Letztlich sind es immer die Fans, die ihre Vereine retten
Die außerordentliche Generalversammlung des FC Wacker Innsbruck steht vor der Türe. Anlass genug sich mit dem Thema "good governance" im Fußball auseinander zu setzen. Dazu Befragte das tivoli12 magazin Antonia Hagemann, ihres Zeichens Expertin zu diesem Thema bei Supporters Direct. Sie zeigt die Vorteile eines demokratisch geführten Mitgliedervereins auf und äußert sich zum Modell des FC Wacker Innsbruck.
Antonia, kannst du die Fanorganisation Supporters Direct (SD) vorstellen? Wer seid ihr? Was macht ihr genau?
Supporters Direct ist der Ansicht, dass Fußball durch die verstärkte Einbeziehung von Fans in die Kontrollorgane und in Entscheidungsprozesse in Vereinen aber auch Verbänden und Ligen verbessert wird – und dass dies auch ganz allgemein soziale und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt.
Wir glauben außerdem, dass die Geschäftsstruktur des Vereins bzw. der Genossenschaft und das dazugehörige finanzielle Modell für den Bereich Sport am besten geeignet sind, weil sie die kulturellen, sportlichen und wirtschaftlichen Dimensionen in Einklang bringen.
Supporters Direct (SD) wurde 2000 in Großbritannien gegründet. Mittlerweile wurde das Netzwerk auf Resteuropa ausgeweitet und ist nun in über 20 Ländern tätig. Wir sind eine gemeinnützige Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Fans dabei zu helfen, in die Entscheidungsprozesse im Fußball eingebunden zu werden. Auf Europäischer Ebene heißen wir übrigens Supporters Direct (SD) Europe in England und Wales, Supporters Direct.
Grundsätzlich helfen wir dabei, demokratische Fanorganisationen zu gründen, deren Ziel es ist, in ihren Vereinen mitzubestimmen. Wir helfen Fans dabei, Anteile an ihren Vereinen zu kaufen, aber wir arbeiten auch mit Regierungen, Ligen, Verbänden, der EU-Kommission, dem Parlament und der UEFA zusammen. Bei allem, was wir tun, geht es darum, den Fußball demokratischer zu machen und Fans in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Es geht uns darum Lösungsvorschläge zu machen. Nicht nur blind zu sagen, Fans bzw. Mitglieder sollen mitbestimmen, sondern wir wollen auch zeigen, wie das natürlich immer mit den Verantwortlichen und Fans vor Ort aussehen kann. Wir haben letzten Winter ein Positionspapier veröffentlicht, das es auch auf Deutsch gibt, in dem wir genau das erklären. Es ist an Entscheidungsträger und Politiker im Fußball gerichtet und soll Lösungsvorschläge bieten.
Abgesehen von der Arbeit für bessere Clubführung und Mitbestimmung, helfen wir aber auch bei der Umsetzung von Art 35, der UEFA Clublizensierung, nachdem Vereine, die in UEFA-Bewerben spielen, Fanbeauftragte haben müssen. Mein Kollege Stuart Dykes schult Verbände Clubs aber auch Fanbeauftragte und erklärt, welche Rolle ein Fanbeauftragter, der im Idealfall aus den Reihen der Fans kommt, haben kann und sollte.
Wieso gibt es euch überhaupt? Und was ist eigentlich Good Governance?
„Governance" in Fußballclubs bedeutet „Vereinsführung" und „good governance" – „gute Vereinsführung". Das beinhaltet die verschiedenen Organe (Vorstand, Aufsichtsrat, Mitgliederversammlung, usw.), die Kommunikation zwischen den verschiedenen Organen, Repräsentation, Demokratie, Transparenz bei Entscheidungen und der Clubführung insgesamt, usw. Wir erarbeiten gerade zusammen mit der EU-Kommission und anderen Interessengruppen an sogenannten Good Governance-Richtlinien, die Sportorganisationen, also auch Fußballclubs anleiten sollen. Für uns ist natürlich wichtig, dass Fans repräsentiert sind in Clubvorständen, Aufsichtsräten und in Entscheidungsprozesse eingebunden sind. Demokratie und Transparenz sind unerlässlich.
Fußallvereine in ganz Europa befinden sich in einer finanziellen Krise. Der Sport leidet unter den Auswirkungen schlechter Governance auf Vereins- und nationaler Ebene und
der gesellschaftliche und wirtschaftliche Nutzen wird gar nicht realisiert. Immer mehr Fans suchen nach Unterstützung, um bei Entscheidungsprozessen mitwirken zu können, um ihre Vereine zu retten und auf stabilere Füße zu stellen. Letztlich sind es immer die Fans, die ihre Vereine retten, weil sie ein langfristiges Interesse am Überleben ihrer Clubs haben.
