Wolfsberg lässt mich nicht los
In der Saison 2012/13 war ja wirklich alles drin, was man sich so in den schlimmsten Träumen vorstellen konnte. Nach einer Niederlagenserie, wo nach 11 Spielen lediglich ein Sieg herausschaute und der auch noch glücklich zu Stande kam, war die schwarz-grünen Anhängerschar zu Recht sauer. Man stellte die Mannschaft zur Rede und es kam zu Unmutsäußerungen, die schon mal unter der Gürtellinie endeten. Zum Jubiläumsjahr abgeschlagen Tabellenletzter: sollten wir das Hundertjährige dann tatsächlich in der zweiten Liga feiern? Es musste etwas geschehen!
Trainerwechsel mit Folgen
Ein neuer Trainer wurde geholt und ein dringend benötigter Spieler verpflichtet. Zur Überraschung aller aber nicht ein notwendiger Abwehrspieler, sondern ein Stürmer. Beide höchst umstritten, aber beide eroberten mit unbändigem Einsatz für den FC Wacker Innsbruck Anerkennung und sogar die Herzen der Fans. Ein Ruck ging durch die Mannschaft und trotz vieler noch folgender Tiefschläge kämpfte sich das Team immer wieder heran. Dann versetzte die Hiobsbotschaft um unsere wirtschaftliche Lage und die Nichterteilung der Lizenz in erster Instanz den nächsten Tiefschlag. War man wütend über unsere Vereinsführung, standen die Fans aber wie eine Mauer hinter ihrem Team. Trotz aller Schwierigkeiten im Verein hatten wir es vor der allerletzten und entscheidenden Runde in unserer Hand, ob wir die Liga halten oder doch runter müssen.
Das Feuer brannte
Schon vor dem letzten Heimspiel gegen Sturm Graz ist der FC Wacker Innsbruck in aller Munde gewesen. Sehr oft ist man auf das Finale angesprochen worden und da meine ich nicht die Bayern. Im Forum wurde heiß diskutiert und auf Facebook postete fast jeder Dritte über den FCW, was sich nach dem Sieg gegen die Blackys noch zusätzlich verstärkte. Die Karten in Wolfsberg gingen weg wie die warmen Semmeln. Die Vorfreude auf dieses entscheidende Spiel stieg ins Unermessliche und steigerte sich bei der Anreise mit jedem Kilometer.
Wolfsberg ist schön und gastfreundlich
Zu meinem Erstaunen wurde uns bei der Fahrt durch Wolfsberg nicht der übliche Finger gezeigt, sondern mehrfach gewunken. Auch bei einem Cafe war die Stimmung gegenüber unserem Verein keinesfalls negativ. Einige würden es sogar bedauern, wenn sie uns runter gestoßen hätten. Ein reiferer Herr, der sogar in der Firma des Vereinsbosses arbeitet, meinte zum Thema Europacup: „Was sollen wir dort? Ist doch egal, aber der gehöre eher nach Innsbruck.“ Die Umgebung von Wolfsberg ist auch immer mal einen Besuch wert. Eine sehr schöne Gegend, aber deswegen haben wir uns bestimmt nicht die Nacht um die Ohren geschlagen.
Spannung pur
Die Ausgangslage war für sieben der zehn Bundesligamannschaften schon fast dramatisch. Für vier ging es direkt um den Abstieg und drei fighteten noch um die Europacupplätze. Die Spannung ist zum Greifen gewesen. Mit dabei in Wolfsberg, Schwarz-Grüne aus allen neun Bundesländern, über 30 Anhänger aus Deutschland, davon zwei aus Berlin und viele mehr, von denen ich sicher nichts weiß, aber was man an den später vorbeifahrenden Autokennzeichen erkennen konnte. Wer es irgendwie schaffte, ließ sich dieses „Finale Furioso“ nicht entgehen. So ist eine Familie direkt nach einer Hochzeit nach Wolfsberg gedüst.
