Die Unbeugsamen
Ein kleines Dorf, am Rande der Karte gelegen. Keine große Geschichte, keine großen Namen. Einen starken Gegner direkt vor der Nase, andere reisen von Weitem an, um sich mit ihnen zu messen. Und sie wehren sich tapfer – und erfolgreich. Wenn sie jetzt an Gallien denken, an eine mit Palisaden umzäunte Siedlung, und an Römer mit blauen Flecken, liegen sie nicht falsch. Denken sie an Grödig, den Aufsteiger in die höchste Spielklasse, und an verdutzte Bundesligisten, dann liegen sie auch richtig. Die Unbeugsamen aus dem Salzburger Land ärgern ganz Österreich, und am Samstag soll der FC Wacker Innsbruck ihr neues Opfer sein.
Eine dörfliche Gemeinschaft
Angeführt werden sie von ihrem Majestix Anton Haas und ihrem Druiden Adi Hütter, deren erfolgreiche Vergangenheit allerdings in der dem aufständischen Dorf vorgelagerten Stadt liegt. Ersterer, der wie Automatix im Metallbusiness tätig ist und durch seine wirtschaftlichen Verbindungen dem SV Grödig auch zu einem potenten Sponsor verhalf, saß zwischen 1993 und 1997 im Vorstand der SV Austria Salzburg und durfte mit ihr die ersten drei Meistertitel bejubeln. Dass sein Sohn Christian Haas die sportlichen Agenden beim Neo-Bundesligisten führt, passt ins Bild des familiären Vereins. Beinahe familiär ist auch der Rückgriff auf Adi Hütter als Trainer. Hütter spielte in genau jener erfolgreichen Zeit bei den Violetten, als Haas dort Vorstand war, war maßgeblich an den großen Erfolgen beteiligt, lernte sein Handwerk als Führungsspieler, dann im Trainerstab der Red Bull Juniors – und holte als seinen Co-Trainer Edie Glieder in die Salzburger Vorstadt. Jenen Glieder, der in Haas Vorstandszeit zur Austria gewechselt war, mit Hütter zusammen zwei Meistertitel bejubeln durfte und der bereits einige Jahre zuvor als Trainer die Grödiger in der Regionalliga West gecoacht hatte. Man könnte sagen, es herrscht eine Freunderwirtschaft beim Neo-Bundesligisten. Oder man sieht es als verschworene Gemeinschaft, die ihre Kraft aus dem Zusammenhalt erhält, so wie im kleinen gallischen Dorf.
Ein Siegeszug
Und Kraft haben Sie, das haben die Blau-Weißen bereits in den ersten acht Ligarunden gezeigt. Ein torloses Unentschieden gegen die benachbarten Wikinger zum Auftakt, wie ein Sturm mit 2:0 über Graz gefegt, der Admira siebenmal Bewunderung abverlangt, selbst gegen die roten Bullen aus dem nahen Juvavum (lat. Salzburg) mit einem wunderschönen Tor in Führung gegangen, die Wölfe aus dem Lavanttal 4:3 niedergerungen, Rapid und Austria in Vindobona (lat. Wien) besiegt – selbst unter anbetracht des in Österreich überraschend gewichtigen Aufsteigerbonus eine unglaublich starke Leistung. Mit 16 Punkten stehen sie hinter ihrem großen Nachbarn Salzburg am zweiten Rang der Tabelle, erzielten die zweitmeisten Tore und mit 21 mehr als doppelt so viele wie Wacker Innsbruck. Dass aber auch die Grödiger nicht unverwundbar sind, zeigte der vermeintliche Zwerg Wiener Neustadt in der Untersberg-Arena vor. In einer spannenden Schlussphase drehten die Niederösterreicher das Spiel, drei Tore von Dennis Mimm brachten einen 6:3 Auswärtserfolg – und zeigten, dass der Druide Hütter doch keinen Zaubertrank anmischt und der Liganeuling verwundbar ist.
Helden ohne Held
Denn es gibt weder Asterix noch Obelix in dieser Mannschaft. Weder Elsneg oder Huspek, weder Boller noch Taboga könnten diese Aufgabe erfüllen. Die Mannschaft, die Österreich gerade das Fürchten lehrt, ist eine bunte Mischung aus „Veteranen“ mit Bundesliga-Erfahrung, erfahrenen Zweitliga-Spielern und hoffnungsvollem Nachwuchs. Nur 399 Spiele absolvierten alle Kicker zusammen in der höchsten Spielklasse, gerade einmal 42 Bundesliga-Tore stehen für den gesamten Kader zu Buche – die Hälfte davon bereits in dieser Saison. Sechs Spieler können auf ihre Liga-Erfahrung aus Vorsaisonen bei anderen Vereinen zurückgreifen, für alle anderen bietet diese Saison absolutes Neuland. Dennoch mussten die Schwarz-Grünen aus Veldidena (lat. Innsbruck) schon schmerzhaft ihre eigene Verwundbarkeit gegen den SV Grödig erleben: vor der hoffentlich einzigartig bleibenden Kulisse von 948 Zuschauern warf der Underdog aus dem Salzburger Land den FC Wacker Innsbruck vor beinahe zwei Jahren aus dem ÖFB-Pokal.
Informationsvorsprung
So schmerzhaft dies für die Mannen von der Sill auch war, nicht nur aus dem Spiel an sich kann der FC Wacker Innsbruck seine Lehren ziehen. Denn mit Grödig jubelte damals ein junger Tiroler, der nun im Dress des Traditionsvereins zu einer wichtigen Stütze der Verteidigung geworden ist: Sebastian Siller. Und auch wenn beide Mannschaften ihr Antlitz verändert haben – vielleicht holen sich die Innsbrucker gerade durch ihn den entscheidenden Vorteil im Duell mit dem Liganeuling…