Die Einnahmen der Clubs in Europe steigen zwar, aber mit ihnen auch der Schuldenstand, (cirka € 1,6 Milliarden), weil sie eine chronische Tendenz haben, mehr Geld auszugeben als sie einnehmen.
Die Vereine geben aus zahlreichen Gründen zu viel aus. Bei immer höheren Einnahmen bei Erfolg und immer größeren Nachteilen bei Misserfolg tendieren die Vereine dazu, vermehrt „auf Sieg zu setzen", was zu einer systemischen Risikobereitschaft geführt hat. Das „Finanzdoping", Inanspruchnahme zinsbegünstigter Darlehen, Finanzspritzen von Mäzenen sowie unverhältnismäßige Ausgaben – erhöhen die finanzielle Instabilität des Fußballs.
Bis 2012 gab es beispielsweise in England seit der Gründung der Premier League im Jahr 1992 in den fünf höchsten Spielklassen Insolvenzfälle bei 92 Vereinen. In Italien meldeten zwischen 2002 und 2012 103 Profiklubs aus den vier höchsten Ligen Insolvenz oder Konkurs an. In Spanien befinden oder befanden sich seit der Einführung des Konkursgesetzes 22 Vereine im Insolvenzverfahren. Zurzeit befinden sich 11 spanische Vereine im Insolvenzverfahren.
Klar, Spiele zu gewinnen, ist wichtig, aber den Verein zu erhalten, ist wichtiger. Inzwischen arbeiten wir mit Fans in über 20 Ländern. Alle haben ein gemeinsames Ziel – Einfluss in ihren Vereinen zu erlangen und meistens sind diese Initiativen aus einer Krise geboren, meistens einer finanziellen. In einigen Fällen helfen wir auch dabei neue Vereine zu gründen, weil die Eigentümer sie vor die Wand gefahren haben oder den Verein umgesiedelt haben, wie zum Beispiel FC United of Manchester oder AFC Wimbledon.
Ihr seid vor gut einem Jahrzehnt in Großbritannien gestartet! Welche Erfolge könnt ihr dort für euch verbuchen?
Wir haben in den letzten zehn Jahren dabei geholfen über 30 Clubs zu retten. Natürlich immer zusammen mit Supporters Trusts – so nennen wir Fanorganisationen, deren Ziel es ist formell mitzubestimmen. Darunter sind Clubs wie Portsmouth, Swansea City, AFC Wimbledon, FC United of Manchester und viele andere mehr. Außerhalb Großbritanniens haben wir zum Beispiel dabei geholfen, nationale Fanorganisationen in Italien und Irland aufzubauen, in Schweden die 50+1 Regel zu erhalten. Fans in Ancona (Italien) haben wir dabei geholfen, zwei Vorstandsmitglieder zu haben und unterstützen Panathinaikos dabei zu einem mehrheitlich mitgliedergeführten Verein zu werden, usw.
Inwieweit hat sich die Situation in den letzten Jahren auf der Insel geändert. Wie hoch ist der Einfluss der Fans bei den Vereinen?
Na ja, die Situation hier auf der Insel ist schwierig. Vereine sind hier ja gar keine Vereine im klassischen Sinn, denn sonst hätten sie ja Mitglieder. Vereine gehören hier Milliardären und sind Spielzeug, Zeitvertreib oder Mittel, um andere Interessen zu verfolgen. Sollten diese Männer irgendwann das Interesse an diesen Clubs verlieren (z.B. Manchester United, Manchester City, Chelsea), dann stellt sich die Frage, wer denn dann die horrenden Gehälter zahlen wird, ob sich gleich wieder jemand mit vollen Taschen finden wird. Hier ist es teuer zum Fußball zu gehen und das Durchschnittsalter im Stadion ist hier sehr hoch und Stehplätze gibt es auch keine. Wir kämpfen schon lange für bessere Verhältnisse, aber es ist natürlich vor allem in der Premier League nicht einfach. Hier wird der Fußball behandelt wie jedes andere Geschäft, also dem freien Markt überlassen. Es gibt kein Lizensierungssystem und Clubs können ge- und verkauft werden, ohne Rücksicht auf die Gemeinden.
