Im Prinzip, ja…
Eriwan ist die Hauptstadt Armeniens, der früheren Sowjetrepublik, im Bergland des Kaukasus gelegen. Dass dort eine Radio- und Fernsehstation ist, versteht sich von selbst. Hatten die Sowjetbürger Fragen, etwa zum kapitalistischen Feindesland, wandten sie sich vertrauensvoll an Radio Eriwan und erhielten stets Antwort. Was liegt also näher, als sich mit Sorgen und Ängsten des volkseigenen FC Wacker Innsbruck vor dem Spiel gegen den Inbegriff des Kapitalismus, den FC Liefering, an Radio Eriwan zu wenden…
Frage an Radio Eriwan: Stimmt es, dass unser glorreicher Sturm so schnell ist wie ein Blitz?
Radio Eriwan: Im Prinzip ja, aber nicht so schnell, sondern so treffsicher.
Da muss man die Redakteure des Senders wohl scharf korrigieren. Der Sturm der Innsbrucker – lt. Homepage der hauseigenen Kolchose Alexander Gründler (22 Spiele), Thomas Hirschhofer (28), Samuel Krismer (2), Michael Opuhac (0), Stjepan Vuleta (7) und Simon Zangerl (17) – konnte bereits 10 Treffer in den von ihm absolvierten 4471 Minuten erzielen, zwei Spieler sogar mehr als einmal treffen. Ein Blitz schlägt meist nicht öfters als einmal am selben Platz ein, der Vergleich ist also unzulässig.
Frage an Radio Eriwan: Am Freitag spielen wir gegen den Klassenfeind aus Salzburg. Sollen wir dabei unsere guten Offensivkräfte eher links oder eher rechts einsetzen?
Radio Eriwan: Im Prinzip rechts. Aber manche sagen, gute Offensivkräfte wären in Innsbruck bereits bei der Kaderzusammenstellung links liegen gelassen worden.
Das ist wieder eine bösartige Unterstellung der Feindpropaganda. Gut, es gibt bei Liefering zwei Spieler, die sich jeweils allein mit dem Sturm von Wacker messen können. Dies ist jedoch der Überheblichkeit des kapitalistischen Systems zuzuschreiben: Smail Prevljak erzielte in 17 Spielen/1525 Minuten 14 Tore, Felipe Pires brauchte 22 Spiele/1710 Minuten für 10 Tore. Auch die an der Grenze zu unserem ruhmreichen Bruderland Ungarn beheimateten Karim Onisiwo (15) und Markus Pink (14) sowie Genosse Radovan Vujanovic (12) aus der Arbeiterstadt Linz haben bereits mehr Treffer erzielt als alle Stürmer des FC Wacker gemeinsam. Aber es wurden keine guten Offensivkräfte links liegen gelassen, sie wurden gar nicht erst gefunden.
Frage an Radio Eriwan: Stimmt es, dass die Propagandatruppe des Kapitalismus Liefering unsere ehrenvolle Abwehr in den bisherigen Spielen alt aussehen ließ?
Radio Eriwan: Im Prinzip nein. Es war nicht unsere Abwehr, sondern die ganze Mannschaft. Und sie ließen sie nicht alt aussehen, sie sind alt.
Eine einfache Aufgabe: Nennen Sie die 30 jüngsten Startelfs der heurigen Saison. Richtig. Die Top-30-Plätze belegt Liefering. Am 8. Spieltag, beim 4:1-Sieg gegen Horn, startete man mit der relativ jüngsten Truppe mit 18,6 Jahren. Die älteste Salzburger Mannschaft wurde von Peter Zeidler in Runde 18 beim 3:1-Erfolg gegen Mattersburg aufs Feld geschickt. Das Durchschnittsalter der schwarz-grünen Startelf im letzten Spiel gegen Kapfenberg: 27,2 Jahre, inklusive der Routine von Grünwald (32 Jahre), Säumel (30), Hlinka (36), Hauser (30). Dennoch setzte es bisher drei Niederlagen in drei Spielen, es fielen insgesamt 9 Tore, acht davon für Liefering. Und selbst den Ehrentreffer der Innsbrucker erzielte der Methusalem der Salzburger Truppe, Felix Adjei (24 Jahre).
Frage an Radio Eriwan: Stimmt es, dass unser traditionsreicher Arbeiter- und Bauernverein aus Tirol so gut ist wie schon lange nicht mehr?
Radio Eriwan: Im Prinzip ja, wir befinden uns derzeit in der Tradition des siegreichen dreifachen Meisters aus dem Jahr 2002. Auch dieser war am Weg in die Regionalliga.
Jetzt muss aber die Zensur einschreiten, jegliche Todesmeldungen sind verfrüht. Auch wenn zwischen Liefering und Innsbruck sportlich wohl Welten klaffen, so konnte sich die Mannschaft nach ihrem katastrophalen Einbruch nach Runde 12 doch etwas rehabilitieren. Die Abstiegsränge wurden, wenn auch nur knapp, verlassen, der Blick auf die Tabelle lässt nicht mehr das Blut in den Adern gefrieren wie in den Arbeitslagern im fernen Sibirien. Wacker ist seit 4 Auswärtsspielen ungeschlagen und kassierte in diesen 4 Spielen kein Gegentor. Man könnte entgegenhalten, dass dies nicht die längste starke Auswärtsphase in dieser Saison ist. Zwischen Runde 3 und 11 blieb man fünf Spiele abseits des Tivoli ungeschlagen, beendet wurde diese Serie – in Salzburg.
Frage an Radio Eriwan: Im Polytechnikum Leningrad nehmen wir gerade nichtlineare Dynamik und die Chaosforschung durch. Was ist Chaos?
Radio Eriwan: Fragen zur taktischen Aufstellung des FC Wacker werden nicht beantwortet.
Frage an Radio Eriwan: Unser FC Wacker Innsbruck liegt sportlich am Boden. Welche Schritte sollten unternommen werden?
Radio Eriwan: Möglichst große, schnelle und weg von dieser Katastrophe…
Nein, diese Antwort hätte der Staatsfunk sicherlich nie gegeben. Denn sie spiegelt die Realität wieder. 2003/04 spielte man im Tivoli vor durchschnittlich 4740 Zuschauern in der 2. Division, 08/09 waren es 4482, 09/10 gar 4912. In jeder dieser Saisonen war man Zuschauermagnet Nummer 1 der Liga. Aktuell jedoch steht man nur auf Rang 4, Pappelstadion, Gugl und Reichshofstadion werden besser besucht, aufs Tivoli verirren sich derzeit nur 2633 eiserne Getreue. Was allerdings immer noch um 2185 mehr pro Spiel ist als bei Liefering. Dort kann man jedoch nicht davon ausgehen, dass es die Flucht vor den Spielleistungen ist…
Wir nähern uns jetzt dem Sendeschluss, noch eine Frage…
Frage an Radio Eriwan: Stimmt es, dass unser Sportdirektor in Kaderplanung und -zusammenstellung schlechte Leistungen nicht honoriert?
Radio Eriwan: Im Prinzip ja. Aber Wacker Innsbruck honoriert schlechte Leistungen mit Fixanstellung…
Schnell zurück ins Funkhaus…