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Radioactive, man!*

Innsbruck strahlt. Nicht nur die Hand voll LaborantInnen und RaumpflegerInnen, welche die Ehre hatten, im Ostalgiecharme der Alten Chemie das ein oder andere Quäntchen Sievert kennenzulernen, sondern ganz Fußballinnsbruck. Nach einer Horrorsaison, ach, was sage ich, nach Horrorjahren, die das „annus horibilis“ von Englands längstregierender Monarchin locker in den Schatten stellen, lacht der FC Wacker Innsbruck mit strahlendem Gesicht von der Tabellenspitze. Und Tirol strahlt mit ihm. Nicht ganz so strahlend ist die Gegenwart des SC Wiener Neustadt – aber auch nicht unbekannt…

 
Zerfallszeit

Im vergangenen Jahr noch in der Glückseligkeit der Österreichischen Bundesliga beheimatet, mussten die Niederösterreicher nach heißem Kampf mit Lokalrivalen (und derzeitigem Tabellenführer) Admira Wacker nach sechs Jahren am fußballerischen Gipfel den schweren Gang in die Erste Liga antreten. 2009/10 reichte es noch zu Rang 5, der Rest war Neustädter Furcht vor dem Abstieg, der sie nunmehr ereilt hat. Mit allen furchtbaren Konsequenzen, etwa der gnadenlos zuschlagenden Beschleunigung der Zerfallszeit. Im Kader von 25 Spielern waren vergangene Saison erst sechs im Industrieviertler Blau-Weiß aktiv, 19 Spieler oder 76% des Kaders musste sich erst finden. Und das Finden ist noch immer im Laufen, betrachet man die aktuelle sportliche Situation: acht Spiele, ein ebenso großes Minus im Torverhältnis, