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Wackere Landpartie

Jetzt ist es also soweit. Der FC Wacker Innsbruck bestreitet sein letztes Spiel in der höchsten Klasse des österreichischen Fußballs, und das zumindest für die nächsten 400 Tage. Damit der Abschied nicht so schwer fällt, hat sich die Bundesliga ein schönes Abschiedsspiel einfallen lassen. Zu Gast am Innsbrucker Tivoli: der SV Grödig, eine Mannschaft, die die Gegenwart der heimischen Ballesterer-Szene beschreibt wie kaum ein anderes Team. Kümmerten sich noch von ein paar Jahren die Bauern um die Maisfelder rund um den schwer erreichbaren Sportplatz, könnte nach Investitionen eines einzelnen Mäzens in der kommenden Saison Michael Baur als neuer Trainingsverantwortlicher mit seinen Vorstädtern gleich ganz Europa unsicher machen – ein Erfolg gegen Innsbruck vorausgesetzt.

 
Land der Fußballdörfer

Zugegeben, Österreich ist jetzt wirklich kein sonderlich urban geprägtes Land: eine Millionenstadt, vier mit über 100.000 Einwohnern, vier weitere mit über 50.000 Einwohnern, 17 mit über 20.000. Schnell ist man in der Alpenrepublik in den Größenverhältnissen, die von Fußballfans gerne despektierlich als „Dorf“ bezeichnet werden, wohnen doch nur 37,7% der Österreicher in den 26 erwähnten Gemeinden . Und doch: in den beiden Leistungsstufen der aktuellen Bundesliga spielen nur 8 Teams aus 5 der größten 9 Städte des Landes. Dem gegenüber kommen 8 von 20 Mannschaften (40%) aus Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern – was jedoch nichts über die Größe des jeweiligen Marktes aussagt. So kann etwa die SV Ried auf einen unmittelbaren Ballungsraum zurückgreifen, der dreimal so viele Einwohner hat als die Stadt selbst, ganz zu schweigen vom 20mal größeren Innviertel mit seinen über 200.000 Einwohnern. Eine anderes Beispiel ist der SV Grödig, der, sollte er alle 6982 Einwohner als Fans bei jedem seiner Heimspiele begrüßen dürfen, sich doch nur auf Rang fünf der Bundesliga-Besucherzahlen einreihen könnte – als Teil der Agglomeration Salzburg jedoch in einem Markt von 218.687 Einwohnern liegt…
 
Land der Sportplätze

Mit einem kleinen Problem: die Untersberg-Arena, eine von 10 „Arenen“ unter den 19 Sportplätzen der Bundesliga, fasst lediglich 4190 Zuschauer. Eine Größe, an die sich der FC Wacker Innsbruck gewöhnen darf, haben doch 70% der Erste-Liga-Stadien der Saison 2013/14 weniger als 10.000 Besucher Maximalvolumen und durchschnittlich 1635 Besucher pro Spiel. Der derzeitige, eher mäßige Schnitt von 5020 schwarz-grünen Fans pro Heimspiel brächte den Kickern von der Sill mit Abstand den ersten Rang in der zweithöchsten Spielklasse ein. Selbst das am schlechtesten besuchte Bundesliga-Spiel der Saison, der 5:3-Erfolg gegen Grödig vom 4. Dezember, würde mit seinen 2004 unverdrossenen Fans den Schnitt noch heben. Doch ganz unvorbereitet geht Wacker nicht in die Erste Liga: am 25. Oktober 2011 sahen nur 948 Augenpaare die ÖFB-Cup-Achtelfinal-Niederlage – gegen Grödig. Innsbruck kann sich anpassen, wenn es will.
 
Land der Euro-Zwerge

Allzu viel Anpassung wird es für die zweithöchste Spielklasse auch nicht brauchen. Zwar wird die Öffentlichkeit zu einem gewissen Teil wegbrechen, sportlich wird sich die Erste Liga jedoch nicht allzu viel leichter anfühlen als der wöchentliche Überlebenskampf der aktuellen Saison. Das lassen zumindest die Erfolge der Aufsteiger vermuten, die – wie eben Grödig – noch in der 36. Runde um einen Europa-League-Startplatz kämpfen. Bereits in der vergangenen Saison vereitelten die Innsbrucker dem damaligen Liga-Neuling WAC in der allerletzten Runde die internationale Ehre. Eine Ehre, die dem nächstjährigen Gegner SKN St. Pölten durch den verdienten Einzug in das Pokal-Finale zu Teil werden wird. 50% der heurigen Cup-Semifinalisten stammten aus der 2. Spielklasse, im vorigen Jahr reüssierte gar ein Regionalligist (der auch prompt mit 1:4 gegen Estoril Praia ausschied), in den vergangenen Saisonen wurde das Halbfinale nie nur aus den vermeintlich spielstärkeren Bundesligisten gebildet.
 
Landpartie

Nicht zuletzt zeigt das Los der Absteiger aus der Bundesliga, dass die Erste Liga kein Spaziergang werden wird: In diesem Jahr konnte sich Mattersburg erst in den letzten Runden vor einem weiteren Abstieg retten, andere Teams gerieten nach dem Gang in Liga 2 in große finanzielle Probleme, die von Regionalliga (LASK), Lizenzproblemen (Kapfenberg) bis Auflösung (Austria Kärnten) reichten. Nur wenige – etwa Wacker oder SCR Altach – spielten direkt um die baldige Rückkehr mit. Die Frage, ob dies den Innsbruckern abermals gelingen kann, hängt nicht nur von der Bereitstellung eines entsprechenden finanziellen Rahmenbetrages und der Kompensierung der Abgänge ab, sondern vor allem davon, ob man aus den gemachten Fehlern lernen kann und bereit ist, fehlerhafte Strukturen zu ändern. Der Abstieg des FC Wacker Innsbruck hat sich nicht in einer Saison abgespielt (auch saisonübergreifend wären die Schwarz-Grünen deutlich letzter), ist nicht von einem Trainer abhängig (verliert Innsbruck etwa gegen Grödig, konnten in den vergangenen 15 Runden nicht mehr Punkte im Schnitt eingebracht werden als in den ersten 21), war aber auch nicht unabwendbar. Wird nicht passend reagiert, verkommen die nächsten 100 Jahre des Tiroler Traditionsvereines zur Landpartie. Doch zuvor heißt es noch einmal in einem durch quasi freien Eintritt gut gefüllten Tivoli Stadion Tirol: Österreichische Fußball-Bundesliga, der FC Wacker Innsbruck empfängt…

 

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Autor: Stefan Weis

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