtollen dürfen und der kleinen Herde, die sich mit der Wiesen in der Gasse dahinter hat begnügen müssen. Und dass sie zu den lila Kühen Schweinderln gesagt haben, fragen Sie mich nicht, warum. Ich war damals das einzige Schweinderl weit und breit. Und gegen diese Schweinderl-Kühe haben die Innsbrucker oft gespielt, auch wenn’s um den hübschen Pokal ging. Achtmal sind sie sich begegnet, aber nur zweimal sind die Tiroler weitergekommen, im Viertelfinale 78/79 und im Semifinale 1988/89. Und beide Male haben sie dann die große Trophäe nach Hause gebracht, so wie fünf weitere Male, zuletzt 1993. Warum der Opa aber beim Viertelfinale 79 so gezwinkert hat, das weiß ich nicht, da muss wohl noch was anderes gewesen sein in diesem Jahr.

Aus Kühen werden Bullen

Später, hat der Opi gesagt, ist dann einer dahergekommen, der violett nicht mögen hat, und dann waren die lila Schweinderl-Kühe plötzlich rote Bullen. Ui, das klingt gefährlich, hab ich mir gedacht und mal geschaut, wie die schwarzen Schaferln gegen die denn gespielt haben. Aber so schlimm war’s gar nicht, die ersten drei Matches zu Hause haben sie gleich gewonnen, und auch später noch einen Sieg und zwei Unentschieden auf der heimischen Wiese zusammengebracht. Nur heuer war es nicht so toll, und das, obwohl sie beim letzten Mal so schön mit 2:0 geführt haben…

Opi’s schräger Galgenhumor

Viel hat sich verändert seit meinem ersten Spiel, und ein paar Leute von damals hab ich später wieder getroffen. Etwa den lustigen dänischen Hirten von den lila Kühen, der wollt’ auch mal Hirte in Innsbruck sein, aber er ist mit den schwarz(-grün)en Schäfchen einfach nicht zurechtgekommen. Oder der Pfeiferl oder so, der auf der Tafel gestanden ist, der macht jetzt selbst auf Hirte bei den neuen Wienern, aber auch bei ihm schaut’s nicht so gut aus – muss ein harter Job sein, das Hüten. Am meisten hab ich mich gefreut, dass ich das lustige ungarische Schafarl wieder getroffen habe. Der spielt jetzt sogar bei denen in Schwarz mit! Er hat zwar noch die gleiche Schur, und reden tut er noch immer nicht so viel, aber hüpfen kann er und fangen – bei dem hätt ich keine zwei Meter am Acker zurückgelegt damals. Nur einen gibt es nicht mehr, den Opi. Alt ist er geworden und schwach, und am Ende hat er immer davon geredet, dass er noch einmal seine Wiese am Tivoli sehen will, egal wie, egal wann. Denn er sei nicht nur ein Leben lang schwarz-grün, sondern darüber hinaus. Und so haben wir ihm seinen letzten Wunsch erfüllt und ihn nach seinem Tod noch einmal mitgenommen. So teilweise. Und ganz hoch haben wir ihn gehalten, damit er alles sehen kann – und wen hat er gesehen? Die jungen schwarz-grünen Schaferln und die lilanen Kühe… Ich glaub, ich hab ihn ein letztes Mal lachen gehört, von ganz weit oben im Himmel…

Avatar photo

Autor: Stefan Weis

Dieser Text stellt geistiges Eigentum des tivoli12 magazins dar und ist somit urheberrechtlich geschützt. Um den Text, oder Teile davon nutzen zu können, setzen Sie sich bitte mit dem tivoli12 magazin in Verbindung.
Skip to content