Wer fürchtet sich vorm Lindwurm?
Er ist zum Fürchten. Ein schrecklich verzerrtes Gesicht, das Maul weit aufgerissen, ein gewaltiger, muskulöser Schweif, der den Gegner von den Beinen holt, Schwingen am Rückenpanzer, Klauen an den Beinen und bluttriefend von seinen Opfern im sumpfigen Umland. Hätte er einen angsterfüllenden Namen, wäre er ein Drache, man würde vor Schreck erstarren. Aber „Lindwurm“?! Klingt dann doch eher nach einer Köderart beim idyllischen Angelausflug am Wörthersee. Gleich da hinterm Stadion, in welchem ein kleines Fußballteam daheim ist, violett, jung und auch nicht gerade furchteinflößend. Oder ängstigen Sie sich vor „Austria Klagenfurt“? Nein? Sollten Sie aber.
Schlange mit Beinen
Es ist so manches abstrus in der südlichsten Landeshauptstadt Österreichs. Ein Lindwurm ist das Symbol der Stadt, eine althochdeutsche Tautologie, heißen doch „lint“ und „wurm“ Schlange. Also eine Schlangeschlange. Blöd nur, dass die Gründungssage von einem im Sumpf lebenden Drachen berichtet, ein ähnliches, aber nicht ganz gleiches Untier. Nicht ganz gleich ist auch die aktuelle Austria zu jener, die zwischen den Sechzigern und 80ern den Innsbruckern den Nerv zu ziehen suchte. Wie so viele Mannschaften mussten auch die violetten Klagenfurter eine verwinkelte Reise zurücklegen. 1920 als Kaufmännischer Sportverein Klagenfurt in blau-gelb gegründet, nahm man 1927 nach der Fusion mit dem Klagenfurter SK den Namen Austria an. Gut ein Jahrzehnt später kam es zu einer Zusammenarbeit, die in Österreich undenkbar scheint: kriegsbedingt fusionierten Austria und Rapid Klagenfurt – es schmerzt schon beim Schreiben… Zumindest wurden hier nicht grün-weiß und violett zusammengelegt, denn letztere Farbe wurde den Klagenfurtern erst in den 1960ern zugestanden. Nach einigen unauffälligen Jahren in 1. und 2. Division, in denen man Wacker so manche Niederlage zufügte, kam es in den 90ern zum sportlichen Niedergang, der mit einer Spielgemeinschaft mit dem Villacher SV gestoppt werden sollte. Gestoppt wurde aber die Austria selbst, meinten doch die blauen Machthaber des südlichsten Bundeslandes, der Verein sollte FC Kärnten heißen und die Landesfarben annehmen. 2001 holte die mutierte Austria so den Cupsieg, versank aber kurz darauf sportlich in der Regionalliga. Und finanziell war man ein Kind seiner freiheitlichen Eltern, die ähnliche Maßstäbe anwandten wie bei der landeseigenen Hypobank – es folgte die Pleite. Kein Problem für blau-orange, man gründete Austria Kärnten, vielmehr wurde Pasching umgesiedelt und umbenannt, während die Fanclubs der alten Austria noch über den korrekten Namen stritten (Amigos für FCK, Barrakudas für Austira). Same procedure as every year – auch das neue blau-orange Liebkind rutschte in die Pleite, aber nicht, ohne zuvor noch die Gerichte zu beschäftigen. Tradition muss Tradition bleiben.
