Skip to main content

Alles relativ

Gerne verkürzt man Albert Einsteins wohl berühmteste Theorie auf die lapidar klingenden Worte „Alles ist relativ.“, entfernt sich dabei jedoch vom eigentlichen Thema Physik und nähert sich mehr der philosophischen Richtung des Relativismus an. Moment, Sie lesen nach solch einem Einleitungssatz noch weiter? Wirklich? Dann sind Sie vermutlich ein Anhänger der Denkschule des wackeren Relativismus, in der nichts so ist, wie es zu sein scheint. Man sagt etwa fußballaffinen Menschen nach, ein IQ in Höhe der schwarz-grünen Punktezahl zu haben – ich finde, Sie haben das soeben relativiert. Und gerade vor der Begegnung mit dem überlegenen Tabellenführer FK Austria Wien tut ein bisserl Relativismus ganz gut, vielleicht erscheint dann das Spiel selbst auch nicht mehr so schlimm…

Relativ große Sorgen

Dabei haben die Fans des FC Wacker Innsbruck ja eigentlich die Nase voll vom Relativismus. Denn viel zu oft hörte man, es stünde um die Finanzen relativ gut und um den Erhalt der Lizenz mache man sich relativ wenig Sorgen. Die Wahrheit relativierte nicht nur diese Aussagen, sondern auch das Interesse der schwarz-grünen Anhängerschaft am sportlichen Bereich, scheint doch der wahre Hauptschauplatz um die Zukunft des Vereins abseits des grünen Rasens zu liegen. Dass die auch daraus resultierenden sinkenden Zuschauerzahlen gleich als Grund für die Finanzmisere dienen dürfen, ist relativ logisch. Wobei sich hierbei die relativ schwere Frage von Ei und Huhn aufdrängt.

Relativ einsames Horr

Diese schwachen Zahlen relativieren sich aber mit einem Blick nach Favoriten. Zugegeben, in der heurigen Saison läuft es für die Veilchen, ein Schnitt von ziemlich genau 10.000 Besuchern kann sich sehen lassen, stellt aber für die Violetten in einer ansonsten grün-weißen Millionenmetropole ein völlig neues Gefühl dar. Im Meisterjahr 2006 lockte man knapp 8.100 Fans an, 2003 waren es 6.200, ebenso viele in den Meisterjahren 1991-1993. In den vergangenen 25 Jahren fanden im Schnitt 6310 und ein halber Fußballfan den Weg an den Verteilerkreis, man kann also nicht gerade von einem florierenden Budgetposten sprechen.

Relativ verdrehte Geschichte

Dass in diesen 25 Jahren fünf Meistertitel, sechs Vizemeistertitel, acht Cupsiege bei neun erreichten Finali und sechs Supercup-Siege ihren Weg in die Titelsammlung der Austria fanden, schien die Wiener nicht zu einem Besuch des Horr-Stadion überzeugen zu können. Auch nicht der Umstand, dass der eigentliche Rekordmeister dort zu Hause ist. Das relativ verdrehte Geschichtsbild der österreichischen Liga machte aus einem sechzehnfachen Wiener Meister aus Hütteldorf einen bundesweiten, während der FAK mit seinen drei Wiener Krönungen und den 20 Titeln nach Einführung einer gesamtösterreichischen Meisterschaft mit Rang zwei vorlieb nehmen muss. Insgesamt überflügeln die Violetten ihre grünen Rivalen in allen bundesweiten Belangen: 20 zu 16 in Meisterschaften nach 1949, 21 zu 10 Cupsiege aus Bewerben mit „Provinzvereinen“, 7 zu 3 Doublegewinne, 6 zu 3 Supercupgewinne, sogar in der Stadthalle müssen die Arbeiter aus der Vorstadt dem bürgerlichen Ballett mit 19 zu 7 den Vortritt lassen. Wobei, ich muss relativeren – mit 18 Vizemeisterschaften hat Rapid die Nase in einer unliebsamen Statistik vorne. Aber Rekordvizemeister klingt auch relativ blöd.

Relativ eindeutige Zahlen

Eine relativ klare Sprache sprechen die Zahlen zu den heurigen Duellen des FC Wacker Innsbruck mit dem FK Austria Wien. 0:9 Tore, 0:9 Punkte sind an Deutlichkeit kaum noch zu übertreffen. Zweimal scorte Tomas Jun, drei Tore steuerte Philipp Hosiner bei, und viermal war ein Tiroler am Platz erfolgreich: neben Florian Mader und Fabian Koch überwanden auch Marco Kofler und Martin Svejnoha den Keeper der Innsbrucker. 54mal schossen die Austrianer auf das wackere Gehäuse, die ansonsten recht schussfreudigen Schwarz-Grünen brachten den Ball nur 31mal in Richtung Heinz Lindner. Insgesamt kamen 10 „g’standene“ Tiroler bei diesen Duellen zum Einsatz, zwei davon im Dress der Austria. Fünf weitere hüteten bei Wacker die Bank, einer bei der Austria. Und von der Bank aus konnte man gut die 2188 Ballkontakte des designierten Meisters beobachten, der damit die 1563 des potentiellen Absteigers deutlich überflügelte. Aus 591 Zweikämpfen gingen die Wiener 348mal als Sieger, nur 243mal als Verlierer hervor – 59 violette zu 41 schwarz-grünen Prozent zeigen eine relativ klare Schieflage.

Alles ist relativ

Es spricht also relativ wenig für die Innsbrucker: zittern um die Lizenz, zittern um den Klassenerhalt, zittern vor der Saisonleistung der Wiener. Darum wird Wacker einmal mehr einen starken 12. Mann brauchen, der sie – wie gegen die SV Ried, die in dieser Saison alle Spiele gegen die Austria verloren hat – nach vorne peitscht und sie auch in schwierigen Phasen unterstützt. Dann sind alle Statistiken der Welt nur mehr relativ…

Avatar photo

Autor: Stefan Weis

Dieser Text stellt geistiges Eigentum des tivoli12 magazins dar und ist somit urheberrechtlich geschützt. Um den Text, oder Teile davon nutzen zu können, setzen Sie sich bitte mit dem tivoli12 magazin in Verbindung.
Skip to content