Warum nur…?
Es gibt Momente im Leben selbst des leidgeprüftesten Wackerianers, in denen man sich die Sinnfrage stellt. Für mich war der Frühjahrsauftakt ein Tag, an dem man sich erneut mit dem Grundsätzlichen auseinandersetzen musste. Was treibt den regelmäßigen Auswärtsfahrer nur dazu, hunderte Kilometer in Kauf zu nehmen, nur um leider viel zu oft wieder enttäuscht zurückzukehren? Ist es die viel zitierte Liebe zum Verein? Das wäre mir zu romantisch. Die Gutgläubigkeit, dass nach dem x-ten Personalwechsel jetzt aber wirklich alles besser werden sollte? Die Erfahrung lehrt mich etwas anderes. Vielleicht einfach weil es geil ist, den Fanclub seines Vertrauens in unbekannte Gefilde zu begleiten? Möglich, aber wiederfinden tue ich mich darin auch nicht. Muss man denn auch immer eine Antwort auf alles haben? Ich denke eher nicht, denn auch in Kärnten habe ich keine Antwort gefunden, die meinem schwarz-grünen Selbstverständnis entspricht. Aber alles der Reihe nach.
Die Launen der Frau Holle
Für jemanden, der zum ersten Mal den Weg in Österreichs Süden wagt, habe ich mir den wohl richtigen Termin ausgesucht – dachte ich zumindest. Schneemengen, die dem Bundesheer alles abverlangen, ganze Täler, die von der Außenwelt abgeschnitten sind. Die schlimmsten Szenarien gingen mir durch den Kopf. Kaum vorstellbar, wenn man schon den Vor-Frühling auf der Alpennordseite genoss. Wurscht. Denn zeigte sich wirklich ganz Kärnten in einem dicken, eisigen Schneekleid? Nein, ein etwas mehr als 4000 Quadratmeter großes Stück in der Landeshauptstadt trotzte dem weißen Gold eisern. Ist die Rasenheizung im Lavanttal eine Persona non grata, leistet sie in der Klagenfurter EM-Arena ganze Arbeit. Da sich im nun endgültig ausgebauten Wörthersee Stadion nun partout keine Bundesliga-Perspektive einnisten möchte, ist man sich zumindest als Ausweichquartier für den Wolfsberger AC nicht zu schade. Da zeigt sich einmal mehr: Kärnten ist ein Land der Superlative. Egal ob das Wetter, das Sportstättenmanagement oder der (einstige) Größenwahn.
Ein ernüchterndes Bild
Wer aus unserem Bus nun schon die Digitalkamera für die ersten Katastrophen-Schnappschüsse zückte, wurde beinhart enttäuscht. Kaum wurde der Katschberg hinter sich gelassen, verdeutlichte sich: Die ASFINAG hatte ganze Arbeit geleistet, von der Autobahn hätte man auch zu Mittag essen können. Dicke Wolken verhinderten dazu den Blick auf ein Land im Ausnahmezustand. Aber wir waren ja auch angetreten, um ein Fußballspiel anzuschauen und nicht die schönsten Winterlandschaften aufzusuchen. Kurz vor Villach noch ein Erinnerungsfoto geschossen, sammelte sich die Tiroler Abordnung, um gemeinsam die restlichen Kilometer in die karinthische Kapitale in Angriff zu nehmen. Orientierungsprobleme wurden bereits im Keim erstickt, denn schon auf der Autobahn war die Arena ausgewiesen. Aber selbst wenn man das Stadionsymbol nicht als solches erkennt, ein Blick über den im Mondlicht schimmernden Wörthersee hinüber zu den Flutlichtquellen machte die Anreise einfach. 1:0 für Kärnten, dachte ich mir.