Ein neuer Drache im Land
Die „neue“ Austria wurde bereits 2007 gegründet, fand aber erst 2010 eine Spielgemeinschaft mit dem SC St. Stefan im Lavanttal, der, wie könnte es anders sein, von einem Insolvenzverfahren geschüttelt war. Dass Klagenfurt, das einst Spieler wie Goriupp, Koncilia, Pavlovic, Kogler, Pogatetz, Koreimann, Oberacher, Hasil und viele mehr sein Eigen nannte, endlich wieder zum passenden Namen und den richtigen Farben fand und auch sportlich eine kleine Auferstehung feiert, ist aller Ehren wert. Dass dies mit den Namen Peter Svetits (Präsident) und Skender Fani (Präsidiumsmitglied) verbunden ist, hinterlässt bei fußballaffinen Österreichern einen seltsamen Nachgeschmack. Drum reden wir lieber über sportliche Belange. Und da kann die Austria einiges bieten! Der Aufsteiger, mit 14 Punkten nur zwei weniger als Innsbruck, liegt auf dem hervorragenden 3. Rang, durfte sich bereits zwei Runden lang Tabellenführer nennen und weist mit +8 Toren das zweitbeste Torverhältnis auf. Nur fünf Gegentreffer mussten hingenommen werden, lediglich der LASK darf sich einer besseren Defensive rühmen. Einziges Problem dabei: Man ist ein Heimteam. Im Klagenfurter Stadionrund, dem größten Stadion der Liga, sahen durchschnittlich 2107 Fans 4 Siege in 4 Spielen, durften 11 Tore bejubeln und hätten beinahe ein durchgehendes Shutout erlebt, hätte nicht Dimitry Imbongo Boele das 0:1 für Kapfenberg erzielt, um dann dennoch mit einer 5:1-Niederlage vom Platz zu gehen. Die Austria ist das stärkste Team der Liga am eigenen Feld, und das ist nichts Neues. Im vergangenen Jahr wurde man Meister der Regionalliga Mitte vor Vorwärts Steyr und Blau-Weiß Linz, ohne eine einzige Heimspielniederlage hinnehmen zu müssen. Nur zwei Remis standen in der abgelaufenen Spielzeit vor eigenem Publikum zu Buche, in der Relegation Gegen Parndorf bog man die Partie spät, aber souverän noch hin und darf sich damit rühmen, seit Juli 2014, seit der 1. Runde im ÖFB Pokal (gegen Vorwärts Steyr) ohne Heimniederlage zu sein.
Gezähmter Lindwurm
So gut die Austria zu Hause ist, so sehr quält sie sich in der Fremde. Das beste Auswärtsteam der Liga Innsbruck, konnte 12 Tore erzielen, Klagenfurt nur zwei. Wacker gewann alle drei Spiele in der Fremde, die Austria keine. Mit nur zwei Punkten hält man sich knapp vor Salzburg und dem FAC auf Rang 8 dieser Tabelle. So verwundert es auch nicht, dass, obwohl mit Patrik Eler und Rajko Rep zwei Offensivkräfte der Kärntner mit jeweils 4 Toren auf Rang 2 und 3 der Torschützenliste rangieren, nur eines dieser 8 Tore der slowenischen Legionäre abseits von Celovec (Anm.: slovenischer Name von Klagenfurt) erzielt wurde. Und die Herren aus Klagenfurt brauchen auch etwas Zeit, um in Schwung zu kommen: 8 ihrer 13 Tore erzielten sie in Halbzeit zwei, nur Innsbruck traf häufiger im zweiten Durchgang, verteilte aber gerechter (9 von 18 Toren). Es zahlt sich also aus, auch etwas verspätet nach der Arbeit ins Stadion zu kommen – vor allem wegen des FC Wacker Innsbruck. Zum ersten Mal in dieser Saison konnte in der vergangenen Runde ein 0:1-Rückstand in einen Sieg gedreht werden, die Psyche scheint sich im Vergleich mit den vergangenen Jahren doch etwas verbessert zu haben. Und offensiv lehrt man den Gegner das Fürchten wie seit 2008/09 nicht mehr. Damals konnten in den ersten 7 Runden 19 Tore erzielt werden, nur einen Treffer liegt man derzeit zurück. Ein gezähmt wirkender und auswärts zahnlos scheinender Lindwurm wartet im Tivoli darauf, das nächste Opfer der Tiroler zu werden. Doch auch zahnlos kann er noch immer zubeißen, man braucht nur den Brunnen am neuen Platz betrachten…