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Emotionen pur

Perfektes Warm up am Samstagabend in der Olympiahalle beim Konzert der Toten Hosen und dem stimmungsvollsten Public Viewing des Championslaguefinales in der Alpenregion auf das Spiel der Spiele in Wolfsberg. Bei „You Never Walk Allone“ aus fast 10.000 Kehlen zieht’s einem dann nicht nur die Ganslhaut auf.


Ans Schlafen war nicht mehr zu denken. Der erste Bus machte sich überhaupt schon um 0.30 Uhr auf den Weg Richtung Kärnten. Die nächsten 150 Leute starteten dann um 5 Uhr in der Früh. Und dieser Tag sollte denkwürdig werden und ganz sicher seinen Platz in der hundertjährigen Vereinsgeschichte finden. Vorbei an schneebedeckten Wäldern ging es über Landstraßen und Highways Richtung Klagenfurt. Und was für ein Wechselbad der Gefühle und Emotionen wir dort etwa 60 Kilometer nach Klagenfurt erleben sollten, war selbst mir noch fremd.

Zu Gast bei Freunden

Unendlich schien die Fahrt nach Wolfsberg zu sein. Mitten in Klagenfurt wurde gleich ein Biergarten eines kleinen Gasthauses zum schwarz-grünen Revier auserkoren. Dass die dann mit einem Ansturm von fast 150 Leuten “ leicht“ überfordert waren, lag auf der Hand. Aber FCW Fans sind ja hilfsbereit und so wurden alle mit Hopfentee und Speisen versorgt. Fußball wurde auch gespielt – auf der Straße!
Dann ging es weiter in die Stadt der Begierde und wir stiegen mitten in Wolfsberg aus dem Bus. Singend und fahnenschwenkend ging es im Marsch Richtung Stadion. Bei einem Cafe trafen wir mit weiteren Schwarz–Grünen zusammen. Überraschend war, dass uns die Einheimischen durchaus wohlgesonnen gestimmt waren. Wäre ewig schade, wenn Innsbruck runter müsste, so der allgemeine Tenor unter ihnen. Mit „wir steigen niemals ab“ -Gesängen ging es dann zum Stadion.

Gar nicht mal schlecht

Der Sektor in der „Lavanttalarena“ war überraschend gut. Auch die Verpflegung und die Sicht auf das Spielfeld stellten zufrieden: zwar sehr weit vom Spielfeld entfernt, aber trotzdem.
Schön langsam füllte sich der Away-Sektor in Wolfsberg und die Spannung stieg immer mehr, die Gesänge im Sektor wurden immer lauter. Zu Spielbeginn wurden 1000 schwarze und grüne Fahnen geschwenkt. Die Stimmung war am Kochen, aber nach Eckballserien der Wolfsberger und doch einem nervösen Beginn unserer Mannschaft ist man auch im Sektor irgendwie immer nervöser geworden. In unserer stärksten Phase der ersten Halbzeit dann der lähmende Schock: 0:1 in der 45. Minute.

Leere

Die Mannschaft tat sich schwer. Wiener Neustadt führte und keiner glaubte, dass Mattersburg der Admira ernsthaft weh tun würde. Hätte man zur Pause eine Stecknadel fallen lassen, sie wäre mit ohrenbetäubendem Krach auf dem Betonboden zu hören gewesen. Die Meisten waren mit sich selbst beschäftigt oder tippten ungläubig an ihren Handys herum. In der zweiten Halbzeit gleich der nächste Schock: 0:2 und fast aussichtlos zurück. Oberhalb unseres Sektors saßen etwa 20 Leute weinend an der Mauer. Die Hände vors Gesicht geschlagen. Wir waren so nahe dran und jetzt müssen wir doch runter: einfach Entsetzen pur. Aber auch das ist Fußball. Eine Luftballon-Choreo sollte gemacht werden, ging aber ein wenig unter. Ein Mann aus Frankfurt nahm mich in den Arm und meinte, „ihr packt das noch, wenn es die Eintracht schafft, dann ihr auch“. Man kann die Gefühle nicht beschreiben – einfach unfassbar.

