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Fast. Not furious.

Wien. Die Hauptstadt Österreichs, zweitgrößte Stadt des deutschsprachigen Raums, Metropole des ehemaligen Habsburgerreichs. Wien ist glitzernd, pulsierend, lebendig, historisch faszinierend, überraschend modern. Und dann ist Wien auch Floridsdorf, nicht ganz so anziehend, nicht ganz so Großstadt, nicht ganz so furios, eher fast. Dass dieses Floridsdorf, dieses mehr Tor zu als Teil von Wien die fußballerische Nummer drei der Stadt ist, ist schwer zu akzeptieren, angesichts so klingender Namen aus Döbling oder Dornbach. Aber dieser AC aus Floridsdorf ist der nächste Gegner des FC Wacker Innsbruck, und ihn zu unterschätzen wäre fatal.


 
Fast anziehend

Dabei ist Floridsdorf fast anziehend. Skero, Nazar, Freud, Wanda, The Common Linnets, Andreas Bourani, Anastacia, alle waren sie gerade erst in Floridsdorf. Wobei, fast. Oder denken sie bei der Donauinsel an Floridsdorf? Man muss die Donau nicht überschreiten, um nach Floridsdorf zu kommen. Auch Wacker muss das nicht. Die Blau-Weißen geben sich die Ehre und spielen erstmals seit 1953 wieder ein Meisterschaftsspiel im Prater, im Ernst-Happel-Stadion, in der Leopoldstadt. Und diesmal als Heimteam. Dort, wo Peter Pacult, der Trainer des AC, sein erstes Länderspiel bestritt. Damals, 1982, noch im Dress des Wiener Sportclubs, beim 2:0 Sieg gegen Nordirland. Dort, wo Peter Pacult auch sein letztes Länderspiel bestritt, 1993, gegen Schweden. Dort, wo Peter Pacult, der Bomber vom Tivoli, niemals über ein Tor für Österreich jubeln durfte, schoss er doch sein einziges Nationalteamtor im Stadion Letna in Prag in einem Spiel, in dem ein Spieler aus Ostrau, ein gewisser Vaclav Danek gleich zweimal für die Tschechoslowakei traf. Torlos blieb das Team von Peter Pacult auch in den letzten beiden Begegnungen mit Wacker – und dennoch reichte es für zwei Punkte, sind doch die schwarz-grünen seit gleich drei Aufeinandertreffen ohne Torerfolg gegen den FAC. Diese Serie von drei Spielen ist gleichbedeuten mit der derzeit längsten Erfolgserie der Fast-Wiener gegen einen Verein der zweithöchsten Spielklasse. Nicht gerade anziehend, aus Innsbrucker Sicht.
 
Fast spitze

Der 21. Bezirk ist nicht nur Wasser und Insel, er ist auch Berg. Naja, fast. Abseits der Diskussion, ob sich eine Wölbung von drei-, vierhundert Höhenmetern diese Bezeichnung verdient, der Bisamberg liegt in Floridsdorf. Und in Niederösterreich. Eigentlich hauptsächlich, denn der höchste Punkt mit seinen 358 Metern ist außerhalb der Reichweite von Stammersdorf und Strebersdorf und damit Floridsdorfs. Wirklich spitze waren die Floridsdorfer dennoch einmal. 1918 wars, die Welt war im fünften Kriegsjahr, der Kaiser in seinem letzten als Kaiser, die jungen Männer großteils an der Front, und der FAC holte sich durch das bessere Torverhältnis den Sieg in der Wiener Stadtliga, die mancherorts als österreichische Meisterschaft bezeichnet wird. Dreimal waren sie auch Vize, immer herrschte dabei Krieg: 1916, 1917, 1944. Nach dem zweiten großen war es aber vorbei mit der Floridsdorfer Fußballherrlichkeit. Weder die Fusion mit dem Bezirksrivalen SV Amateure Fiat Wien konnte den sportlichen Abgesang langfristig verhindern, noch die Zusammenschlüsse in den letzten Jahrzehnten mit SV Groß Viktoria oder FK Old Formation-RAG Feibra den Aufstieg bringen. Erst die Kooperation mit der Polizeisportvereinigung brachte dem FAC Team für Wien die erhoffte Rückkehr ins Profigeschäft. Dort geht es nun um den Klassenerhalt, nicht mehr. Und das wird schwer genug, wenn man, wie der FAC in den letzten 5 Heimspielen, viermal ohne Tor blieb. Oder, wie der FC Wacker, in der vergangenen Saison siebenmal ohne Treffer in der Fremde. Gerettet hat die Innsbrucker dabei aber ihre – man glaubt es kaum – Defensive. Achtmal blieb man auswärts ohne Gegentor, kein anderes Team öfter.
 
Fast kultig

Floridsdorf hat vielleicht nichts richtig, aber von allem etwas. Auch von Kaisermühlen. Ja, das richtige, das kultige Kaisermühlen, das liegt in Wien Donaustadt. Aber was braucht man die legendären Wuchteln aus dem Kaisermühlen-Blues, wenn man einen Pacult hat. Oder einen Arnautovic. Oder einen Hermann Nitsch. Oder eine Erika Pluhar. Floridsdorf ist Kult. Oder einen Andy Borg. Naja, fast. Nicht alles kann Kult sein. Was aber sicher Kult ist, ist die Rückkehr des Floridsdorfer Athletiksport-Clubs in das große Wiener Stadion. Auch wegen des Stadions, sicherlich. Aber vor allem wegen der Art der Anreise. Floridsdorf braucht keinen Sonderzug, keinen Autocorso, keine Busflotte. Floridsdorf kommt mit der Prater-Liliputbahn. Das kleine, schnaubende Monster ist nicht schnell, ist nicht technisch ausgereift, nicht modern, nicht furios. Aber Kult. Genauso wie der FAC.

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Autor: Stefan Weis

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