Stehplätze und Ausgliederung
Diesmal befasst sich der „Blick über den Tellerrand“ wieder einmal mit Fanbelangen. Unser heutiger Blick geht in die Premier League und die Deutsche Bundesliga. Genauer gesagt, geht es nach London in den Stadtteil Holloway und nach Hamburg. Beginnen wollen wir im Mutterland des Fußballs.
Arsenal London FC und REDaction
In der englische Premier League gibt es seit der Tragödie von Hillsborough ausschließlich All-Seater-Stadien. Dadurch hat sich nicht nur das Erscheinungsbild der Stadien geändert, sondern auch innerhalb der Stadien hat sich zusammen mit enorm erhöhten Ticketpreisen das Publikum und somit die Fankultur verändert. Vorbei die Zeiten als auf den so genannten Terraces stehende Fans ihre Teams stimmgewaltig unterstützten. Es hat sich ein inzwischen überaltertes „Theaterpublikum“ breit gemacht, das ab und zu einzelne Szenen beklatscht. Für einige Fans des Arsenal London FC höchste Zeit sich zu organisieren und mehr Stimmung in das Stadion zu bringen. Zu diesem Zwecke wurde REDaction im Jahre 2003 gegründet. Doch dieser Zusammenschluss von vielen Fans beschränkte sich über die Jahre nicht nur auf die Verbesserung der Stimmung, sondern versuchte auch essentiellere Dinge rund um Arsenal London FC zu erreichen. So, wurde ein kleines Lokal angemietet, wo nicht nur an Spieltagen die Möglichkeit besteht sich zu treffen, sondern generell einen Treffpunkt für Arsenal Fans bieten soll. Dass auch andere Initiativen, die sich mit den Themen „Preiskultur in den Stadien“ beschäftigen, die die Wichtigkeit von Fans in den Mittelpunkt stellen, unterstützt werden, versteht sich von selbst. Hat man doch gemeinsame Interessen, die es gilt zu verfolgen.
Sicherlich die größte Aufmerksamkeit wurde REDaction zu teil, als sie am 05.12.2013 eine Petition starteten, die im Grunde dem eigenen Verein auftragen soll, sich für die Umsetzung von Stehplatzsektoren stark zu machen. Dass dieses Thema immer stärker in den Fokus rückt, zeigen nicht nur die Initiativen von den Arsenal Fans. Dass hier das „Kuhpferchmodell“, das auch den Fans des FC Wacker Innsbruck bekannt ist, als Paradebeispiel verwendet und mit diesem geworben wird, ist eine nette Gemeinsamkeit. Dass es dafür sehr viel Lobbying geben muss, erschließt sich daraus, dass nicht nur andere Vereine und der Verband umgestimmt werden müssen, sondern auch die Regierung. Nachdem inzwischen die Wahrheit über Hillsborough endlich ans Licht kam (siehe Cameron entschuldigt sich für Hillborough-Tragödie) und auch die Premier League sich der schleichenden Überalterung des Stadionpublikums annimmt, könnte sich in nicht allzu ferner Zukunft etwas ändern. Die rund 4.100 Unterschriften in den ersten 10 Tagen lassen auf das Ziel „10.000 Unterstützungsstimmen“ positiv hinblicken.
Neidvoll blickt man in England auf die Deutsche Bundesliga, die sich inzwischen zur wohl stimmungsvollsten Liga Europas entickelt hat. Nicht zuletzt dank dem Festhalten an der Stehplatz- und der sich inzwischen rasant entwickelten Fankultur, (man denke an die unglaublichen Choregraphien der Freunde aus Frankfurt oder an die „Gelbe Wand“ in Dortmund) darf die Liga alljährlich neue Zuschauerrekorde vermelden.
HSV und die Ausgliederung
Beschätigt man sich näher mit dem HSV, so stellt man schnell fest, dass der Dinosaurier der deutschen Bundesliga und der FC Wacker Innsbruck so etwas wie Brüder im Geiste sind. Nicht nur rund um deren offizielle Gründung und dem Selbstverständnis gibt es einige Überschneidungen, auch in Sachen Mitgliederstruktur und finanzielle Probleme, ist man sich näher, als man glaubt.
Der HSV ist der letzte Profi-Verein in Deutschland dessen Profi-Abteilung nicht in eine AG ausgegliedert ist. Nach etlichen Versuchen, dies auch gegen den Willen der HSV-Mitglieder durchzudrücken nimmt neuerlich eine Gruppe aus dem HSV-Umfeld, die Initiative „HSVplus“ (unter anderem der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzenden Rieckhoff), einen Anlauf auf der am Sonntag stattfindenden Generalversammlung. Diese Gruppe ist für eine Ausgliederung der Fußballsektion, mit der Möglichkeit des Verkaufes von maximalen 25% Anteilen. Doch nicht jedes Mitglied ist mit diesem Vorhaben einverstanden und so hat sich eine Gegeninitiative unter dem Motto „HSV NOT-FOR-SALE“ formiert.
Diese stellt sich gegen den Antrag und kritisiert, dass die Ausgliederung als „heiliger Gral“ zur sportlichen und finanziellen Besserung der Fußballsektion gesehen wird. Unter anderem kritisiert sie, dass die Mitgliederrechte durch eine Ausgliederung geschwächt werden und die vorgeworfene mangelnde Professionalität innerhalb des Vereines nicht durch die Struktur hervorgerufen ist, sondern aufgrund der Besetzung der Positionen im Verein. Besonders interessant ist in diesem Falle, dass die Initiative „HSV NOT-FOR-SALE“ nicht nur Unterstützung von der europaweiten Fanorganisation Football-Supporters-Europe (FSE) bekommt, sondern auch viele englische Supporter-Clubs und Trusts diese Initiative Unterstützen. Der sicherlich berühmteste Supporter- Trust ist jener des Vereins FC United of Manchester. Dieser setzte gegen die Übernahme von Malcolm Glazer mit der Gründung des FC United of Manchester ein Zeichen und möchte den Fußball wieder zurück zur Bevölkerung bringen. Desweiteren kann man sich auf der Seite der Initiative mit wissenschaftlichen Texten über Risiken einer Ausgliederung auseinandersetzen.
Man darf gespannt sein, ob sich die Mitglieder des HSV diversen Drohungen und herbeifantasierten Horrorszenarien beugen werden, oder weiterhin auf ihre Rechte pochen. Auch das verbindet den Hamburger mit dem Tiroler Traditionsverein.