Skip to main content

Danke, Armin!

 

Nach zwei Jahren Aufbauarbeit verlässt die treibende Kraft der Fanarbeit Innsbruck Mag. (FH) Armin Weber schweren Herzens das Projekt. Mangelnde Planungssicherheit führt dazu, dass der engagierte Sozialarbeiter am Mittwoch das letzte Spiel als Fanarbeiter begleitet. Das tivoli12 magazin besuchte Armin Weber in seinem Büro um die Gründe seines Abschieds und die Zukunft des Projekts zu erfahren.

{mfvideo}241{/mfvideo}
Ziemlich genau vor zwei Jahren wurde die Fanarbeit Innsbruck ins Leben gerufen. Inzwischen ist die Nachricht durchgedrungen, dass es in Zukunft ohne dich weiter gehen wird. Was ist passiert?

Passiert ist viel! Letztendlich habe ich mich dazu entschieden meine Tätigkeit als hauptamtlicher Fanarbeiter mit Jahresende einzustellen weil weder eine berufliche Perspektive noch Planungssicherheit besteht. Dies ist auf die mangelnde finanzielle Ausstattung des Projekts zurück zu führen. Die verschiedenen Subventionsgeber konnten sich scheinbar nicht durchringen verbindliche und adäquate Zusagen zu machen.

Das ist sehr erstaunlich, da die Fanarbeit Innsbruck im ganzen Land und über die Grenzen hinaus als Beispiel-Projekt gilt. Ist dies bei den zuständigen Behörden, die immer wieder auf die Wichtigkeit dieses Projekts verweisen, nicht angekommen?

Man muss unterscheiden. Im Fußballumfeld hat sich vor allem die Bundesliga mit diesem Projekt geschmückt. Sie hat auch von Beginn an gefördert. Sie war zu Beginn etwas konservativer in der Förderung, hat aber dann immer wieder anklingen lassen, dass ihnen die Arbeit und die professionelle Führung des Projekts gefällt. Sie könnten sich mehr Förderung vorstellen. Davon ist man auch in den Gesprächen mit der Politik ausgegangen. Wir forcieren eine Viertel-Förderung: Wacker Innsbruck, Faninitiative Innsbruck als Trägerverein, die Bundesliga und Stadt/Land fördern. Somit wäre ein Budget, das sehr nieder angesetzt ist auf mehreren Schultern verteilt. Dann ist so ein Projekt auch umzusetzen.

Von welcher Budgethöhe sprechen wir?

Budgetiert ist die Fanarbeit Innsbruck mit 77.000 Euro pro Jahr, was allerdings am aller untersten Limit angesetzt ist. Wir sprechen hier von einem hauptamtlichen Mitarbeiter mit 32 Wochenstunden und einer Honorarkraft. Das ist das absolute Minimum, das man in der Fanarbeit braucht um ein Projekt professionell zu führen. Sinnvoll und notwendig wären zwei hauptamtliche Mitarbeiter mit einer Stundenanzahl, die vor allem für die Spielbegleitungen ausreichend ist. Das ist bzw. war immer Zukunftsmusik. Wir sprechen als von 77.000 Euro aufgeteil auf vier Förderstellen. Das wäre jetzt aus meiner Sicht nicht unmöglich gewesen diesen Betrag auf die Beine zu stellen.

Der Zug ist in diese Richtung abgefahren?

Abgefahren ist er noch nicht, aber man muss sich das so vorstellen: Wir haben im Jahr 2013 ein ausfinanziertes Budget am Papier gehabt. Die Politik hat auch gefördert. Konkret die Stadt Innsbruck mit 5.000 Euro und das Land Tirol mit 15.000 Euro. Das war für uns ein schöner Erfolg, weil wir somit auch öffentlich eine anerkannte soziale Einrichtung geworden sind. Allerdings mussten wir 2013 diesem Geld auch nachlaufen – vor allem auf Landesseite. Zufälligerweise kurz vor der Landtagswahl ist das Geld dann geflossen. Allerdings auch wieder über andere Kanäle. Wacker Innsbruck hatte dies beantragen müssen. Also ganz komplizierte Geschichten. Es war nie klar, dass die Sozialeinrichtung Fanarbeit Innsbruck von den dafür vorgesehenen Abteilungen gefördert wird, sondern es war immer ein herumlavieren zwischen wer fördert genau, kann man fördern, will man das überhaupt. Von politischer Seite gab es keinen großen Willen hier substanziell zu fördern, sondern mehr oder weniger die Einstellung „ein bisschen können wir schon geben, das ist ja eine gute Sache und in der Öffentlichkeit steht der Fußball auch immer – mann kann sich da schon Freunde machen“. So ist mir das immer vorgekommen.

