Geisterderby – eine Posse mit vielen Spielern
Es ist vorbei. Nach langem Warten und Hinfiebern ist das erste wahre Westderby nach zehn Jahren zwischen dem FC Wacker Innsbruck und Austria Salzburg über die Bühne gegangen. Statt einem stimmungsvollen Derby und einem möglichen Zuschauerrekord gab es ein Geisterderby. Das tivoli12 magazin beschäftigt sich noch einmal mit den Ereignissen im Vorfeld der Partie und sucht nach Auswegen.
Prolog
Austria Salzburg schafft nach dem Durchmarsch im Salzburger Unterhaus in der Saison 2010/11 den Aufstieg in die dritte Liga. Im selben Jahr bejubelt der FC Wacker Innsbruck den Aufstieg in die Bundesliga. Trotzdem kommt es zum Aufeinandertreffen der beiden Vereine. Die zweite Mannschaft des FC Wacker Innsbruck und die Kampfmannschaft von Austria Salzburg duellieren sich in der Regionalliga West. Beim ersten Spiel am Tivoli gibt es Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Vereine. In der Folge werden die Fans von Austria Salzburg genauer unter die Lupe genommen, wenn sie gegen einen Tiroler Vertreter spielen. Während man im Juni 2014 noch positive Schlagzeilen schreibt, hatte man sich doch als fairer Verlierer gegen den Floridsdorfer AC in der Relegation gezeigt, ist es im November 2014 anders. Nach einer deutlichen Niederlage gegen den SK Sturm Graz im Cupbewerb kommt es rund um das Stadion in Vöcklabruck zu Ausschreitungen beider Fanlager. Im Laufe der Aufarbeitungen wird seitens der zuständigen Vertreter von Vöcklabruck entschieden, Austria Salzburg das Stadion in Zukunft zu verwehren. Austria Salzburg findet in der Folge, für den Erhalt der Lizenz der Ersten Liga und damit an der Teilnahme des österreichischen Profi-Fußballes unumgänglich, in Schwanenstadt Unterschlupf. Die eigentliche Heimstätte, Maxglan, wird gerade umgebaut und aufgrund von Sicherheitsbedenken bei Spielen gegen den FC Wacker Innsbruck und LASK braucht es ein Ausweichstadion. Doch auch hier ergeben sich in der Folge Probleme mit der Erfüllung der Voraussetzungen. Schlussendlich kann Ende Mai 2015 der Aufstieg, sowohl in Sachen sportlicher als auch lizenzrechtlicher Qualifikation fixiert werden.
Austragungsort ungewiss
Während also in Salzburg die meisten Fans noch im Aufstiegsrausch sind, freuen sich die Fans des FC Wacker Innsbruck auf die Rückkehr des einzig wahren Westderbys. Die Fanszene des FC Wacker Innsbruck ruft mit Plakaten dazu auf zahlreich zum Westderby zu fahren. Manche Medien nehmen dies als Grundlage um Ausschreitungen hoffnungsfroh herbei zu schreiben. Schließlich sorgen solche Berichte immer für guten Absatz. Doch nicht nur den Medien bereitet das Spiel Kopfweh, auch bei anderen „Spielern“ beginnt das Grübeln. Sowohl Funktionäre des FC Wacker Innsbruck, Vertreter der Fanszene als auch der Polizei macht der gemeinsame Anreiseweg Kopfschmerzen. Parallel zu den Planungen für den Austragungsort Schwanenstadt werden auch intensive Verhandlungen für den Austragungsort Wals-Siezenheim durchgeführt. Auch Austria Salzburg würde lieber in Wals-Siezenheim spielen. Doch zwei Wochen vor dem Derby sollten diese Verhandlungen scheitern. Red Bull Salzburg lehnt die Austragung mit Verweis auf das am Vortag stattfindende Qualifikationsspiel für die Europaleague gegen Dinamo Minsk ab. Grund sei unter anderem, dass der Rasen geschont werden müsse und die Auf- und Abbauarbeiten nicht innerhalb von 24 Stunden bewältigbar seien. Kurios muten diese Gründe an, wenn man sich die Tatsache vor Augen führt, dass eine Woche zuvor, freiwillige Mitarbeiter des FC Wacker Innsbruck genau jenes geschafft haben. Die Spielstätte des FC Wacker Innsbruck wurde über Nacht von einem Austragungsort des Europaleague Qualifikationsspieles SCR Altach gegen CF Belenenses wieder für den Ligabetrieb adaptiert. Am Donnerstag wurde Europaleague gespielt, am Freitag empfing Wacker Innsbruck Austria Lustenau…
