Fußball und Wissenschaft – „Sprachbarrieren am Fußballfeld“ – Teil 2
Im Zweiten Teil schildert uns Mag. Jasmin Steiner von ihren Forschungen bei anderen Vereinen und zieht Vergleiche mit dem FC Wacker Innsbruck.
{mfvideo}257{/mfvideo}
Ist es ein Trugschluss, dass die Legionäre auf dem Feld mehr kommunizieren als die einheimischen Spieler?
Anhand des Datenmaterials kann man sagen, dass die gesamte Kampfmannschaft des FC Wacker Innsbruck im regen Kontakt zueinander steht. Vor allem in den Trainingseinheiten ist das belegbar. Es wird viel gesprochen auf dem Platz. Es ist immer ein reges Kommunikationsverhalten in alle Richtungen vorhanden. Etwas weniger während der Ausübung von speziellen Trainingsübungen aber um so mehr bei den Spielen. Wenn man sich meine Videos von den Trainingseinheiten ansieht, wird ersichtlich, dass es keine einzige Minute gibt, in der nicht kommuniziert wurde. Nicht nur verbal, sondern auch nonverbal.
Das Nonverbale spielt eine riesige Rolle im Kommunikationverhalten, weil dies wiederum eine andere Art und Weise ist um mit einem anderssprachigen Legionär, der nicht alles versteht, kommuniziern zu können. Man erfindet beispielsweise Gesten, die nur innerhalb des Vereins gültig sind. Beispielsweise das Ausstrecken der Hand nach oben beim Ausführen eines Eckballs oder das auf sich Aufmerksammachen bei Anspielbereitschaft. Wenn ein Legionär gerade nicht die passende Vokabel zur Hand hat, läuft das oft nicht sprachlich sondern eben per Handzeichen ab. Es hat also neben der sprachlichen auch die nonverbale Kommunikation einen großen Stellenwert.
Du hast auch bei anderen Vereinen hospitiert. Wo warst du überall?
Sehr interessante Gespräche habe ich mit Simon Cziommer beim FC Salzburg geführt, der ja mit vielen Legionären bestückt ist und wie dort mit der Multilingualität umgegangen wird. Dann hatte ich noch Gelegenheit mit den österreichischen Legionären in Bremen zu sprechen, also den Gegenseitigen Blickwinkel zu sehen was die Sichtweise der Fragestellung enorm erweitert hat. Weiters hatte ich die Gelegenheit mit der Wacker-Legende Stani Cherchesov zu sprechen und über das Kommunikationverhalten in mehrsprachigen Vereinen zu diskutieren. Auch der Sportdirektor des FC St. Gallen, Heinz Peischl, war zu einem Interview bereit und dieses Thema zu besprechen.
Welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten konntest du beispielsweise zwischen dem FCW und Salzburg erkennen?
Ich bin mit der Erwartung nach Salzburg gekommen, dass dort die sprachliche Integration vorbildlich abläuft und dass die Legionäre dort rundum betreut werden. Das wollte ich mir ansehen um auch zu sehen wo sich der FC Wacker Innsbruck, oder ich mich als Beauftragte dafür beim FCW verbessern könnte. Ich war dann etwas überrascht, als ich erfuhr, dass alle Spieler damals in einen einzigen Kurs geschickt wurden. Bei uns haben die Legionäre alle Einzelunterricht. Das ist einer der großen Unterschiede zu uns. Wir waren da tatsächlich besser aufgestellt als die Salzburger.
Ähnlichkeiten konnte ich darin feststellen, dass sich auch dort die Akteure nicht des Kommunikationsverhaltens bewusst waren. Gleich wie beim FCW. Auch dort wurde während des Trainings im Salzburger Dialekt oder einer anderen Form von Dialekt kommuniziert. Ebenso wie bei uns sind auch dort Kommunikationsprobleme und Missverständnisse entstanden. Beispielsweise hat mir Stefan Maierhofer erzählt, dass während den Trainingseinheiten Spielzüge oder verschiedene Freistoßvarianten zuerst im Plenum besprochen und auch mit grafischen Mitteln erklärt wurden. Alle Spieler signalisierten diese verstanden zu haben. Diese wurden dann auch trainiert, aber im Meisterschaftsspiel konnten diese trainierten Spielzüge nicht positiv umgesetzt werden, weil vor allem die Legionäre die Instruktionen wärend des Trainings nicht verstanden hatten. Diese offene Aussage war für mich sehr überraschend. Er meinte auch, er könne sich ad hoc an fünf Szenen aus dem letzten Spiel erinnern, bei dem dies nicht geklappt hat und sogar zu Gegentreffern geführt hat. Das Bewusstsein zur Stärkung der Kommunikation ist auch eine Gemeinsamkeit der beiden Vereine.
Du beschäftigst dich in deiner Dissertation nicht nur Spielern und Trainern, sondern du hast dein Augenmerk auch auf die Schiedsrichter gelegt. Vor welchen Probelmen stehen diese Akteure?
Viele Schiedsrichter verfügen über sehr eingeschränkte Sprachkenntnisse aus den Herkunftsländern der Legionäre. Natürlich können viele Englisch oder Französisch, aber schaut man sich die Nationalitäten der Legionäre beispielsweise in Österreich an, dann bräuchte es da Kenntnisse in Tschechisch, Kroatisch, Serbisch oder aber auch Spanisch. Da wird schon so manch Schiedrsrichter heftig beflegelt und die fehlenden Sprchkenntnisse diesbezüglich ausgenutzt. Es spiegelt wiederum, dass auch Sprache für Schiedsrichter gar nicht so unbedeutend ist.
Nach deinen Forschungen: Wie wichtig ist Kommunikation im Fußball?
Meiner Meinung nach ist Kommunikation im Fußball sehr wichtig. Das „tragische“ dabei ist, dass man sich dessen nicht sonderlich bewusst ist. Anhand der ganzen Beispiele, Interviews, Audio- und Videoaufnahmen und der eigenen Beobachtung bin ich der Meinung, dass man Missverständnisse innerhalb der Mannschaft oder zwischen Trainerstab und Mannschaft oder zwischen anderen Akteuren und den Legionären durch verbesserte sprachliche Integration in den Griff bekommen würde. Auch auf dem Feld bei Spielzügen, Spielaufbau etc. wären sicher noch mehr Chancen drin, wenn man dies innerhalb einer multilingualen Mannschaft erkennt, und auch daran arbeitet. Der Fokus müsste nicht nur auf das Fußballspielen gerichtet sein, sondern auch auf die Kommunikation, damit auch jeder die grundlegenden Spielbesprechungen, Gegner- und Spielanalysen versteht. Denn nur wenn jeder einzelne eines Teams alles versteht, kann das Kollektiv auch Erfolge erzielen.
Danke für das Interview.