Für 2014 haben wir ganz normal die Anträge an die Abteilungen für Soziales für Stadt und Land gestellt. Jetzt haben wir Mitte Dezember – keine Antwort. Das heißt natürlich für mich persönlich, dass ich keine Ahnung habe, ob ich im Februar noch über Gelder verfüge, oder nicht. Da kann man inhaltlich natürlich gar nichts planen. So kann man nicht professionell arbeiten! Man weiß nicht mit welchem Geld man rechnen kann. Das sind alles Punkte, bei denen ich sagen muss es tut mir um das Projekt sehr Leid, aber ich muss auch darauf schauen, dass dies professionell läuft. Diesen Anspruch habe ich einfach. So ist es aber nicht machbar.

Du bist in deinem Metier auch über die Grenzen hinaus sehr anerkannt und gut vernetzt. Wie wird hier die Entscheidung aufgenommen?

Mit Bedauern. Das freut mich sehr, weil ich für meine Fachlichkeit als Sozialarbeiter geschätzt werde. Ich habe viele Mails von deutschen Fanprojekten bekommen, die es sehr schade finden weil wir gut zusammengearbeitet haben. Das freut einen natürlich weil man dadurch etwas Anerkennung für die geleistete Arbeit bekommt, die einem sonst leider etwas verwehrt bleibt.

Das betrifft ja nicht nur dich persönlich, sondern vor allem deine Klienten, die in den vergangenen Jahren einiges an Vertrauen aufgebauten haben. Von wievielen Klienten sprechen wir?

Im Prinzip reden wir von dieser Masse oder Anzahl, die auf der Nordtribüne aktiv Stimmung macht, die bei Auswärtsspielen dabei sind. Das ist ein Bereich zwischen 50 und etwa 300 Leuten – je nach dem. Natürlich kommen nicht 5000 Leute zum Beratungsgespräch, das ist klar. Aber man ist ja auch am Spieltag in Konfliktsituationen anwesend. Von dem her ist es sehr schwer fest zu machen wie viele es tatsächlich betroffen hat. Letztendlich kann man davon ausgehen, dass viele Situationen deeskaliert wurden. Das betrifft natürlich sehr viele Zuseher.

Du warst jetzt zwei Jahre an der „Front“. Lass uns an deinem Erfahrungsschatz teilhaben.

Der Erfahrungsschatz auf negativer Seite: Was mich schockiert hat ist der zum Teil rechtswidrige Umgang mit Fußballfans durch die Exekutive. Das ist ganz klar in Salzburg oder in Ried passiert. Das waren Geschichten, die mich einfach schockiert haben. Man hört viel und natürlich sind Fußballfans nicht immer Unschuldslämmer, aber wie da umgegangen wird sind zum Teil wirklich schockierende Geschichten. Das ist eigentlich das negativste, das ich in diesen zwei Jahren mitgenommen habe – diese ständigen Stresssituationen, denen Fans ausgesetzt sind.

Ein klassisches Beispiel?

Beispiel Ried: Wahllose Verhaftungen wegen nichts, bzw. sehr geringer Verwaltungsdelikte. Beispielsweise ist ein Fan verhaftet (!) worden unter dem Vorwand er hätte ein A.C.A.B-Shirt getragen. Man kann darüber streiten ob dieser Ausspruch ein Verwaltungsstrafdelikt darstellt, oder nicht. Wenn man das so sehen will, dann könnte man den Träger auf die Seite nehmen und ihm ein Organstrafmandat wegen Beamtenbeleidigung oder ähnlichem geben. Aber Leute zu verhaften, mit Einsatzeinheiten abzuführen und festzusetzen, die Daten aufzunehmen und so weiter, das sind Dinge wo die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben ist. Unter der Prämisse, dass man ja weiß, dass es sich um eine angespannte Situation handelt, es immer wieder zu Konflikten zwischen Fans und Polizei kommt. So zu agieren habe ich wirklich schockierend gefunden. Das war das absolute Negativbeispiel meiner Karriere. Bei dieser Gelegenheit ist auch ein freidlicher Fan aus dem abfahrbereiten Auto mittels Amtsgewalt herausgezogen und verhaftet worden, weil er die Einsatzeinheiten gefilmt hat! Es gibt in Österreich die klare Rechtssprechung, dass das Filmen von Polizeibeamten sehr wohl erlaubt ist. Viele Geschichten bei denen man sich an den Kopf greift und man erkennt, dass man in einem Gewaltkreislauf ist, den man durchbrechen will. Man merkt aber, dass hier von beiden  Seiten aber wenig Interesse daran besteht diesen Kreislauf zu durchbrechen.

Wie geht die Exekutive mit dir als ausgewiesenem Sozialarbeiter um?

Die Einsatzeinheiten –  wir sprechen hier von den Uniformierten, die tatsächlich den Einsatz ausführen – denen ist es schlichtweg egal ob ich da bin oder nicht. Beispiel: Ein minderjähriger Fan verlangt mich als Vertrauensperson bei der Verhaftung dabei zu sein. Das wird schlichtweg ignoriert. Wenn man nach der Dienstnummer fragt, bekommt man die nicht. Das sind Dinge, bei denen ich auf einem Level mit den Fans bin. Da werde ich ignoriert und meine Rechte werden nicht wahrgenommen bzw. werden die Rechte der Fans nicht wahrgenommen.

