Tanz auf dem Vulkan
KSV 1870. Drei Buchstaben, vier Zahlen, die regelmäßig österreichische Sportvereine zum Zittern bringen, sie um ihre Existenz bangen lassen. Für Schwarz-Grün derzeit kein Thema, man schaut recht relaxt auf diese Abkürzung, auch wenn die Furcht vor ihr den FC Wacker Innsbruck dorthin brachte, wo er nun ist. Nun zittert man eher vor KSV 1919, einem Kürzel, das vor Jahren noch ein müdes Lächeln auf Innsbrucker Gesichter zauberte. Tja, so ändern sich die Zeiten im Tiroler Fußball, statt dem Kreditschutzverband von 1870, Österreichs führendem Gläubigerverband, wird die Kapfenberger Sportvereinigung von 1919 zur Standortbestimmung für die heimischen Ballesterer.
Tore? Fehlanzeige!
Die Zeiten, in denen man Kapfenberg mit einem Lächeln begegnete, sind vorbei. Ja, es stimmt, in der ersten Bundesliga-Saison, in der man aufeinandertraf, konnten die Falken kein einziges Mal jubeln. Aber auch Innsbruck nicht, endeten doch beide Partien 1964/65 mit einem torlosen Remis. Ja, es stimmt, Kapfenberg brauchte fünf Spiele, um zum ersten Mal zu scoren (1966), benötigte acht Anläufe, um den ersten Sieg verbuchen zu können – das zweite Spiel, in dem die KSV treffen konnte, ein Aufeinandertreffen in der 2. Division 1979. Ja, es stimmt, in der letzten Bundesliga-Saison, in der man sich gegenüberstand, setzte es in vier Spielen vier schwarz-grüne Siege. 2011/12 traf Innsbrucks Offensivabteilung beinahe nach Belieben: 2,25 Treffer je Aufeinandertreffen mit den Steirern, Christopher Wernitznig (3), Carlos Merino (2), Julius Perstaller (2), Miran Burgic (2) ließen den Ball im gegnerischen Netz zappeln. Diese 9 Tore waren aber auch gleichbedeutend mit einem Viertel aller erzielten Tore der Saison, die abzüglich dieser Spiele einen Torschnitt von 0,84 brachte – Wacker hat nicht erst seit kurzem ein veritables Stürmerproblem. Seit der Rückkehr in die Bundesliga 2010 gab es ein einziges Mal ein positives Torverhältnis (+1), und das bei nur 43 erzielten Treffern in 36 Partien. Seit dieser Saison wurde kontinuierlich abgebaut: 11/12 gab es 36 Tore, 12/13 standen 41 erzielten 75 erhaltene Treffer gegenüber (-34), 13/14 stieg man mit 42 Toren ab, in der vergangenen Saison fiel der Schnitt bei 32 Treffern gar unter die magische 1 pro Spiel (0,88) Bilanz. Großen Anteil daran hatten die Obersteirer: In vier Spielen der abgelaufenen Saison konnte ihre Defensive kein einziges Mal überwunden werden, einem torlosen Remis folgten drei Zu-Null-Niederlagen mit sieben Gegentoren.
Torschützen? Fehlanzeige!
Der Umbruch vor der neuen Saison könnte Innsbruck jedoch in die Hände spielen. Ja, Wacker hat sich verbessert, bereits in der letzten Saison. Und es konnte sich offensiv auch verstärken, nicht zuletzt auf Thomas Pichlmann liegen die Hoffnungen der Tiroler Fans, die nach Toren und Erfolgen dürsten. Auch die Veränderungen in Kapfenberg könnten für Schwarz-Grün sprechen. So wurde nach Ronivaldo im Winter auch David Witteveen abgegeben, die beiden erfolgreichsten Schützen der abgelaufenen Saison mit jeweils 10 Treffern oder umgerechnet 38,5% aller Tore der Kapfenberger werden gegen Innsbruck nicht mehr aufs Feld laufen. Da auch Mario Grgic (4 Tore, Mattersburg) und David Harrer (2, Wiener Neustadt) den Verein verließen, befindet sich kein einziger Torschütze der letztjährigen 7 Gegentore mehr im Kapfenberger Kader. Viel mehr noch, die Torschützen von 60% aller in der vergangenen Saison erzielten Tore befinden sich nicht mehr bei den Falken. Abhilfe soll dabei nun der Spanier Sergi Arimany schaffen, der als Mittelstürmer von CF Palamos kommend die Lücken in der Offensive füllen soll. Es stimmt, auch Wacker hat sich nicht dramatisch verändert in der Übertrittszeit zwischen den Saisonen – doch ein so schmerzhafter und umfangreicher Abgang wie in Kapfenberg musste nicht erduldet werden. Wie auch, für den Abgang von 31fachen Saisontorschützen hätte man zusätzlich zum Transfer aller Scorer im Kader auch höhere Mathematik bemühen müssen – wurden ja nur 30 Treffer selbst erzielt…
Ausrutscher? Nicht erlaubt!
Und trotzdem wird dieses Spiel ein Tanz auf einem Vulkan werden. So schön auch Ergebnisse aus Vorbereitungsspielen glänzen können, der Pflichtspiel-Alltag ist ein anderer. Ein müdes Tor aus dem Spiel gegen einen Regionalligisten rettete Innsbruck in der ersten Cuprunde ins Elfmeterschießen, Kapfenberg fertigte den SV Allerheiligen, ebenfalls aus der Regionalliga Mitte, locker mit 3:0 (Lasnik, Arimany, Imbongo Boele) ab. Der verbliebene Sturm kann also doch treffen bei den Falken, die in der Vorbereitung unter anderem die Bundesligisten Wolfsberg und Salzburg besiegen konnten. Der FC Wacker Innsbruck ist gefordert. Gefordert, endlich wieder ein Tor gegen Kapfenberg zu erzielen (wie zuletzt am 31. März 2012), endlich wieder ein Spiel gegen Kapfenberg zu gewinnen (zuletzt auch am 31. März 2012). Und mit drei Punkten in die neue Saison zu starten. Man wird sie dringend brauchen für das glanzlose Ziel Mittelfeldplatz. Ausrutscher sind dabei nicht erlaubt.