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Die Ewigkeit dauert sechs Minuten

Es gibt Daten, Augenblicke, Minuten, die haben sich fest in die Köpfe eingebrannt. Wenn Sie die ältere Generation fragen, wo sie denn am 22. November 1963 waren, sie werden es ihnen detailliert erzählen, auch wenn sie sich kaum an das gestrige Mittagessen erinnern können. Wenn man Menschen fragt, was sie am 21. Juli 1969 so gegen vier Uhr früh gemacht haben, wird man überraschend häufig hören, dass sie nicht im Bett waren und geschlafen haben. Und nicht jeder war am 9. November 1989 gegen 19:00 Uhr in der Sauna. Jetzt frage ich Sie: Können Sie sich noch erinnern, was Sie am 26. Mai 2013 getan haben? So um 17:30…?

Sechs Minuten für die Ewigkeit

Eine Ewigkeit ist es her, dass der FC Wacker Innsbruck gegen den Wolfsberger AC im Lavanttal verloren hat. Die letzte – und einzige – Auswärtsniederlage datiert vom 24. Mai 1980, den Schwarz-Grünen fehlten am Ende der Saison genau diese zwei Punkte, sie mussten in der zweiten Division verbleiben. Fast auf den Tag genau dreiunddreißig Jahre später, am 26. Mai 2013, wären sie beinahe wieder dorthin zurückgekehrt. Doch dann kamen die sechs Minuten, die kein Wackerianer je vergessen wird. Sechs Minuten. In sechs Minuten kann man gerade einmal ein Ei hart kochen. Die Innsbrucker kochten an diesem Sonntag jedoch ihr eigenes Süppchen, sie klopften in nur sechs Minuten die Wolfsberger weich, drehten ein schon verlorenes Spiel und stießen die Kärntner aus ihren europäischen Träumen. In sechs Minuten bewegt sich eine Schnecke nicht einmal ein Drittel eines Meters. Wacker bewegte sich auch nicht weit, aber weit genug: in sechs Minuten stieg man von Rang 10 auf Rang 8, und das bedeutete den Klassenerhalt. Wie es mit dem finanziell angeschlagenen Verein bei einem Abstieg weitergegangen wäre, das wagt sich niemand vorzustellen – aber das ist auch nicht notwendig. Weil sechs Minuten, in denen durchschnittlich ein Österreicher geboren wird, das Leben von unzähligen Wackerfans verändert hatten.

Lass dich überraschen

Veränderung ist auch beim WAC Programm. Mit Slobodan Grubor führt in dieser Saison ein neuer Trainer die Wölfe auf den Rasen, nachdem Nenad Bjelica an den Verteilerkreis abgewandert ist und dort Peter Stögers Posten übernommen hat. Und genau so, wie man vor einigen Monaten nicht genau wusste, welches Fleisch denn in einer Lavanttaler Wurst enthalten ist, bleiben auch die Wolfsberger für viele ein Mysterium. In der vergangenen Saison lag man nach fünf Runden punktegleich mit dem FC Wacker Innsbruck am Tabellenende, es schaute düster aus für den Aufsteiger. Doch die Lavanttaler ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, und bis eine Viertelstunde vor Saisonende durfte man vom internationalen Geschäft träumen. Doch sechs Minuten stürzten sie von Europas Bewunderung hinab zum harten Alltag der Maria Enzersdorfer Admira, vom Stadion an der Anfield Road zur Untersberg-Arena an der durch Maisfelder neugebauten Zufahrtsstraße. Und statt vielen Euros aus den Töpfen der UEFA gibt es nun am Wochenende nur einen Schilling.

Die letzten 180 Minuten

Dieser spielte sich in den ersten Runden ins Rampenlicht, jedoch nicht immer ganz freiwillig. Gegen Sturm die meisten Ballkontakte und die beste Zweikampfstatistik, und dennoch als unglücklicher Eigentorschütze in Erinnerung. Gegen Salzburg 18 Fehlpässe bei 28 Passversuchen sind, eine Quote von 35,7% – aber können Sie sich an etwas anderes erinnern als seinen großartigen Safe in den letzten Minuten, als er den Ball von der Linie kratzte? Die Passquoten aller WAC-Spieler waren in dieser Runde zwar deutlich besser (nur Gotal rutschte mit 76,9% unter die 80er-Marke), doch mit nur vier Torschüssen in 90 Minuten gegen Wr. Neustadt war die Niederlage wohl nicht unverdient. Torschüsse scheinen derzeit auch nicht das große Faible der Lavanttaler zu sein, gegen Ried nahm man das gegnerische Tor nur halb so oft unter Beschuss wie die Oberösterreicher, nur gegen Rapid konnte man ansatzweise mithalten – und holte sich dort den bisher einzigen Punkt. Um gegen Innsbruck zu punkten, müsste man wohl auch bei den Flanken etwas aufschließen, denn auch in dieser Statistik war man in allen drei Spielen dem Gegner unterlegen.

Die bittersüßen sechs Minuten

Aber wie war das im letzten Jahr? Nach einem verkorksten Start lungerte man nach fünf Runden im Tabellenkeller herum, um dann der Bundesliga das Fürchten zu lehren. Und beinahe hätte man in der EuroLeague-Qualifikation den Platz von Sturm eingenommen – wären da nicht diese sechs Minuten des FC Wacker Innsbruck gewesen…

 

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Autor: Stefan Weis

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