Die Arena in Salzburg steht also nicht zur Verfügung und so wird, auch durch die steigende mediale Berichterstattung, fieberhaft nach Alternativen gesucht. Nebenbei kommen so einige andere Gedankenspiele auf das Parkett der einzelnen Funktionäre. So will der Sportdirektor von Austria Salzburg nicht nur die vertraglich zustehenden zehn Prozent an Gästetickets (Anmerkung: in den Lizenzkritierien der Bundesliga ist festgelegt, dass 10% der Gesamtkapazität dem Gästeverein zustehen) ausgeben, sondern – dem Zuspruch entsprechend – 500 Gästetickets auflegen. Doch die Karten seien nur gegen eine Personalisierung erhältlich. Zudem würde es nur möglich sein diese in Innsbruck zu erwerben. Der Verein und die Fans des FC Wacker Innsbruck wehren sich in Folge gegen diese Maßnahmen. Einerseits wolle man nicht Fans aus anderen Bundesländern vom Besuch des Spieles ausschließen, anderseits kann der Verein Austria Salzburg die Bedenken, vor allem in Sachen Datenschutz, nicht klären. Besonders kurios: Der Präsident der Bundesliga, Hans Rinner, sieht das rechtliche Problem in einem Interview mit der TT erst gar nicht…
Während also weiterhin fieberhaft nach einem Ausweichstadion gesucht wird, manche Quellen sprechen sogar davon, dass die Bundesliga den Austragungsort Ernst Happel Stadion vorgeschlagen habe, kommt ein weiterer Spieler aufs Feld, die Behörde.
Wenn aus einem kleinen Problem ein großes Problem wird
Die Behörde, mittlerweile durch verschiedenste Horrormeldungen aufgeschreckt – unter anderem fantasiert TT-Journalist Max Ischia in einem Artikel von „kriegsähnlichen Zuständen“ -, mischt sich nun in die Sachlage ein. Nicht mehr 500 Tickets sollen von Gastgeber Austria Salzburg bereitgestellt werden, sondern 1000 Tickets sollen die Gästemassen von der Straße ins Stadion verlagern. Dass nebenbei ein „Käfig“ gebaut werden müsse und diese Umbauarbeiten innerhalb von vier Tagen zu bewerkstelligen seien, sei nur am Rande erwähnt. Ebenso die geschätzten Kosten von 50.000€. Am 26. August dann die Entscheidung der Behörde das Spiel abzusagen. Einen Tag später hatte die Bundesliga einen Geistesblitz und beschloss das Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Der finale „Todesstoß“ in dieser Posse.
Man Bedenke: Bisher wurde der Ausschluss der Öffentichkeit als Strafmaßnahme für die ärgsten bereits begangenen Verfehlungen eingesetzt. Einzigartig in der Geschichte des österreichischen Fußballs ist, dass diese Maßnahme nun ohne vorherige Verfehlung angewandt wird. Passend zu diesem Wirrwarr wurde seitens der Salzburger Politik die Forderung laut, das Spiel doch in Wals-Siezenheim auszutragen. Man besann sich offenbar, dass Red Bull Salzburg nicht der Eigentümer des Stadions ist. In den Mietverträgen mit Red Bull Salzburg befände sich die Möglichkeit zur Nutzung des Stadions durch dritte. Dieser Passung soll von Seiten der Politik einst eingebaut worden sein. Diese Forderung wurde jedoch „innerpolitisch“ abgewürgt.
Jetzt erst Recht
Nachdem die Bundesliga die größte Strafmaßnahme verhängte, ohne dass im Vorfeld etwas passiert war, kam es unter den Fans natürlich zu einer Solidarisierung und einer „Jetzt-erst-recht-Stimmung“. Die Fanszenen beider Vereine riefen zur Fahrt nach Schwanenstadt auf und schrieben dabei wohl kurzzeitig Geschichte. So sprachen sich beide Fanszenen für eine „Beilegung der Rivalität“ für einen Tag und für einen klaren Protest gegen die Entscheidung der Bundesliga aus. Als zusätzlicher „Höhepunkt“ wurde Austria Salzburg seitens der Behörde die Genehmigung für die Austragung von Spielen gegen den FC Wacker Innsbruck und LASK Linz in Schwanenstadt entzogen. Sprich, jenes Stadion, das nur aufgrund dieser Spiele zur Verfügung gestellt wurde, darf nun nicht mehr bespielt werden. Sollte dies nicht bis zum Spiel gegen den LASK behoben sein, dürfte wohl ein Lizenzentzug oder zumindest Punkteabzüge aufgrund von Verstößen gegen A-Kriterien der Lizemzierung für Austria Salzburg im Raume stehen.
