Weniger ist manchmal mehr
Während die fortschreitende Urbanisierung in Europa eher zu einer Stärkung der Städte führt, geht die österreichische Bundesliga hingegen einen anderen Weg. „Dörferliga“ oder „Welt der Sportplätze“ sind wohl noch die schmeichelhaftesten Beschreibungen für eine oberste Spielklasse, die auf der Suche ist nach ihrer eigenen Identität.
Die wachsende Kluft
Tradition ist alles. Sie ist Grundlage für Leidenschaft, Begeisterung und bedingungslose Hingabe. Sie verbindet Alt und Jung. Selbst diejenigen, die lieber im Hier und Heute leben, sind offen für Anekdoten aus früheren Jahren. Erzählt von jenen, die sie selbst erlebt haben. Das stärkt den Zusammenhalt. Umso erstaunlicher ist, dass jenes Feuer, jene Tradition, in der österreichischen Bundesliga nur mehr sehr bedingt anzutreffen ist. Daran ist nicht nur der FC Salzburg schuld. Blendet man die Wiener Vereine, Sturm Graz und unseren Wacker Innsbruck aus, lichtet sich bereits die Fußball-Landkarte. Tradition ist zwar häufig ein Garant für gelebte Fankultur, eine vernünftige Infrastruktur darf man sich allein von ihr nicht versprechen. Aber ist sie auch unverzichtbare Voraussetzung für ein unvergessliches Fußballerlebnis? Ich denke nein. Ist es nicht vielmehr das Einfache, Bodenständige, manchmal auch das mit Mängeln behaftete, das dem Zuschauer ein mindestens genauso einprägsames Stadionerlebnis zu vermitteln vermag als eine Multifunktionsarena neuesten Standards? Es ist verständlich, dass sich große Traditionsvereine durch neue Stadien und diverse Annehmlichkeiten um neue Einnahmequellen bemühen. Es sind aber auch jene Grödigs, Wolfsbergs oder wie zuletzt die Neustädter, die auch ohne Stadiondach oder Rasenheizung dem Gast etwas zu bieten haben. Man muss nur mit offenen Augen das Drehkreuz durchschreiten.
Wovon Innsbruck lernen kann
Es ist gerade jene Einfachheit, die dem mit ganz anderen Ansprüchen aufgewachsenen Fußballfan Respekt einflößt. Austria Klagenfurt, Blau-Weiß Linz oder der LASK finden ganz andere Bedingungen vor, sie finden nur keinen Weg sie für sich zu nutzen. Umso interessanter ist der Blick in die Peripherie der Liga. Wie schafft es ein von einem Automagnaten fallen gelassener Verein wie Wiener Neustadt, sich Jahr für Jahr in der Bundesliga zu halten? Wie konnte sich die Spielvereinigung Ried zu einer solchen Vorbildfunktion hocharbeiten? Es sind wohl die kleinen Dinge, die den Ausschlag geben. Es ist nicht ein in blei gegossener Rucksack mit Erwartungshaltungen, der den eigenen Weg bremst. Es ist vielmehr der Blick auf das Wesentliche, den nächsten Schritt. Was braucht es, um im Konzert der Großen mitzumischen? Jenes an der Sache orientierte Handeln hat man verinnerlicht, da man weiß, dass man wohl andernfalls scheitern würde. Ein Pragmatismus, für den man in vielen Landeshauptstädten nicht bereit oder willens ist. Auch in Innsbruck. Die Rahmenbedingungen für nachhaltigen Erfolg sind genauso vorhanden wie bei den kleinen Vereinen der Liga. Was fehlt, ist die Fokussierung auf jene Maßnahmen, die manchmal große Kraftanstrengungen erfordern, aber notwendig sind, wenn die Tradition nicht nur schmuckes Beiwerk ist, sondern auch weitergeführt werden kann. Das Naserümpfen gegenüber den Dörfern der Liga ist daher absolut unangebracht. Im Gegenteil können Innsbruck und der FCW auch vom letzten Gastgeber Wiener Neustadt mehr lernen, als ihnen lieb sein dürfte.