1000 schwarze-grüne Fahnen sind von den Fanclubs gebastelt und mitgebracht worden und mittels eines Spruchbandes dem Trainer Respekt gezollt.
Enttäuschung pur
Aber all diese Begeisterung half nichts. 0:1 in der 45 Minute. Ein junger Mann fragt mich unter Tränen: „ Schaffen wir es noch?“ Aufgegeben wird ein Brief, aber als es 0:2 stand, glaubte ich selbst nicht mehr daran. So erging es auch einem anderen jungen Mann, der nicht ins Stadion kam und sich das Spiel in einem Wettbüro anschaute, nicht ohne vorher auf seinen FC Wacker Innsbruck zu wetten. 0:2 – da war die Enttäuschung so groß, dass er das Lokal verließ und dummerweise den Wettschein liegen gelassen hat. Glücklich, wer den gefunden hat…
Auch im Stadion spielten sich dramatische Szenen ab. Mich nahm ein Fan aus Deutschland in den Arm und meinte im unwiderstehlichen hessischen Dialekt „Das schaffen wir noch. Die Eintracht hat es auch in letzter Sekunde gemacht. Ihr schafft das!“
Ich habe ehrlich gesagt, nicht mehr daran geglaubt. Auch mein Sohn nicht, denn der tauschte einmal die Fahne mit dem Taschentuch, um sich eine Träne wegzuwischen. Dabei weinte der doch früher nur beim Film „Dumbo“.
Hoffnung pur
Ab der 72 Minute ging es rund. Der Anschlusstreffer gelang den Unseren und gleichzeitig kam die Nachricht, dass die Amira in Führung liegt. Ich stand jubelnd bei einem Schwazer Landsmann. Der meinte kurzerhand, wenn wir es jetzt noch schaffen, pilgern wir auf den St. Georgenberg zum Wallfahren. Ist doch selbstverständlich im hl. Land Tirol und für Wacker nimmt man das auch noch in Kauf.
Sechs Minuten später stand der Sektor Kopf. 3:2 und die Emotionen, die im Sektor ausbrachen, sind auch heute noch unbeschreiblich! Verzweiflung wich der puren Freude, die Menschen umarmten und herzten sich und aus den Tränen der Hoffnungslosigkeit wurden Freudentränen. Kunst, Werbung und Medien versuchen heute ihr Publikum zu emotionalisieren, aber wer echte, wahre Emotionen erleben und teilen will, muss zum Fußball, zum FC Wacker Innsbruck! Sagenhaft, welcher Ausbruch an Glücksgefühlen und Erleichterung in diesem Moment zum Ausdruck kam.
Des einen Freud ist des andern Leid
Nun fing das große Zittern an. Es wurde gekreischt, gebangt und unsere Nerven lagen blank. Aber schlussendlich war es vollbracht und wenn so viele Leute vor Erleichterung und Begeisterung weinen, kann man erahnen, was den Anhängern der FC Wacker Innsbruck wert ist. Man kann getrost sagen, Freude und Erleichterung pur. Mein deutscher Kollege hüpfte mich an und meinte: „Na, was hab ich gesagt!“
Zur gleichen Zeit spielte sich etwa 150 km weiter östlich ein Drama ab. Mattersburg ist wider Erwarten abgestiegen. Ein Bekannter aus dem Burgenland, der im Pappelstadion war, meinte später zu mir, dass die selbst schuld seien. Zuerst zu wenig Tempo, dann nach unserem 0:2 Rückstand spielten beide Mannschaften für 15 Minuten wie Deutschland:Österreich vor 30 Jahren. Die "Schande von Gijon" ließ grüßen. Mit der Führung der Admira und unserem Resultat war das Balli hin- und herschieben aber wieder vorbei. Nur war es zu spät und so gibt es jetzt einen überraschenden Absteiger aus dem Burgenland.
Jetzt freuen wir uns aber auf die Jubiläums-Feierlichkeiten und ich werde mir überlegen, ob neue Wanderschuhe für Georgenberg gekauft werden – sicher welche in schwarz-grün!