Wer ist der Schuldige?
Ein Schuldiger für dieses „Spektakel“ sollte schnell gefunden werden. Für manche (Boulevard) Medien schien dieser „Sündenbock“ der FC Wacker Innsbruck zu sein. Sperrte sich dieser doch vor einer rechtlichen Grauzone (Personalisierung der Gästetickets, Datenweitergabe, etc.) um sich daran womöglich die Finger zu verbrennen. Doch nicht nur der Verein an sich sollte der Schuldige sein, sondern auch und vor allem die ach so böse Fanszene. Erdreistete diese sich doch in etwas rauerer Sprache und mit Interpretationstmöglichkeit zur Auswärtsfahrt aufzurufen. Während sich also viele Journalisten am Interpretieren von Plakattexten blamierten und den Ausbruch eines Bürgerkreiges herbeischrieben, konnten sich andere „Mitspieler“ etwas verstecken.
Spieler Bundesliga
Zu allererst sei hier natürlich die Bundesliga genannt. Es mag aus formalrechtlichen Gründen das Stadion in Schwanenstadt den Kriterien der Bundesliga entsprechen. Doch, in welchen Bereichen hat die Bundesliga versagt?
Spiele zwischen Innsbruck und Salzburg waren schon in den späten 90ern nicht selten heiße Partien. Dies hat sich auch in den letzten Jahren nicht geändert. Es war also im Vorhinein klar, dass dieses Spiel nicht nur 3.000 Zuschauer haben wird, sondern deutlich mehr. Das erste Spiel bestritt Austria Salzburg mit 2.000 Fans im Rücken, der FC Wacker Innsbruck konnte bisher mehr als 3.000 Zuschauer pro Spiel zu Hause begrüßen. Hier hätte man schon im Vorfeld darauf schauen müssen, dass die Partie in einer für beide Seiten gut erreichbarem und großem Stadion statt findet, zumal die Mobilisierung der Fanlager beider Seiten schon Wochen zuvor bekannt war. Dass dies aufgrund der Geschichte der beiden Vereine nur Wals–Siezenheim sein kann, liegt auf der Hand. Sowohl Vereine, Fans als auch Exekutive drängten auf diesen Veranstaltungsort.
Doch auch Ausnahmegenehmigungen hätten ein Teil der Strategie sein können. Ein Platztausch mit dem FC Wacker Innsbruck hätte die verfahrene Situation retten können und für tragfähige Lösungen mehr Zeit gebracht.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine Verlegung des Spieltermins gewesen. Um den Rasen in Wals-Siezenheim zu „schonen“, hätte man das Spiel am Samstag anpfeifen können. Die Bereitschaft sich mit dem Medienpartner Sky darauf zu verständigen war scheinbar nicht da.
Doch abseits von diesen Überlegungen muss sich auch die Bundesliga fragen, ob es ein professionelles Bild abgibt, wenn der Auswärtssektor aus drei, vier Eisenstufen, auf einem Rasenband errichtet, besteht (Schwanenstadt). Ein Problem, das sich nicht nur gegen Innsbruck ergibt, sondern auch beim LASK oder gegen Austria Lustenau Thema wird.
Lobend ist zu erwähnen, dass im Juni 2015 die Kriterien für eine Stadionzulassung gelockert wurden, sodass in Zukunft ein Verein mehr als bisher in einem Stadion spielen und so jenes als Ausweichstadion bei der Lizenzierung angegeben darf. Diese Regelung sollte also ein für alle mal das Westderby gegen Austria Salzburg in Wals-Siezenheim ermöglichen.