Aber dann gibt es Clubs wie Swansea City, der von Fans gerettet wurde, denen 20% des Vereins gehören, die im Vorstand vertreten sind und mitbestimmen können. Und Swansea spielt inzwischen in der Premier League. Inzwischen findet dieses Ungleichgewicht und unsere Arbeit aber auch in der Politik Gehör und wird in Westminster aber auch im EU Parlament diskutiert. Man erkennt doch mehr und mehr, dass das englische Modell einfach zu wackelig ist und den sozialen Interessen im Fußball nicht gerecht wird. Wir sagen hier: "football is a community good not just a business".
Du bist Europäische Projektkoordinatorin und kämpfst mit zahlreichen Fans für demokratische und transparente Vereine, die auf finanziell gesunden Beinen stehen? In wie vielen Ländern bist du tätig und wie unterschiedlich gestaltet sich die Arbeit?
In dem Projekt, das von der EU-Kommission unterstützt wird, geht es darum, Fans dabei zu helfen, mehr Einfluss zu haben und mitzubestimmen. Es waren Fanorganisationen aus acht Ländern dabei: Spanien, Italien, Schweden, Irland, Portugal, Belgien, Deutschland und Frankreich. Das gemeinsame Ziel war mehr Einfluss zu erreichen, aber in jedem Land sind die Umstände ganz unterschiedlich. In Schweden und Deutschland zum Beispiel ging es darum, für den Erhalt der Vereinsstruktur zu kämpfen; in Italien und Irland wurde es Zeit, nationale Fanorganisationen aufzubauen, weil sich inzwischen so viele Gruppen zusammengefunden hatten, die SD Europe irgendwann nicht mehr auf nationaler Ebene vertreten konnte und sollte. In Portugal und Frankreich ist Fanmitbestimmung nicht weit verbreitet und es geht Fangruppen von Sporting und Nantes darum, mehr Fans zu erreichen und langsam ein Netzwerk aufzubauen.
Das waren jetzt aber nur acht Länder. Wir arbeiten aber in mehr als 20 Ländern. Jede Gruppe hat eine andere Fankultur und darauf müssen wir eingehen. Etwas, was in der Bundesliga oder bei einem Club in der dritten Liga in Italien funktioniert, muss nicht automatisch auch in Portugal oder Dänemark funktionieren. Was aber auch zu sehen ist, ist, dass Fans aus allen Ländern so viel gemeinsam haben und die Unterschiede oft gar nicht so groß sind. Das Argument, dass in Land XY ja alles ganz anders ist als im Rest Europas und, dass die Situation ganz speziell ist – lasse ich nicht mehr gelten. Letztlich müssen wir doch Wege finde, wie wir mehr Einfluss haben können und da lohnt es sich über den Tellerrand zu gucken und von anderen zu lernen. Wir vernetzen deshalb alle Gruppen, mit denen wir arbeiten, miteinander. Es ist ein bisschen wie eine große Familie.
Wie schaut der ideale Verein aus? Gibt es den überhaupt?
Ja, den gibt es – FC United of Manchester. Ich kann jedem nur empfehlen nach Manchester zu fahren und die Leute dort kennenzulernen. Wir nennen den Verein „Community Club". Er gehört den Mitgliedern, wird demokratisch und finanziell verantwortlich geführt und ist extrem verbunden mit der Gemeinde. Fans haben gerade mehrere Millionen Pfund gesammelt, um ein neues Stadion zu bauen. Unglaublich!
Für jeden sieht der perfekte Verein wahrscheinlich etwas anders aus. Aber auf ein Grundgerüst könnten sich die meisten wohl einigen: mitgliedergeführt, transparent, der Gemeinde verpflichtet, sportliche und soziale Interessen ausbalanciert, finanziell verantwortlich.
Welche Vereine sind deiner Meinung nach gut aufgestellt und wieso haben sie dieses gewisse Extra?
Die Vereine in der Bundesliga haben mehrere Vorteile gegenüber den Clubs in der Premier League zum Beispiel. Sie sind durch Mitglieder geführt. Mitglieder haben ein echtes Interesse am Verein. Vereine können nicht verkauft werden. Jeder weiß, wem sie gehören – den Fans bzw. Mitgliedern. Und dann sind die Clubs in ein relativ striktes Lizensierungssystem eingebettet, was ihnen dabei hilft, verantwortlich zu wirtschaften. Es gibt Stehplätze und im Vergleich sind die Tickets billiger, usw.
In der österreichischen Bundesliga sind die Klubs ja auch reine Vereine, aber sie sind trotzdem nicht finanziell stabil. Die Mitgliederstruktur alleine ist nicht der Schlüssel zum Erfolg.
