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Ein Schritt zurück

Eine erstickende Apathie hat sich über die schwarz-grünen Lande gelegt, sie dämpft Unmut und Zorn, verdeckt vieles. Der Mensch, der zu seinem Schutz dazu konditioniert ist, in negativen Situationen, in denen er nichts mehr auszurichten vermag, in eine Art Lethargie zu verfallen, verharrt allzu oft in Schockstarre. Wobei, Schockstarre trifft es wohl nicht so sehr, ging man doch sehenden Auges in diesen Abstieg, an dem auch das Spiel gegen die SV Ried nichts mehr ändern wird. Zum 100jährigen Jubiläum verabschiedet sich der FC Wacker Innsbruck aus der Bundesliga – nicht zum ersten Mal…


 
Oh Tod, du Schlafes Bruder

In Innsbruck wurden die Zeichen, nein, die Zaunpfähle, mit denen die sportlichen Ergebnisse den Vereinsverantwortlichen winkten, bedauerlicher Weise nicht wahrgenommen, mögliche Veränderungen verschlafen. Und wo selbst reagieren zu wenig sein kann, ist fehlendes agieren tödlich. In der laufenden 100-Jahre-Jubiläumssaison steht man nach 31 Runden mit mageren 21 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz, blieb aktuell 13 Runden ohne Sieg, kann eine Negativserie von 4 Niederlagen in Folge (zwischen Runde 19 und Runde 24) aufweisen, hat beinahe doppelt so viele Tore kassiert wie geschossen (33:62) – und dennoch kamen einmal über 10.000, im Schnitt 5093 Wackerianer in das Tivoli Stadion Tirol, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Gegen Ried, nebenbei, setzte es diese Saison (passend zum gesamten Saisonverlauf) zwei Niederlagen bei nur einem Remis, das Torverhältnis fällt mit 3:8 deutlich aus.
 
Wackerer Kraft-Akt

Bereits in der Spielzeit 2006/2007 kündigte sich der letzte Abstieg deutlich an. Vom ersten Tabellenplatz in Runde drei fiel man, dank einer wohl nur euphemistisch als „durchwachsen“ zu bezeichnenden Leistung, zwar erst in Runde 22 aus den UEFA-Cup-Plätzen, nahm aber bereits einige Runden vor Schluss und dann wieder am letzten Spieltag verdienter Maßen den letzten Rang ein. Diese sich unaufhörlich weiterdrehende Abwärtsspirale beobachteten durchschnittlich 6300 Unentwegte, in drei Heimspielen (FAK, RBS, SCR) gar eine fünfstellige Anzahl an Augenpaaren. Ein aus heutiger Sicht beinahe lukullisches Ergebnis von 8 Siegen bei 18 Niederlagen mit einem Offensivspektakel von 40 erzielten bei „nur“ 64 erhaltenen Treffern kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass man unglaubliche 15 Runden ohne Sieg blieb und dabei sechs Niederlagen in Serie verdauen musste. Gegen Ried gab es nebenbei einen Sieg bei zwei Niederlagen, das Torverhältnis blieb mit 3:4 im erträglichen Rahmen. Dass der Abstieg erst zum 95-Jahre-Jubiläum in der Saison 2007/08 erfolgte, verdankt man einerseits der Lizenzierungsproblematik des GAK, andererseits einer abermaligen Sieglos-Serie von 15 Runden mit einer Niederlagenserie von vier Spielen en suite. Mit einem Kraft-Akt von sechs Siegen bei 19 Niederlagen und einem Torverhältnis von 32 zu 63 bewegte man sich nur marginal über der Leistung der aktuellen Wacker-Mannschaft, dennoch kamen im Schnitt 6500 Zuschauer ins Stadion, und erneut gegen den SK Rapid Wien gab es ein Spiel mit über 10.000 Fußballphilisten. Die Ballphilister am Rasen kamen hingegen selbst in ihrer „besten“ Phase nicht über Rang 9 hinaus, konnten jedoch gegen Ried ein unglaublich ausgeglichenes Duellverhalten vorweisen: ein Sieg, zwei Remis, eine Niederlage und das dabei magerst mögliche Torverhältnis von 1:1.
 
Mutter aller Abstiege

Den wackeren Urknall gab es jedoch bereits Ende der 70er-Jahre, rund um die 65-Jahre-Jubiläumssaison 1978/79. Nach einem Jahrzehnt mit bereits 5 Meistertiteln und 4 Cupsiegen neigte sich das Innsbrucker Fußballwunder dem Ende zu. Ein amtsmüder Präsident, der Abgang der wichtigen Spieler (deren Verkauf auch stets eine Grundstütze für das Budget war), und sich abzeichnende Finanzierungsprobleme für den Tiroler Profifußball durch Rückzug der Sponsoren sollte einen dramatischen Einschnitt in die goldenen Jahre des FCW ergeben. Nicht weniger als 13 Spieler – unter anderem Pezzey, Welzl, Stering – sowie der Trainer verließen vor bzw. während der Saison den Verein, die 14 Neuzugänge konnten keine Stabilität bringen. Wie auch. Und so stieg man, nicht zuletzt nach internen Konflikten und dem Rauswurf der sportlich eigentlich notwendigen Stützen namens Peter und Friedl Koncilia, mit 41:55 Toren und 8 Siegen bei 20 Niederlagen erstmals aus der Bundesliga ab, nicht jedoch, ohne die absurde Saison noch mit internationalen Spielen und dem Cupsieg zu würdigen. Erst 1981 kehrte man in das allerhöchste Fußballgeschäft des Landes zurück, kickte im oberen Tabellendrittel und auch europäisch, erreichte 2x das Cupfinale – die goldene Zeit war jedoch vorbei, und genau genommen fehlte bereits ab nun auch die finanzielle Grundlage für Profifußball in Tirol, der später ohne Liebhaber des Vereins wie Gernot Langes oder auch enorme Schulden und kriminelle Energie wie beim FC Tirol nicht mehr erfolgreich möglich war.
 
Neugeburt

Wie man einen Abstieg und begrenzte Ressourcen perfekt nutzen kann, das zeigt jedoch seit Jahren die SV Ried. Nach dem überraschenden Aufstieg der Wikinger verschwand man ebenso überraschend in der Saison 2003 in der zweiten Liga. Wer aber ein Ende des Innviertler Fußballmärchens erwartete, täuschte sich. Gewaltig sogar. Ein eigenes neues Stadion half den Riedern in der zweithöchsten Spielklasse wieder auf eigene Füße, zwischen 2004 und 2006 verlor man in 27 Heimspielen in Folge kein einziges Mal, kehrte 2005 in die Bundesliga zurück. Mit voller „Kraft“ schob man sich 2006/07 vom Tabellenkeller auf Rang zwei und feierte den Vizemeistertitel, in der Saison 2008/09 war man die Mannschaft mit den wenigsten Gegentreffern, wurde 2010/11 Herbstmeister und Winterkönig, holte 2011 zum zweiten Mal den Cupsieg und im folgenden Jahr erneut den Herbstmeistertitel. Wenn die SV Ried von einer erfolgreichen Zeit spricht, kann Wacker Innsbruck zum 100er nur gedankenverloren in der Vergangenheit schwelgen – denn an die Zukunft mag man allzu oft gar nicht denken…

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Autor: Stefan Weis

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