Spieler Behörde und Austria Salzburg
Kommen wir nun zu den nächsten beiden „Mitspielern“: die Behörde und der Verein Austria Salzburg. Spannend ist zu beobachten, dass die Behörde in Vöcklabruck (ja, richtig gelesen) eigentlich schon Erfahrungen mit Austria Salzburg gehabt hätte. Eine Überraschung in Sachen „Fanaufwand“ dürfte also nicht unbedingt gegeben sein. Dass man die behördliche Genehmigung als „abstrakte Genehmigung“ in einer Aussendung bezeichnete, hinterlässt weitere Fragezeichen. Entweder gibt es eine Genehmigung oder nicht. Denn, dass Schwanenstadt explizit für „Risikospiele“ genannt wurde, ist der Behörde natürlich bekannt, schließlich sollte sie bei dieser Entscheidung einbezogen worden sein.
Dass der Verein Austria Salzburg sich auf fehlendem Besitztum des Stadions in Schwanenstadt hinausredet und die hohen Kosten bejammert, um die Sicherheitsauflagen der Behörden zu erfüllen, ist etwas komisch. Profi-Fußball kostet eben Geld und die Kriterien der Bundesliga sind zurzeit ohnedies noch eher gering. Profi-Fußball bedeutet heutzutage nicht nur viel Geld in gute Spieler zu stecken, sondern auch für das Drumherum zu sorgen. Der Verweis auf das EM Stadion in Wals-Siezenheim ist durchaus berechtigt. Und dies führt uns zum nächsten „Mitspieler“.
Spieler Politik
Die Politik in Salzburg ist natürlich ein weiterer Mitspieler. Hat man sich von Stadtseite klar zur Austria bekannt, so fehlt dieses Bekenntnis des Landes Salzburg. Beispielhaft ist dafür die aufkommende Diskussion bezüglich einer Nutzung des Stadion in Wals-Siezenheim. Dies wurde seitens des Landes abgelehnt. Selbst das Stadion in Grödig wäre besser geeignet als Schwanenstadt. Dass das Stadion in Wals-Siezenheim mit beträchtlichen Kosten der öffentlichen Hand errichtet und ausgebaut wurde ist genauso Fakt, wie dass der SV Grödig bei seiner Infrastruktur mit öffentlichen Geldern unterstützt wurde. Doch bei beiden Stadien fehlt bislang der politische Wille, das Westderby dort stattfinden zu lassen.
Fazit
Die Bundesliga und die Behörde haben wohl die Wichtigkeit und Aufmerksamkeit beim wahren Westderby unterschätzt. Wobei diese Formulierung noch recht untertrieben ist. Es hat sich auch herausgestellt, dass die Lizenzkritierien der Bundesliga weiterhin verbesserungswürdig sind. Nicht nur, was die Sicherheit im Stadion anbelangt, sondern der Weg zum und vom Stadion. Auch, wenn die Bundesliga gerne auf die Sicherheitsbehörden verweist, so muss sie aus eigenem Interesse (anreisende Zuschauer) sich hier etwas überlegen. Ein weiterer Punkt ist die Beschaffenheit des Stadions, wo natürlich verpflichtende Vorgaben für Gästesektoren auch in der Erste Liga dringend notwendig sind.
Austria Salzburg scheint in der beinharten Realität des Profi-Fußballes angekommen. Aufgrund 50.000€ lieber ein Geisterspiel zu riskieren und damit die eigene Untauglichkeit für Profi-Fußball zu bescheinigen, ist nicht gerade sinnvoll. Da man offenbar auch jahrelang nach dem Prinzip „Hauptsache auf sportlicher Ebene Profi-Fußball, alles andere geht irgendwie“ verfahren ist und zukunftstragende Lösungen im Stadionbereich nicht angegangen ist, zeugt nicht wirklich von der Tauglichkeit für die Bundesliga. Hier hat man es verpasst dem eigenen Vereine eine Vision zu geben, denn auch wenn das Stadion in Maxglan fertig ist, so ist dies für große Spiele in Liga oder Cup untauglich. Politische Unterstützung seitens des Bürgermeisters ist zwar hilfreich, aber spätestens bei der Diskussion und der Verhältnisse rund um die mögliche Nutzung von Wals-Siezenheim, hätte man handeln müssen. Denn Maxglan und neuerdings auch Schwanenstadt werden keine Lösung sein.
Es hätte ein stimmungsvolles Westderby werden können, doch am Ende ist ein Geisterspiel herausgekommen, das dem Image der Bundesliga mehr als nur einen Kratzer beschert hat. Ob die Bundesliga ernsthaft diese Scharte repariert oder einfach darauf hofft, dass ein bisschen Farbe darüberstreichen reicht? Man wird es in nächster Zeit sehen.