Auf Ebene der „Szenekundigen Beamten“ funktioniert in Tirol die Zusammenarbeit gut. Die akzeptieren mich und ich denke, sie schätzen mich auch – und ich sie. Von da her kann man auf beiden Ebenen deeskalierend eingreifen.

Stichwort „Szenekundige Beamte“: Ein großes Manko ist, dass diese auswärts eigentlich nichts zu sagen haben.

Auswärts ist das leider oftmals der Fall, wo der Einsatzleiter vor Ort einfach entscheidet welche Taktik im Umgang mit den Auswärtsfans angewandt wird. Da werden meistens die deeskalierenden Angebote der mitreisenden Szenekundigen Beamten nicht angenommen. Was natürlich katastrophal ist, denn genau darum ginge es doch um gewisse Situationen lösen zu können. Zuhause in Innsbruck wird das schon gemacht. Da passiert auch im Stadion so gut wie kein Polizeieinsatz. Das machen dann die Szenekundigen Beamten, der Sozialarbeiter und natürlich der Ordnerdienst. Das funktioniert im Tivoli ganz gut.

Der Focus stand bisher auf dem Negativen. Was nimmst du Positives mit?

Das aller Positivste ist natürlich, dass das Projekt „Sozialarbeit mit Fußballfans“ von den Fans angenommen wurde. Das freut mich sowohl persönlich als auch beruflich! Zu Beginn gab es natürlich Vorbehalte – man muss sich auch erst kennen lernen. Letztendlich hat die Fanszene gesehen, dass das Projekt sie nicht auf autoritärer Ebene zu regelkonformen Verhalten zwingt, sondern das Projekt dient eher zu einer Begleitung und Beratung auf Augenhöhe und vor allem der perönlichen Situation angepasst. Ich glaube der Großteil der Fans hat das sehr gut angenommen und akzeptiert. Das zeigen auch die Beratungszahlen: Bis jetzt haben wir 215 Beratungsgespräche im Einzelsetting geführt. Das ist in zwei Jahren eine stolze Zahl. Die Fans akzeptieren das Angebot der Beratung und Begleitung, nützen es und profitieren – so hoffe ich – davon.

Das Feedback aus der Fanszene ist sehr, sehr positiv. Hast du Reaktionen auf deinen Rücktritt bekommen?

Auch viele. Das Gros drückt sein Bedauern aus und findet es schade, dass es in der Form nicht mehr weiter geht. Das freut mich natürlich auch.

Du warst eine Triebfeder dieses Projektes. Wird es die Fanarbeit Innsbruck weiter geben und wenn ja, in welcher Form?

Die Faninitiative als Trägerverein hat sich entschieden das Projekt weiter zu führen. Das finde ich prinzipiell eine sehr positive Entscheidung, weil es zeigt, dass auch die Faninitiative vom Erfolg der Fanarbeit überzeugt ist. Natürlich – und da sind wir wieder beim Grundproblem der finanziellen Mittel – wie es weiter geführt wird, ist die große Frage. Wenn man keine Planungssicherheit hat, man nicht weiß wieviel Geld 2014 zur Verfügung steht, wird eine detailierte Planung schwierig. Das Projekt wird in abgespeckter Form weitergeführt. Wie genau und die Details werdet ihr hoffentlich im neuen Jahr erfahren.

Was wünscht du deiner/m Nachfolger/in und dem Projekt?

Dem Projekt wünsche ich, dass es weiter besteht und adäquat ausgestattet wird. Meiner/m Nachfoger/in wünsche ich viel Kraft in der Aufbauarbeit – weil wir nach wie vor in der Aufbauarbeit sind. Viele Nerven, die man vor allem bei den Spielen definitiv braucht, weil man sich immer in Drucksituationen befindet. Man braucht viel Kraft und ein gutes Zusammenspiel mit der Faninitiative. Jeder muss anpacken damit das Projekt weiter besteht und dass es in Zukunft wieder auf einen hauptamtlichen Vollzeitlevel kommt.

Du bist seit Jahrzehnten ausgewiesener Fan des FC Wacker Innsbruck. Ich gehe davon aus, dass man dich als Privatperson in den Stadien Österreichs sieht.

Auswärts werde ich nach fast 70 Spielbegleitungen definitiv kürzer treten. Bei den Heimspielen werde ich wieder auf der Nordtribühne stehen und mich meinen Fansein widmen. Darauf freue ich mich sehr.

Wir wünschen Dir für deine Zukunft alles Gute!

 

 

Avatar photo

Autor: Christian Hummer

Dieser Text stellt geistiges Eigentum des tivoli12 magazins dar und ist somit urheberrechtlich geschützt. Um den Text, oder Teile davon nutzen zu können, setzen Sie sich bitte mit dem tivoli12 magazin in Verbindung.
Skip to content