Die Rückkehr der Untoten
Sie waren bereits tot. Mausetot. Sie wurden nicht nur einmal zu Grabe getragen, wurden verabschiedet und beerdigt, mit medialen Nachrufen gewürdigt, betrauert. Und sind wieder zurückgekehrt zu den Lebenden, um dort Angst und Schrecken zu verbreiten. Naja, vielleicht nicht gerade Angst und Schrecken, aber doch ein deutlich spürbares Unwohlsein, denn man weiß nie was einem blüht, wenn sie im Stadion einlaufen: Eine undurchdringliche Wand, ein Offensivspektakel oder ein müder, gegenwehrloser Kick gegen einen Verein ohne spielerische Klasse. Es stellt sich jetzt nur eine Frage – sprechen wir vom TSV Hartberg oder von Wacker Innsbruck?
Die Wiedergänger
Die Oststeirer sind die Verkörperung des Untoten in einer an sich nekrophilen zweithöchsten Spielklasse. Vor 19 Jahren begann ihre sportliche Hochblüte. Wobei, es war mehr ein ständiges Dahinsiechen, ein verkrampftes Festhalten an einer Liga, die stets eine Klasse zu hoch war für die Fußballsektion des Turn- und Sportvereins – egal in welchem Format sie auftrat, ob als 16er- ohne Amateurteams, 12er- mit oder 10er-Liga mit einem professionell geführten Zweitteam eines Bundesligisten ohne Aufstiegsambitionen . Und die Landes- bzw. Regionalliga eine Klasse zu tief. So nervenaufreibend, so kräftezehrend der permanente Abstiegskampf auch sein mag, er bringt auch Routine und eine gewisse Gelassenheit mit sich. 12 Punkte können noch verdient werden in der Ersten Liga, und Hartberg wird wie auch in den vergangenen Jahren bis zum Ende kämpfen, denn nur drei Punkte trennt den aktuell Tabellenletzten von Rang 8. 1997 stieg man erstmals in die 2. Division auf, lag vier Runden vor Schluss 11 Punkte vor dem Abstieg am ersten Nichtabstiegsrang. Es folgte der Klassenerhalt. 1998 zum selben Zeitpunkt 4 Punkte hinter dem rettenden Ufer. Abstieg. 2007 am letzten Platz, sechs Punkte zum Klassenerhalt. Abstieg. 2010 sechs Zähler im Plus, dank starker sportlicher Leistung der zum Abstieg verdammten Amateure folgte der Klassenerhalt zwei Runden vor Schluss. 2011 lag man um 5 Punkte auf der sicheren Seite auf Rang 8, der fixe Bestätigung des Ligaerhalts folgte erst in Runde 35. 2012 hatte man vier Partien vor Schluss die Rote Laterne inne, verteidigte diese bis zum Schluss, durfte aber auf Grund des Lizenzentzugs des Linzer ASK in die Barrage gegen den Grazer AK – und kehrte erneut zurück. 2013 stand man in Runde 32 wie auch am Ende auf dem Relegationsplatz, ersparte sich diese durch den lizenzierten Tod des FC Lustenau. Im vergangenen Jahr hieß es Zittern bis Runde 34, ehe der Klassenerhalt gefeiert werden konnte. Gerade diese Nonchalance im Umgang mit den letzten Dingen bringt Hartberg eine unberechenbare Stärke, die jeder Gegner fürchten muss. So auch der FC Wacker Innsbruck.
