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Im Winter blühen keine Veilchen

Ob man es wahrhaben will oder nicht, es ist Winter geworden. Man erkennt es an Schneeflecken, die vom trotzigen Fön nur noch angeknabbert werden, an hervorgekramten Schneekanonen, an den Hüttchen in den Innenstädten, an einem unerträglichen Ohrwurm, der schon wieder seinen Weg ins Radio gefunden hat. Die Natur stellt sich um, die Pflänzchen haben das Blühen eingestellt – auch die Veilchen aus Wien scheinen schon den Winter zu spüren. Die Violetten aus Favoriten haben so ihre Probleme im Ligaalltag, und ihr nächstes Problem heißt Wacker Innsbruck.

Da wo die Veilchen blüh’n

Dabei braucht sich der regierende Meister vor nichts fürchten, außer der Furcht selbst, meinte schon Franklin D. Roosevelt 1933. Ob er jetzt speziell die Austria adressierte, ist nicht bekannt, vielleicht meinte der US-amerikanische Präsident „Austria“, war es doch die Zeit des Wunderteams, das Europa das Fürchten lehrte, so wie am Dienstag der rot-weiß-rote Underdog dem WM-Teilnehmer. Mitten unter dem Wunderteam (also dem aus den 30ern, für das aktuelle wäre dieser Titel dann doch vermessen) fand sich ein Bub aus Favoriten, der hieß Matthias Sindelar. Solch einen Sindelar wünschen sich die Violetten seit 80 Jahren wieder in ihren Reihen, doch statt einem Papierernen gab es lediglich einen Geschneckerlten, und aktuell scheinen die Ikonen vom Verteilerkreis ganz abhandengekommen zu sein. Dabei stellte die Austria für „Austria“ in diesem Jahr nicht weniger als vier Mann ab: Heinz Lindner, Manuel Ortlechner, Markus Suttner und Philipp Hosiner gehörten dem rot-weiß-roten Teamkader an, acht weitere ehemalige Veilchen komplettierten die Phalanx der Violetten im österreichischen Nationalteam. Nur, deren Beste werden gar nicht mehr mit der Austria in Verbindung gebracht – oder denken Sie bei Alaba oder Arnautovic an den FAK?

Da wo die Berge glüh’n

Wobei, Assoziationsketten sind oft irreführend. Olympiasieger, Weltmeister, Slalomsieger, weiße Fellboots, ganz Wagemutige hätten vielleicht sogar Sänger oder Schauspieler gesagt, wenn sie vor einem halben Jahr außerhalb des Tivolis zum Thema „Hinterseer“ befragt worden wären. Fußball wäre wohl kaum zur Sprache gekommen. Doch nun haben Ernst, Hansi und Guido Konkurrenz, nun darf der 100jährige FC Wacker Innsbruck endlich wieder einen aktuellen Teamspieler sein Eigen nennen. Gegen die USA fanden sich 103 Jahre Hinterseer im Happel-Oval ein, deren 22 gaben am grünen Rasen ihr Debüt, während Opa Ernst von den Rängen aus mitzitterte. Denn mittlerweile zittern nicht nur in Schnee versenkte Bambusstangen vor diesem Namen, auch die heimische Defensive wurde in der laufenden Saison schon vielfach umkurvt. Und den Toren weicht man nicht mehr aus, man erzielt sie als Hinterseer: neunmal bauschte sich das Netz nach einem Schuss von Lukas, auch die Austria musste heuer schon einen seiner Treffer hinnehmen. Dass er damit um drei Tore gefährlicher ist als der erfolgreichste Austrianer oder gar vier Tore als der letztjährige Wackerschreck Philipp Hosiner, ist Balsam für die geplagte Tiroler Fußballseele.

Da wo die Tore steh’n

Dabei haben die Wiener Veilchen um fünf Tore mehr erzielt als die Innsbrucker. Dass von diesen 26 Toren 13 mit Rechts erzielt wurden, könnte böse Zungen zu einem „eh klar“ verleiten. Doch unsterblich hat sich mit diesen Treffern noch kein Favoritener gemacht, nicht einmal berühmt. Und von berühmt weit entfernt ist leider auch das gar nicht goldene Händchen von Roland Kirchler, was Wechsel betrifft. Es mag damit zusammenhängen, dass seine Ersatzbank nicht gerade als Joker in der Hinterhand bezeichnet werden kann, dass jedoch keine seiner 33 Einwechslungen bei 899 Einsatzminuten in der bisherigen Saison ein Tor erzielen und lediglich Daniel Schütz den wackeren Torschützen beim 4:0 gegen Wiener Neustadt zweimal den Ball servieren konnte, wird von den Gegnern mit Freude aufgenommen. Dabei wäre der optimale Tippgeber so nahe: 245 Minuten, 10 Wechsel und gleich zwei Tore und drei Assists, diese Quote lässt Florian Klausner als erfolgreichsten aller Trainer der Saison 2013 dastehen.

Da wo die Fahnen weh’n

Dass es aber nicht auf Einzelne ankommt, sondern auf das Team, das ist ein offenes Geheimnis des Fußballs. Auch wenn das Wunderteam einen Sindelar hatte, ohne Zischek, Schramseis, Hiden und die anderen wäre es unbedeutend geblieben – frag nach bei der Austria 1933, die über einen sechsten Platz nicht hinauskam. Doch gemeinsam – Trainer mit Co, Spieler mit Spieler, Fans mit Mannschaft – kann auch der kleine FC Wacker Innsbruck den Champions-Ligisten ärgern und die schwarz-grünen Fahnen wieder stolz über dem Tivoli wehen lassen. Denn es ist Winter, da blühen keine Veilchen…

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Autor: Stefan Weis

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