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Widerstand ist zwecklos

Schon ihr Name löst bei ihren Gegnern Angst aus. Wer sich ihnen in den Weg stellt, wird überrannt. Sie bauen nicht auf und haben sich nicht entwickelt, sie assimilieren. Fällt einer von ihnen aus, wird die Lücke ohne Leistungsverlust gefüllt. Und nicht zuletzt sind sie auch in der Masse einfach austauschbar, selbst ein Abschied von vielen wird im Handumdrehen ersetzt. Tja, so sind sie, die… Wie bitte? Red Bull Salzburg? Nein, ich meinte eigentlich die Borg, den Schrecken des Star-Trek-Universums. Aber jetzt, wo Sie es sagen…

Ihre Kultur wird sich anpassen

Am Beginn stand die Assimilation. Also bei den Salzburgern, der Ursprung der Borg liegt ja etwas im Dunkeln. Und sie assimilierten gründlich. Name, Farben und Traditionen wurden ausgelöscht, und dies nicht nur in Salzburg bei der Austria, sondern auch in Markranstädt, nachdem der Einstieg bei Sachsen Leipzig gescheitert war, oder auch bei den MetroStars in New York. Das Resultat: je vier österreichische Meister- und Vizemeistertitel sowie ein Cupsieg; in Deutschland mittlerweile auch offiziell Teilnahme am Profifußball in der 3. Liga, in den USA der Gewinn der Regular Season in der Eastern Conference und ein Finaleinzug im MLS-Cup. Der Energy-Drink-Vermarkter errichtet aber auch kleinere Einheiten, in Borg-Sprech: Unimatrixen. International in Brasilien und Ghana, aber auch vor der eigenen Haustüre. Die Juniors spielen mit Anif, Anif wird zu Liefering, aus Pasching wird ein verdeckter Bulle – ein Trekkie würde hier wohl zunächst an die Wechselbälger aus dem Gamma-Quadranten denken. Die Borg assimilieren aber nicht nur ganze Kulturen und RB ganze Vereine, sie leben vor allem davon, einzelne Individuen ihrem Kollektiv hinzuzufügen. Also beide. Denn das ist die Grundstruktur beider Gesellschaften: Weiterentwicklung durch inkorporieren (einverleiben) der besten und wertvollsten Eigenschaften und Personen. Und dieses Sammelsurium von herausragenden Spielern (zumindest für Österreich) lässt die Gegner vielfach erzittern.

Deaktivieren sie ihre Schutzschilde

Oft scheint es, als wäre gegen sie kein Sieg möglich. Der FAK im Horrstadion 2:1 besiegt, Wiener Neustadt 8:1 niedergewalzt, im Schnitt mehr als drei Tore pro Spiel erzielt, ein Trefferplus von 25. Mit Jonathan Soriano findet sich in der Mitte des Kollektivs, pardon, der Mannschaft der derzeit gefährlichste Offensivspieler der Bundesliga: elf Tore in elf Spielen, keine Minute verpasst, dazu zehn Torvorlagen. Selbst wenn wie aktuell der Topscorer mit einer Sprunggelenksverletzung ausfällt, ist das für das Dosen-Ensemble (zumindest national) keine Katastrophe, es lauert schon der nächste Topspieler. In diesem Fall Alan, mit acht Toren in neun Spielen, und mit einem Treffer alle 83 Minuten sogar effizienter als sein Teamkollege. Dahinter warten noch ein Kampl, ein Mane… Und auch in der Defensive erwartet den Gegner ein unüberwindbar scheinendes Bollwerk. Zehn Gegentreffer in elf Spielen, ein Schnitt von 0,91. Mit hochgefahrenen Schutzschilden und rotierenden Frequenzmustern prallte jeder Angriff in der Bundesliga an ihnen ab: in dieser Saison noch ungeschlagen, in Serie in 30 Ligaspielen ohne Niederlage. Zuletzt konnte die SV Ried den Salzburgern am 24. November 2012 drei Punkte abringen. Für den FC Wacker Innsbruck liegt dieses freudige Ereignis noch länger zurück, einzig Abraham und Hauser waren von der derzeitigen Mannschaft an diesem 2:3 Auswärtssieg am 23. April 2011 im Walser Kubus beteiligt.

Widerstand ist zwecklos

Dass ein Auflehnen gegen die Assimilation sinnlos ist, teilen die Borg gleich bei der Begrüßung mit. Und auch bei Salzburg erscheint Widerstand manchmal beinahe zwecklos. Doch sie sind nicht unbesiegbar, man kann ihnen auch entkommen. Also den Borg. Und auch den Dosen. Jean-Luc Picard alias Locutus wurde dem Kollektiv entrissen und entwickelte sich zum Anführer der Gegnerschaft. Der Locutus von Wacker Innsbruck heißt Roland Kirchler. Von 2005 bis 2007 in den Fängen des Kollektivs, kennt er dessen Mechanismen von innen und führt nun seine Schwarz-Grünen trotz unterlegener Technologie in die Schlacht. Und er kann sich auf seine Männer am Feld verlassen, die ebenfalls schon bei RB tätig waren, allen voran Roman Wallner, aber auch Stipe Vucur oder Wolfgang Schober. Mit ihnen und ihren Teamkameraden kann auch der kleine FC Wacker den Großen ärgern, auch wenn 57,5%-Heimballbesitz der Salzburger (gegenüber 48,7% der Innsbrucker) oder auch 24,8% Toreffizienz aus 141 Schüssen (gegenüber 15,1% bei 106 Versuchen) eine recht deutliche Sprache sprechen.

Hier wird der Schlussstrich gezogen

Die Realität des wackeren Fußballfans schaut düster aus, auch wenn der Polster nach hinten durch einen Bundesliga-Entscheid vorerst deutlich größer geworden ist. Doch Fußball ist ein Sport der Überraschungen, und auch die Borg, Verzeihung, Salzburger sind nicht unbesiegbar. Einmal müssen die Bullen wieder fällig sein, vielleicht schon an diesem Wochenende. Oder mit den Worten des Enterprise-Sicherheitschefs (Worf) beim Abschuss der Photonentorpedos: „Assimiliert das!“.

 

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Autor: Stefan Weis

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