Das Kalorienstadl kennt den Weg
Es war ein Auftritt, an dem sich die Geister schieden. Licht und Schatten wechselten sich ab, als ob sich die Mannschaft selbst noch unschlüssig war über ihre Rolle, die sie in dieser Ersten Liga heuer spielen will. Ein Schicksal, dass sie an diesem Abend mit vielen Auswärtsfahrern teilte, denn die wussten zunächst auch nicht so recht, wie man am einfachsten die St. Pöltner Arena erreichen kann.
Amstetten sehen und sterben
Dunkle Wolken und herbstliche Temperaturen. Je weiter es gen Osten ging, umso grausiger wurde das Wetter. So deprimierend es draußen auch war, zumindest der Weg ins Stadion schien ein leichter, so glaubte man. Was man als Neo-Zweitligist allerdings noch nicht so verinnerlicht hatte: Der freitägliche Feierabend-Verkehr auf der Westautobahn. Und so versuchten wir dem angekündigten Stau ein Schnippchen zu schlagen und bogen bei Amstetten in die niederösterreichische Provinz ab. Straßenbeschilderungen gen Landeshauptstadt suchten wir allerdings vergebens, sodass unser Bus kurzfristig im Amstettener Zentrum feststeckte. Es fehlte nicht mehr viel, in einem als „Kalorienstadl“ bezeichneten Beisl nach dem Weg zu fragen. Stattdessen riskierten wir die Fahrt ins Blaue und bogen kurz vor Ybbs wieder auf die Autobahn ein. Es war weniger die Ortsunkenntnis als der Blick auf die Uhr, der uns zu diesem Schritt veranlasste: Nur noch eine Stunde bis zum Anpfiff. Und dann kam das, was wir vorher verzweifelt versucht hatten zu vermeiden: Statt dem Stau auf der A1 auszuweichen, fuhren wir direkt hinein. Wo war in solch dramatischen Momenten der Freund und Helfer? Die Rettungsgasse war gebildet, es fehlte nur mehr das Blaulicht, das uns an der Blechlawine vorbei in Richtung NV-Arena kutschierte. Es ging immerhin um den FC Wacker Innsbruck. Leider machte sich die Exekutive erst bemerkbar, nach dem schon so gut wie alles vorbei war. Schweißperlen auf der Stirn, noch 20 Kilometer und eine knappe halbe Stunde blieben uns noch übrig. Über St. Pölten selbst braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Es gibt wahrlich schönere Landeshauptstädte als Onkel Erwins Mustermetropole.
Nur Bares ist Wahres
Das Stadion hingegen war ein echtes Schmuckstück. Die überwiegend aus Holz geschaffene Arena schuf eine Atmosphäre, in der man sich schnell wohlfühlte. Leider machte es der Heimverein seinen Gästen nicht leicht, dass das auch längerfristig so blieb. Wer sich bei uns über die Werbung von TIWAG, Tirol Werbung und ähnlichen landesnahen Sponsoren erregt, der soll einmal nach St. Pölten fahren. Die Dauerberieselung des Stadionsprechers zog alle Register: Niederösterreichische Versicherungen, Banken und Gesundheitsprogramme boten ein Rundum-Sorglos-Paket an. Das Land war überall präsent, selbst vor den Toiletten. Bei so viel NÖ-„Propaganda“ kann es dann auch schon mal passieren, dass dem Heimpublikum der FC Wacker Tirol als Gegner präsentiert wurde. Wer auf diesen Schreck erst einmal etwas trinken gehen wollte, der durfte sich mit einer weiteren blau-gelben Spezialität auseinandersetzen: Dem bargeldlosen Bezahlen. Was in der Münchner Arena Alltag ist, ist für St. Pölten wohl auch gut genug. Mit aufgeladener Kreditkarte, NV-Card genannt, durfte man schließlich sein Bier bestellen und erhielt doch nur einen sogenannten „Coupon“ ausgehändigt. Mit dem erhielt man dann endlich sein Getränk. Geht es noch komplizierter? Es mag sein, dass dieses System für Stammbesucher sinnvoll ist, Auswärtsfahrer hält es aber eher vom Konsum ab. Ob Bargeld manchmal vielleicht doch die bessere Alternative ist?
Ist das der Turnaround?
Fast schon alternativlos attraktiv war die erste Hälfte des Spiels. Die Körpersprache der Mannschaft demonstrierte etwas, das man im wackeren Lager schon längst verloren geglaubt hat: Selbstvertrauen. Es war schon ein ungewohntes Gefühl ehrlich sagen zu können, dass heute drei Punkte drin sind. Und das nicht bei einem Abstiegskandidaten, sondern bei einem Top-Klub der Liga. Dieser Sieg tat uns allen gut, ungläubig blieben die meisten von uns dennoch. War das eine Trendwende? Sind wir endlich in der Liga angekommen? Noch ist diese Frage nicht zu beantworten. Was seit diesem Abend aber klar war: Die Absteiger-Vorgänger aus Mattersburg und Kapfenberg taten sich zum gleichen Zeitpunkt wesentlich schwerer als unser FCW. Was für uns am Ende rausspringen wird, darauf wird wohl selbst das Amstettener Kalorienstadl keine Antwort haben…