Von Pferden und anderen Missverständnissen
Es war ein Missverständnis. „Du meinst sowas wie: You can lead a horse to water, but you can’t make it drink?“ Nein, meinte ich nicht. Obwohl eigentlich auch das auf den FC Wacker Innsbruck zutreffen würde. Man kann einer Mannschaft euphorisierte Fans bieten, die sie bedingungslos unterstützen, selbst in langen Phasen des Misserfolgs. Man kann ein Team zusammenstellen, das in seinen Einzelteilen wohl kaum der prädestinierte Absteiger wäre. Man kann ihren Gegnern Strafpunkte auferlegen und Ihnen so die Mission erleichtern. Und dennoch, spielen müssen sie selbst, zu Erfolg kann man niemanden zwingen. Aber das habe ich eigentlich nicht gemeint, als ich die Situation der Schwarz-Grünen mit den fehlinterpretierten Worten bedachte. Schon eher kam mir Kübler-Ross in den Sinn.
Verleugnung
Das wackere Pferd will seit längerem nichts mehr trinken, kein Wasser, und schon gar nicht den süßen Nektar des Erfolges. Die letzte kurze Phase mit mehr als zwei Bundesliga-Siegen in Folge ist lange 532 Tage her – die ersten drei Spiele unter Roland Kirchler: Ried, Mattersburg und der kommende Gegner Wr. Neustadt. Dass die aktuelle Situation des Vereins keine kurze Momentaufnahme ist, sondern ein dauerhaftes Problem in sich birgt, ist schwer zu akzeptieren, ist es doch auch zu schmerzhaft – die erste Stufe der „Fünf Phasen des Sterbens“ der Schweizer Psychologin Elisabeth Kübler-Ross: Denial (Verleugnung). Die Hoffnung auf eine Fehldiagnose kann beim FC Wacker Innsbruck jedoch nicht bestätigt werden, die chirurgischen Eingriffe auf der Bank, die Frischblut-Therapie durch Neuzugänge, all diese als Lösungen präsentierten Missverständnisse negierten die Probleme der Mannschaft, des Vereins, liefen ins Leere.
Zorn
Und diese Aktionen ohne messbaren Erfolg, der insgesamt fehlende Erfolg, sie führten zu Unmut, zu Überreaktionen. Während man in Wr. Neustadt nach dem Missverständnis Stronach (der sich dann dem nächsten Missverständnis, einer eigenen Partei, zuwandte) einen sparsamen, aber in seinen Grenzen durchaus erfolgreichen Weg einschlug, kämpft der FC Wacker Innsbruck unter anderem mit einem Missverhältnis von Realität und Anspruch. Vor exakt 1000 Tagen, in der zweiten Runde der Saison 2010/11, stand man zuletzt unter den Top 3 der Tabelle, dennoch sprach man weiterhin von Europa, vom oberen Tabellendrittel als Ziel, und zu gerne wurde das geglaubt. Bis man von der Realität eingeholt wurde und sich die Frustration entlud. Stufe 2: Anger (Zorn). Vielleicht unbewusst bei den Spielern am Platz, die nicht nur auf Grund fehlender spielerischer Mittel mit 7 roten und drei gelb-roten Karten an der Spitze dieser Statistik stehen, und deren erhoffte Trotzreaktion zu oft lethargisches Erstarren war. Oder bei den Fans, die sich verbal an den manchmal falschen Spielern abreagierten und einmal auch die Grenzen des Verständlichen respektive den Publikumsbereich verließen. Oder bei den Verantwortlichen, die mehrfach unpassende Kanäle und Adressaten für ihr eigenes Versäumnis suchten.
Verhandeln und Depression
Im Angesicht des nahenden Endes haschen Fans, Verein und Medien nach den kleinsten Strohhalmen. Stufe 3: Bargaining (Verhandeln). Der mögliche Entzug der Lizenz bei einem Gegner würde wohl den Klassenerhalt, jedoch keine Heilung bedeuten, würde eine Veränderung verhindern, das Leiden verlängern. Nebenbei wäre wohl der FC Wacker Innsbruck selbst ein heißer Kandidat dafür. Die Aussicht auf eine für den sportlichen Erhalt notwendige Serie nach dem erst vierten Sieg der Saison dürfte man hingegen nicht einmal als Strohhalm bezeichnen. Der seit sechs Runden sieglose SCWN müsste dazu wohl weitere vier Runden sieglos bleiben. Nichts Neues, das gab es schon, Ende der Saison 2011/12 erduldeten die Mannen von Peter Stöger 12 sieglose Spiele in Folge. Im selben Atemzug müsste Wacker Innsbruck jedoch mindestens drei der vier ausstehenden Spiele gewinnen. Zumindest vier Siege in fünf Ligaspielen, das erlebten die Tiroler Ballesterer zuletzt vor 1305 Tagen, als man als Aufsteiger in den ersten neun Runden nur eine Niederlage hinnehmen musste. Wer aber die einstige Mannschaft, den damaligen Geist mit der aktuellen Situation vergleicht, erreicht Stufe 4: Depression.
Akzeptanz und Hoffnung
In dieser Depression, Schockstarre verharrte die Mannschaft, die Verantwortlichen, das ganze Umfeld zu lange. Zu lange, um für die laufende Meisterschaft noch Veränderungen zu bewirken. Doch mit Stufe 5: Acceptance, der Akzeptanz des Versagen und dem Blick nach vorne, kann auch der FC Wacker Innsbruck erneuert, angepasst, im Kern verändert zurück gebracht werden. Oder er geht den Weg so vieler Traditionsvereine, die ihr Dasein einzig in der Vergangenheit und auf den Landesligaplätzen der Republik verbringen. In all diesen Stufen liegt aber Hoffnung. Denn: „Hoffnung ist eben nicht Optimismus, ist nicht Überzeugung, daß etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“ (Vaclav Havel)