Hurra, die Innsbrucker sind da
Erstaunlich gastfreundlich präsentierte sich die Kärntner Exekutive, die die mit leichter Verspätung ankommenden Busse bereits sehnsüchtig erwartete. Rote Ampeln ignorierend und mit Blaulicht vorweg wurden die Innsbrucker Gäste über den Klagenfurter Südring zum Auswärtssektor geleitet. Da bis zum Anpfiff nur mehr zwanzig Minuten übrig blieben, durfte auch die Gegenfahrbahn großzügig in Anspruch genommen werden. Urlaub bei Freunden – endlich mal eine Marketingidee die hält, was man sich von ihr verspricht. Allerdings nur bis zum Parkplatz. Denn die leicht überforderten Kassiererinnen wurden nur von dem viel zu eng ausgelegten Eingangsportal übertroffen. Für das erste Hindernis kann man Verständnis aufbringen, wenn man als Stadionbediensteter sonst nur die überschaubaren Regionalliga-Massen versorgen muss. Der an einen Sicherheitsdurchgang im Flughafen erinnernde Eingangsbereich kann sich da allerdings nicht herausreden. Was macht man bitte, wenn man einen Ansturm von mehr als 1000 Auswärtsbesuchern bewältigen muss? Zum Abschluss musste noch ein unendlich anmutender Treppenaufgang überwunden werden, bis der Blick auf das Spielfeld endlich frei ist. Es ist zwar anzunehmen, dass die Klagenfurter Arena nach den neuesten Baustandards geschaffen wurde. Den barrierefreihen Zugang suchte ich allerdings vergeblich – oder ist dieser womöglich auch dem Provisorium zum Opfer gefallen?
Im Süden nichts neues
Eine Kehrtwende erhofften wir uns alle von dem, was unsere Mannschaft auf dem Platz bot. Umso ernüchternder ist es, dass die Geschichte dieses Spiels schnell erzählt ist. Ansätze einer technischen und taktischen Veränderung ließen sich vor allem in den ersten 30 Minuten erkennen. Was hilft es aber, wenn man sich durch eigene Unzulänglichkeiten, ja gar tölpelhafte Naivität, wieder einmal um den verdienten Lohn bringt? Das kannte man alles schon aus den Vorjahren, an denen schon Michael Streiters Vor-Vorgänger gescheitert ist. Wobei nicht nur daran. Aber das ist eine andere Geschichte. Warum schafft man es am Tivoli nicht eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit anzuschieben? Anderen gelingt es ja auch. Der Abstieg ist deshalb ein Szenario, das man mittlerweile realistisch einkalkulieren muss. Spätestens seit dem Koflerschen Eigentor war das auch den letzten Optimisten im Block klar. Die Stimmung im Keller, die Kärntner Fans im spärlich besetzten Oval wussten gar nicht so recht, wie ihnen geschah.
Was bleibt, ist die Erinnerung
Wie ich nun dazu kam, mich mit beinahe theologischen Fragen auseinanderzusetzen? Vielleicht war es meine letzte Auswärtsfahrt in der Bundesliga. Da macht man sich schon seine Gedanken. Gelegenheit dazu gab es reichlich, denn wie weit auch Kärnten von daheim entfernt ist, untermauerte die quälend lange Rückfahrt. Da waren Gefühle ein steter Begleiter. Irgendeine Mischung aus Wehmut, Verlustangst und etwas das nach Hoffnung aussah. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Aber das war nebensächlich in einer Nacht, in der wir Bischofshofen längst hinter uns gelassen hatten, quasi schon mit der Tiroler Grenze vor Augen. Denn das Erlebnis „Wörtherseetour 2014“ konnte uns keiner mehr nehmen. Und auch wenn wir alle enttäuscht ob der 2:3-Pleite wieder heimkehrten, ist es vielleicht genau das, was mich dann doch mit so etwas wie einer Antwort auf meine Eingangsfrage leichter schlafen ließ. Mit ein paar weiteren „Verrückten“, die genau das gleiche fühlen wie Du, gute und schlechte Momente teilen zu können und sich nicht allein vor dem Fernseher in eine Depression hineinzuphilosophieren.