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Poldi, schau owa!

Er wäre ein Wacker-Fan gewesen. Ganz bestimmt. Ein glühender noch dazu. Leopold hätte seine reinste Freude mit dem Spiel der Innsbrucker – ach, was sag ich – mit dem gesamten Verein gehabt. Jede einzelne Minute, jede Spielszene hätte er genossen. Er hätte gejubelt, vor Begeisterung geschrien, hätte wohl so manchen verdutzten Blick im Viereck des Tivoli auf sich gezogen. Auch das wäre ihm egal gewesen, vielmehr, es hätte ihn noch bestärkt. Und am Freitag gegen den SV Horn wäre er bestimmt im Stadion gestanden, voller Vorfreude auf weitere Qualen seiner schwarz(grün)en Seele. Wäre dies alles nur 120 Jahre früher passiert.

 

Poldi und die Alten

Welch wohliger Schauer wäre ihm über den Rücken gefahren, hätte er noch die 57. Spielminute gegen den LASK erlebt. Ein Ausschuss, ein verlorenes Kopfballduell des einen, ein verlorenes Laufduell des anderen Innenverteidigers. Ein Tormann, der seinem Gegner an die Wäsche geht. Rot. Wie alle Wackerianer hätte er aufgestöhnt, aber wohl alleine er aus Freude. Gut, der junge Ersatz im Gehäuse der Innsbrucker hätte ihn enttäuscht mit seinem überbändigen Einsatz, aber dafür gab es ja die Fraktion Ü30 im Team. Nachdem Grünwald (32) den Platz verlassen hatte und bereits ein strammer Schuss in den Tiroler Maschen eingeschlagen hatte, verlor Hlinka (36) keineswegs unglücklich, sondern lediglich ungeschickt und unnötig den Ball in der Hälfte der Linzer und konnte ihn nicht zurückgewinnen. Drazan lässt Hauser (30) im Laufduell keine Chance, Jürgen Säumel (30) steht einen Schritt hinter Dovedan. Leopold hätte es zerrissen vor unbändiger Lust! Verstehen Sie mich nicht falsch, Leopold hätte nichts gegen Innsbruck, im Gegenteil, er würde sie lieben für ihr Spiel! In 17 Spielen lag der FCW in dieser Saison in Führung, nur 10 davon konnte er gewinnen, viermal ging man mit leeren Händen nach Hause. Keine andere Mannschaft hat mehr Spiele nach Führung verloren, Horn etwa nur zwei bei 16 „Möglichkeiten“. Schaut man auf den Punkteschnitt, dann heißen die Absteiger in dieser Kategorie Floridsdorf (1,74 Punkte nach Führung) und Wacker (1,94). Noch schlimmer sieht es bei Spielen nach Rückstand aus: 18mal gerieten die Schwarz-Grünen in einen solchen, ein einziges Mal ging man dennoch als Sieger vom Platz, 15mal mit einem Nuller. Nur Hartberg konnte weniger Spiele drehen. Und Leopold hätte applaudiert für diese Selbstaufgabe.

Poldi und die Tiroler

Sie meinen, Leopold wäre ein echter Masochist? Nun ja, Sie haben recht. Aber er wäre nicht der einzige. 45.158mal wandelten Schwarz-Grüne auf seinen Spuren, 2.656 pro Spiel. Sicherlich, es gab Spielzeiten, da hätte man am Tivoli dafür nicht 17, sondern bloß drei Partien gebraucht, so vor 15 Jahren etwa. Aber diese wären nicht des Schmerzes wegen gekommen, sondern aus bloßer Lust am Erfolg. Dies ist Poldis Sache nicht. Er hätte sich hinter verschlossene Türen verzogen und die Bücher des Vereins studiert. Und sich gefreut, wie man sich nur freuen kann. Nicht weniger würde er sich aber über die derzeitige Einhaltung der finanziellen Gegebenheiten freuen, vor allem in Anbetracht des sportlichen Niedergangs, der derzeit damit einhergeht. Nicht, dass dies notwendig gewesen wäre, aber psychische Barrieren durch anhaltende Negativserien gepaart mit personellen Fehlbesetzungen versetzten Leopold in Verzückung, könnte er sie noch erleben.

Poldi und die Horner

Einzig die Spiele gegen Horn hätte er bisher gemieden. Die Truppe von Christoph Westerthaler kam und kam gegen Wacker Innsbruck nicht in Schwung. Hirschofer und zweimal Micic, 0:3. Renner und Bermann, 0:2. Gründler, 0:1. Dreimal gelang den Niederösterreichern kein einziger Treffer, dreimal gingen sie als Verlierer vom Platz. Wie in dieser Saison bereits 10mal. Kein einziges Tor gelang ihnen, 16mal insgesamt in diesem Spieljahr. Kein Team öfter, lediglich Innsbruck hält mit 14 Spielen ohne Torerfolg wacker dagegen vor dem Duell der erfolglosesten Offensivreihen der Liga. Und auswärts, auswärts schaut es für Horn besonders tragisch aus. In 17 Spielen gab es nur 11 Punkte, die letzten 7 Auftritte in der Fremde konnte man nicht gewinnen. Poldi hätte es beinahe ins Lager der Horner gezogen, gäbe es nicht Wackers Kontinuität der Pleiten. Absteigende Anzahl an Torerfolgen gegen die Niederösterreicher. Leopold holt tief Luft. Drei Heimspiele in Folge ohne eigenen Treffer, ein bisher noch nie in den obersten beiden Ligen übertroffener Misserfolg. Seine Pupillen erweitern sich. Das zweitschwächste Heimteam der Liga mit nur fünf Siegen in 17 Spielen. Leopold erschaudert voller Wonne. Nur 12 Tore vor eigenem Publikum, im Frühjahr gar nur 4 bei 7 Spielen. Jetzt atmet er schon schwer, unser Poldi, ganz und gar erregt. Ein Wackerianer durch und durch.

Poldi und die Familie

Sicherlich, seine Familie hätte keine Freude, wüsste sie, wofür Leopold nun steht. Selbst wenn sie wüssten, dass eine wohlschmeckende Torte ihren klingenden Namen trägt, entstanden im imperialen Glanz des Hotels Erzherzog Johann in Graz. Der Stadt, in der Leopold sein vermeintliches Hauptwerk schrieb – die Novelle „Venus im Pelz“, mit seiner Frau als Peitsche schwingende Hauptfigur Wanda. Eben diese Peitsche wird es auch vor dem Spiel gegen Horn brauchen, denn Zuckerbrot gab es in Innsbruck lange genug. Nur, Leopold Sacher-Masoch würde sie nicht schwingen, er würde sie spüren wollen, als einzig wahrer Masochist, als Namensgeber. Es wäre für ihn auch kein Ansporn zu Leistung, nur Lustgewinn. Wie bereits die gesamte Saison des FC Wacker Innsbruck. Wie die letzten Jahre der Schwarz-Grünen. Wie wohl auch die letzte Begegnung der Saison gegen den SV Horn, das Spiel der Spiele für die Existenz des Tiroler Profifußballs. Das Spiel, das Sacher-Masoch den ultimativen Lustschmerz bringen soll: den der unerfüllten Erwartung von lustvollem Schmerz, den des unerwarteten Erfolgs. Und Poldi würde es genießen, als echter Wackerianer, der auch im nächsten Jahr wieder die Qual von Erstliga-Spielen am Tivoli genießen will.

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Autor: Stefan Weis

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