A schöne Leich…?
Der Tod muss ein Wiener sein, hört man. Der weinerlicher Ton in den Liedern und ein schon legendärer Hang zur Morbidität untermauern ja diese Meinung. Doch wer das lange Siechtum des Spitzenfußballs in Tirol in den letzten Jahren, ja eigentlich schon Jahrzehnten beobachtet, müsste ihn eigentlich umsiedeln. Am Sonntag tritt der FC Wacker Innsbruck in der Heimat des Walzers und des skurrilen Umgangs mit dem Ende an – ob es ein Totentanz wird, ist noch nicht entschieden.
Wannsd leben wüsd…
…muaßt übers Sterbn redn, weiß der Wiener. Und die Rapidler sprachen in der letzten Zeit lange über den Tod, schwirrten doch bedenkliche, ja gefährliche Budgetzahlen durch Penzing. Der Vorstand sollte gehen, um den Verein leben zu lassen, der sterbende Heimtempel Hanappi zu neuem Leben erweckt werden, und auch sportlich gab es wenig „petit mort“, dafür so manchen kleinen Tod zu verkraften. Holpernd startete Rapid in die Saison, verabschiedete sich bereits in der ersten Runde gegen den Regionalligisten LASK aus dem Cup, startete mit einem müden 2:2 gegen den WAC in die Bundesliga und einem schwachen 1:1 gegen Asteras Tripolis in die Europa-League-Qualifikation. Vier Spiele ohne Sieg, Niederlagen gegen die Admira und Grödig und der fünfte Tabellenplatz ließ Rapid in den Augen seiner Anhänger schon mit den Gießkannenexpress Richtung Zentralfriedhof besteigen. Doch dann kam ja, zum Glück für die Wiener, der Wacker.
Z´ Tod gfiacht
Beinahe hätte man sich im 14. Wiener Gemeindebezirk zu Tode gefürchtet. Beinahe, denn ein 4:0-Auswärtserfolg im ersten Aufeinandertreffen der Saison mit den Schwarz-Grünen ließ die Hütteldorfer neue Kraft schöpfen. Die kleinen Rückschläge gegen Thun und den WAC brachten sie nicht ins Grab, sondern zu einer respektablen Serie: seit zehn Pflichtspielen in Serie darf sich Rapid als ungeschlagen betrachten, sechs Punkte wurden seither auf der europäischen Bühne geholt, zwölf (und damit nur einer weniger als von Wacker Innsbruck in der gesamten Saison) in der Liga, Erzrivale Austria wurde ebenso besiegt wie Tabellenführer Salzburg. Auch wenn man 13 Gegentreffer hinnehmen musste und „nur“ 18 erzielen konnte, die Morbidität schein abgeschüttelt, nicht zuletzt durch den neuen Schwung, den der Wechsel an der Vereinsspitze gebracht zu haben schien.
An Abgang gmacht, die Patschn gstreckt
Bei Wacker hingegen dürften die vergangenen zehn Spiele nicht gerade zu Euphoriestürmen geführt haben. Zehn Spiele ist es her, dass Rapid am Tivoli zu Gast war, und in diesen zehn Spielen verabschiedete sich Innsbruck – ebenfalls gegen einen Regionalligisten – aus dem Pokalbewerb und durfte nur einmal feiern. Als bräuchte es einen Beweis, dass der Tod des Schlafes Bruder ist, ließ der Schlaf der wackeren Defensivabteilung siebenmal „a Bankerl reißn“. Unglaubliche 27 Gegentreffer mussten hingenommen werden, in der Hälfte der Spiele konnte kein Tor erzielt werden, selbst je drei erzielte Tore gegen die Admira oder gegen Grödig reichten nicht zum Sieg. Und die Bilanz gegen Rapid schaut nicht viel besser aus: unglaubliche 4243 Tage wird es her sein, dass Innsbruck im Hanappi gewinnen konnte – Harry Potter war gerade ins Kino gekommen, Ocean’s Eleven feierte Erfolge und die Welt litt mit Scratch aus Ice Age. Und Marcel Pravy hätte nicht nur eine Opernführung mit den Spielern vornehmen können, sondern ihn auch den Alberner Hafen zeigen…
Friedhof der Namenlosen
… denn dort werden sie begraben, die namenlosen Toten, die die Donau anspült. Begraben wurden bedauerlicher Weise auch die Sieg-Hoffnungen von Generationen von Wacker-Spielern, die in den letzten 14 Spielen im Hanappi 32 Tore und neun Niederlagen hinnehmen mussten. Aber Innsbruck fährt sicher nicht nach Wien, um sich an der dortigen Morbidität zu erfreuen oder gar, um eine schöne Leich abzugeben. Denn wann über d’Weanerstadt die letzten Schwalben ziehn, dann muss ja nicht Schwarz-Grün sich in den „Holzpyjama haun“. Denn bis jetzt ist der FC Wacker – wie der liebe Augustin – noch stets jedem Grab entstiegen…