Frust führt zum Supergau
Verfolgt man das Geschehen rund um den FC Wacker Innsbruck, bekommt man den Eindruck, da wurde der „Selbstzerstörungsmodus“ aktiviert. Klar ist der Frust verständlich. Von ganz oben bis zum schwächsten Glied des Vereins – den „gemeinen“ Fan ganz unten. Der kann nämlich nur hilflos zusehen, welche Entscheidungen getroffen werden und was sich da am Rasen abspielt. Er darf Eintritt zahlen und soll seine Mannschaft anfeuern. Oder kann dem Ganzen einfach fern bleiben. Das dürften sich wohl auch sehr viele denken, denn im Herbst ist nicht nur das Team in den Tabellenkeller gerumpelt, auch die Zuschauerzahlen sind unterirdisch. Der mit Abstand schlechteste der schwarz-grünen Profigeschichte. Zuletzt waren es gerade noch 1500 Zuschauer. Da heißt es dagegensteuern, aber sofort!
Frust auf allen Seiten
Der Frust ist zu verstehen. Seit Monaten zeigen die schwarz-grünen Kicker eine Leistung, die jeder Beschreibung spottet. Aber auch bei ihnen und den Funktionären macht sich Frust breit. Spieler wollen auch angefeuert werden und nicht auf einem „Friedhof“ spielen. Ein Präsident will natürlich seine Entscheidungen verteidigen. Können doch die wenigsten beurteilen, wie die Arbeit des kritisierten Sportdirektors abseits der Kaderzusammenstellung wirklich ist. Das „schwächste Glied“ sieht nur das, was sich am Rasen abspielt. Und da wurde man zuletzt ja nicht gerade verwöhnt (der FCW befand sich zwei Saisonen lang fast unentwegt auf einen Abstiegsplatz in der Bundesliga). Die achte Niederlage im 18 Pflichtspiel bei LASK Linz (dem gegenüber stehen lediglich fünf Siege) bedeutete für uns Fans eine Katastrophe. Jetzt geht es in der zweiten Liga gleich weiter, wie die Jahre zuvor. Wer sich aber jetzt Selbstkritik und Ursachenforschung im Lager des FCW erwartete, sieht sich getäuscht.
Mittels Aussendung kündigte die organisierte Fanszene Schweigen aus Protest an. Auch richtet sich ihr Unmut gegen den Sportdirektor, den sie für die Kaderzusammensetzung verantwortlich macht. Ich kann das nicht beurteilen. Auch Kapfenberg oder letzte Saison der SV Mattersburg sind in akute Abstiegsnähe geraten, nachdem sie in die Erste Liga kamen. Fest steht, als Trainer zeigt zumindest die Leistungskurve der Spieler nach oben – auch wenn die Ergebnisse genau so negativ sind.
Der Supergau
Unter der Woche kam es zu unschönen und dummen Szenen, welche schon erläutert wurden. Und die sich im Nachhinein als weit weniger dramatisch darstellen, als von einigen erhofft. Nichtsdestotrotz sind solche Taten durch nichts zu rechtfertigen und schaden wesentlich mehr, als sie nützen. Obendrein lenken sie von der aktuellen Krise ab und liefern den Verantwortlichen ein Alibi für ihr Versagen.
Vollkommen entbehrlich für einen Verein der am Boden liegt, sind mediale Rundumschläge eines Sportdirektors (auch wenn er in der Kritik steht) und seines Präsidenten. Sind schon die TV Interviews kurz nach dem „erlösenden“ Sieg gegen den SV Horn mehr als bedenklich gewesen, sind die Äußerungen des Präsidenten Im Lokalfernsehen und besonders am Montag im Wacker TV (Tirol TV) als katastrophal anzusehen. Bei allem Frust, die Verschiebung der Generalversammlung hatte gleich mehrere (!) Gründe, die absolut nichts mit einem vermeintlichen Bedrohungsszenario seitens der Mitglieder zu tun haben. Das vermeintliche „Zeichen setzen“ des Präsidenten ging gehörig in die Hose, aber das hält ihn nicht davon ab weiter Öl ins lodernde Feuer zu gießen: „Wir brauchen solche Fans (Anm.: Klausner-raus-Rufer) nicht!“, sagt er mit verzeifeltem Blick in die Kamera und meint damit besonders die Nordtribüne. Sehr interessant…
Verein vs Fanszene
Keine Angst, dies wird kein Ausspielen Fans gegen Verein. BEIDE gehören untrennbar zusammen. Aber ein wenig Relation gegenüber über der ach so entbehrliche Fanszene sei mir gestattet:
2008 das Jahr nach Gerhard Stocker, der von seiner Mannschaft und besonders seinen Trainer schwer im Stich gelassen wurde, musste der FCW im Jahr seiner „Identitäts Heimholung“ den Gang in die zweite Liga antreten. Schuld war die Mannschaft samt ihrem Trainer, welche während der entscheidenden Phase mit Konkurrenten liebäugelten. Der Klassenerhalt hat die meisten gar nicht mehr interessiert. Die letzten Spiele Arbeitsverweigerung pur. Die Fans durften sich durchaus verarscht vorkommen, doch beim ersten Spiel in der zweiten Liga sind dann 600 Fans nach Wr. Neustadt mitgereist!
Aufstieg zwei Jahre später. (Zum entscheidenden Spiel reisten 5000 Fans mit). Dafür aber ein Riesenloch in der Klubkasse von 1,2 Millionen Euro. Man begibt sich immer mehr in eine Abhängigkeit, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Sportlich schaut das in der Bundesliga ganz gut aus. Aber die Außenwirkung des Vereins und seiner Funktionäre ist katastrophal. Die Fans stehen dennoch hinter ihrem Klub.
Zwei Jahre später, der Verein ist am Ende. Die Rettung ist in sechs Minuten geschehen: Wolfsberg 2:3 Sieg, nach 0:2 vor 1200 mitgereisten Fans.
Der tatsächlichen Abstieg geschah ein Jahr später. Zu „verdanken“ war dieser der „halben Mannschaft, denen der Klassenerhalt egal gewesen ist“ (Zitat Michael Streiter). Die Fans sind trotzdem gekommen und sorgen mit ihrer Begeisterung und Leidenschaft dafür, dass der FC Wacker Innsbruck, wie kein anderer Verein im Fokus der Öffentlichkeit steht. Und nur dadurch auch Sponsoren lukriert.
Wer verursacht nun mehr „Schädliches“?
Und trotzdem, während dieser ganzen Zeit, während aller Katastrophen, Schuldenmachen und politische Wirren (was dem Verein ja das Leben enorm erschwert) wurde der FC Wacker Innsbruck immer sensationell unterstützt. Von der Regionalliga in die Bundesliga getrieben und ebenso nach dem Abstieg nach vorne gepeitscht. Immer ist die Unterstützung da gewesen. Unzählige Choreographien und Aktionen gingen via Internet um die Welt (Bilder auf Facebookgruppen werden ja 100.000 Fach angeklickt).
Beispiellos die Spendenaktion für die Strafe nach einem Becherwurf von der Osttribüne. Fast 13.000 Euro wurde gesammelt. Das Meiste bei minus fünf Grad beim Spiel gegen Admira Wacker im Winter. Unglaublich jedenfalls die Solidarität mit ihren Verein. Und auch heuer wieder. 400 Fans an einem Feiertag in Hartberg und ebenso viele bei der grandiosen Stimmung in Lustenau.
Darauf möchte Präsident Josef Gunsch wirklich verzichten? Nach einer kurzen Nachdenkpause in den letzten Tagen wird er das wohl nicht mehr wollen.