Der Beginn des Wunders

In Minute 72 dann Riesenjubel im Sektor: der Anschluss war geschafft. Die Kurve jetzt wirklich voll da. Ungläubig kamen auch jene zurück, um zu sehen, ob doch noch was geht. Aber war doch klar, gerade jetzt musste die Nachricht kommen, dass die Admira in Front liegt. Wieder brauchen wir zwei Tore. Aber unser Schilling zeigte, dass er eine starke FCW-Währung ist und haute das Leder über die Linie. Was nun los war, da kann ich 1000 Fanviews schreiben, aber würde auch dann noch nicht die richtigen Worte finden. Wie eine Dampflawine suchte unser Team den Weg nach vorne und drei Minuten nach dem Ausgleich verabschiedete sich Julius Perstaller mit einem Wahnsinnstor vom FC Wacker Innsbruck. Unser Sektor expoldierte vor Jubel und Extase.

Hunderttausend Tode

Jene Minute, die uns schon vor drei Jahren Glück brachte, als Marcel Schreter in Pasching das Runde ins Eckige versenkte, verzauberte uns alle in Wolfsberg wieder. Männer wie die Tiroler Berge wurden zu kleinen Kindern. Zitterten und heulten, als wäre gerade die Welt zusammengebrochen. Aber diesmal waren es Freudentränen. Vorstandsmitglied Martin Weberberger fiel mir unter Tränen um den Hals. Wahnsinn, vor acht Minuten saß er noch fix und fertig an der Mauer. Nimmt man die Emotionen vom Siegestor am vergangenen Mittwoch und multipliziert das vielfach, kann man eventuell nachvollziehen, was sich ab nun im Sektor abgespielt hat. Ab nun hatte auch unsere Lady Heidi aus Wien hunderte Nachahmer und bei jeden Angriff der Wolfsberger wurde gekreischt, was die Kehle hergab. Es brannte im Sektor und die Nerven wurden mehr als nur strapaziert. Auch noch fünf Minuten Nachspielzeit. Obwohl unsere Mannschaft das eigentlich trocken runter spielte, starb man auf der Tribüne hunderttausend Tode.

Entfesselt

Schlusspfiff, wir haben es geschafft – aber halt, es gab noch einen Einwurf und die schon auf das Feld gesprinteten Fans machten eine Kehrtwendung und waren schnell wieder draußen. Aber dann brachen alle Dämme. Menschentrauben tanzten, lagen übereinander auf dem Betonboden. Manche hätte man mit keinem Lasso mehr einfangen können. Ich habe noch nie so viele Menschen in Freudentränen ausbrechen sehen. Sogar Wolfsberg sah sich das die ganze Zeit über an und die Stadiontechnik spielte „Sierra Madre“. Drunten am Spielfeld spielten sich unglaubliche Szenen ab.

Der mitgereiste Tomas Abraham fiel mir um den Hals und der nur mehr mit einer Unterhose bekleidete Lukas Hinterseer war so fertig, dass er kaum noch stehen konnte. Geglaubt haben sie selbst nicht mehr an ein Wunder, aber mit Hilfe der 1000 Fans im Rücken und einer unglaublichen Moral geht ein Spiel in unsere Geschichte ein, das mehr in Erinnerung bleiben wird, als so mancher Meistertitel. Das ist Fußball, das ist die Faszination FC Wacker Innsbruck – Emotionen pur!

P.S.: Zu erwähnen wäre noch, dass Schwarz-Grüne aus allen neun (!) Bundesländern sowie Anhänger des Wr. Sportclubs und sogar der Vienna in unserem Sektor mit von der Partie waren, so wie etwa 30 Fans der SGE. Ich glaube, das ist in Österreich wohl einzigartig.

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Autor: Rudolf Tilg

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