Zombie
Die Zombies vom Tivoli stehen seit mehr als einem Jahrzehnt mit einem Fuß im Grab, mit dem anderen mitten im Leben. Und niemand weiß, wohin sie der nächste Schritt führen wird. Lizenzentzug und Rückkehr, erstinstanzliche Verweigerungen und späte Genehmigungen, Bundesliga-Spitzenreiter und Tabellenletzter der zweiten Spielklasse, die schwarz-grünen Versionen von Guhls und Lichs und Draugrs stolperten scheintot durch die Ligen und Jahre, vergingen nicht, kehrten aber auch nie dauerhaft ins Leben zurück. So auch in diesem Jahr, wie das Beispiel der Spiele gegen den Floridsdorfer AC zeigt. Die Niederlage in Runde 14 bedeutete den ersten Schritt von Rang 4 in die Abstiegszone, von 12 Schüssen brachte Wacker nur 2 aufs Tor, verlor dessen Hüter Grünwald durch glattes Rot, selbst 25 Fouls konnten den FCW nicht im Spiel halten. 3 Schüsse aufs Tor genügten den Wienern, um 2:0 zu gewinnen. Innsbruck war am absteigenden Ast. Beim nächsten Aufeinandertreffen in Runde 23 war man im Tabellenkeller angekommen, ein grausames 0:0 brachte zwar einen Punktegewinn, aber keinen Zuwachs an Prestige oder Selbstvertrauen – hätte man meinen können. Zwei Schüsse in die Richtung des gegnerischen Gehäuses in 90 Minuten, nur ein einziger auf das Tor selbst, 37 Fouls an Floridsdorfern, die ebenfalls fern von spielerischer Eleganz oder auch Überlegenheit agierten. In Michael Jacksons Kult-Video Thriller sah man weniger Untote und mehr Bewegung. Neun Runden später gab es zwischen den beiden Vereinen das exakt selbe Ergebnis, doch der Zombie von der Sill war seinem Grab einmal mehr entstiegen und torkelte in Richtung Klassenerhalt. 63,7% Ballbesitz, 18 Schüsse, davon 9 aufs Tor. 9mal so viele Schüsse abgegeben als der Gegner, 9mal so viele aufs Tor gebracht – Beweis für eine Dominanz, die mit dem zweiten und letzten Schuss der Wiener Richtung Tor kurz vor dem Ende der Partie beinahe ad absurdum geführt worden wäre.
Nekromanten
2789 Nekromanten versuchten, den toten Sturm der untoten Innsbruck im letzten Spiel wiederzuerwecken. Vergeblich. Es lag (einmal mehr) nicht an mangelnden Chancen, sondern ihrer mangelnden Ausführung und Verwertung. 24 Flanken konnten nicht passend angenommen werden, 18 Freistöße führten nicht zum erwünschten Erfolg, 8 Eckbälle brachten allenfalls Gefahr, aber einmal mehr keinen Treffer. Standardsituationen sind nicht unbedingt der Freund der wackeren Offensivkräfte. Und dabei kann man nun nicht mehr davon ausgehen, dass es die Verunsicherung, der lähmende Abstiegskampf, die lange Erfolglosigkeit ist, die den Torerfolg hemmt. In der Jahrestabelle 2015 steht man auf Rang vier, kein Team hat in diesem Jahr weniger Tore erhalten, kein Verein weniger oft verloren. Seit fünf Spielen ist man Auswärts ohne Niederlage, in diesen fünf Partien musste nur ein einziges Tor hingenommen werden. Aber es wurden auch nur drei Tore erzielt, beinahe die Hälfte der lediglich 7 Treffer in den vergangenen 12 Spielen. Auch wenn man es nicht mehr hören kann, nicht wahrhaben will – die größte Baustelle in Innsbruck ist nicht die Verlegung der neuen Straßenbahnschienen, sondern die Offensive des FC Wacker. Die Defensive gewinnt Meisterschaften, heißt es. Aber nur, wenn sie als Gegenpart eine funktionierende Offensive hat.
Nachzehrer
Die Gefahr ist groß, dass es ansonsten erneut ein Spiel wie gegen Floridsdorf geben wird. Oder wie gegen Hartberg beim letzten Aufeinandertreffen. Zwei Drittel Ballbesitz, das rund Dreifache an Schüssen, doppelt so viele Eckbälle und das Fünffache an Flanken brachten einmal mehr nur ein einziges Tor, einen einzigen Punkt gegen einen TSV, der es versteht, dem Gegner die Energie auszusaugen, um selbst als Untoter wieder zurückzukehren. Cause this is Thriller, Thriller night, and no one’s gonna save you from the beast about to strike…