Wie es scheint gibt es eine Parallele bei Fußballvereinen in ganz Europa. Erst wenn ein Klub vor dem finanziellen Aus steht, erinnert man sich an die eigenen Fans und Mitglieder und holt sie mit ins Boot. Könnt ihr diese Tendenz bestätigen?
Ja, auf jeden Fall. Oft wird tatsächlich erwartet, dass die Fans Geld sammeln und es dem Verein zur Verfügung stellen. Das ist in Italien zum Beispiel auch oft genauso passiert. Inzwischen sammeln Fans Geld und stellen Bedingungen. Sie arbeiten Businesspläne aus und verhandeln mit der Stadt, Sponsoren und Gläubigern, weil sie ein besseres Vereinsmodell und gute Ideen haben.
Wenn ja, wieso binden Vereine die Mitglieder nicht schon früher ein?
Demokratische Strukturen können ja auch sehr anstrengend sein. Der Vorstand möchte in der Regel in aller Ruhe und ohne viel Nachfrage und Kritik arbeiten können. Von Transparenz kann da oft keine Rede sein. Es gibt auch oft das Vorurteil, dass Fans ohnehin nichts beizutragen haben. Demokratie macht oft ja nur Spaß, wenn sie den eigenen Interessen nützt. Es geht hier aber um die Interessen des Clubs und der Community und deshalb sollte man die auch ins Boot holen und Mitglieder darin bestärken, aktiv zu sein. Gleichzeitig sollten Mitglieder sich aber auch zu Gruppen zusammentun und Lobby machen, Verbesserungsvorschläge ausarbeiten und vorbringen und vor allem zur Mitgliederversammlung gehen. Hier kann und muss man Einflussnehmen.
Erst dann können die Klubs in Österreich zu richtigen gelebten Vereine werden.
Vereinsvorstände müssen zur Rechenschaft gezogen werden und sich verantworten. Damit Mitglieder Fragen stellen und Verbesserungsvorschläge machen können, müssen sie aber auch informiert sein. Transparenz ist also wichtig. Es liegt also an den Mitgliedern, sich zu organisieren und positiven Einfluss zu nehmen. Guckt euch die Satzungen eurer Vereine an, da gibt es sicher Verbesserungsbedarf und wir helfen gerne bei Reformen diesbezüglich.
Rein rechtlich haben Mitglieder den Einfluss oder die Macht, aber man muss sie eben organisieren und vernünftig einsetzen. Keine leichte Aufgabe, aber eine, die sich lohnen kann. Und in Österreich könnt ihr von innen, also über die Mitgliederversammlung aktiv werden. Fans in den meisten anderen Ländern müssen andere Wege finde, Einfluss zu gewinnen.
Habt ihr Kontakte bzw. Mitglieder in Österreich und wie seht ihr hier die Situation ganz allgemein? Mit Austria Salzburg und Red Bull Salzburg gibt es wohl zwei Extrembeispiele in einer Stadt!
Wir sind schon seit Jahren mit Fair Play in Kontakt und haben in diesem Jahr damit begonnen, zu gucken, mit welchen österreichischen Fans und Clubs wir arbeiten können bzw. wer mit uns arbeiten will. Wir waren bereits in Kontakt mit Rapid Wien, dem Wiener Sportclub und Leuten von Wacker Innsbruck.
Der FC Wacker Innsbruck ist ein mitgliedergeführter Verein. Statuten und Vereinsphilosophie (Markengrundbuch) wurden von Fans und Vereinsverantwortlichen gemeinsam in einem Prozess über fünf Jahre ausgearbeitet. Zudem gibt es einen Vertrag zwischen FC Wacker Innsbruck und der Faninitiative Innsbruck, der die Zusammenarbeit regelt. Mitglieder und Fans können sich jederzeit ehrenamtlich engagieren. Wie klingt das in deinen Ohren?
Wie Musik und ein Modell, das es zu erhalten lohnt. Letztlich sitzen doch alle im selben Boot – Fans und Verein und ohne den Dialog geht es nicht. Ich bin mir sicher, dass andere Gruppen in Europa am Wacker-Modell interessiert sein werden. Gerade der Vertrag zwischen Club und Faninitiative ist etwas Besonderes. Gleichzeitig gibt es aber bestimmt auch Bedarf, ein paar Dinge im Verein zu verbessern, z.B. die Information und den Austausch zwischen Vorstand und Mitgliedern. Ich hoffe jedenfalls, dass wir enger zusammen arbeiten werden und Fans in Österreich, die Interesse haben, mit uns in Kontakt treten werden.
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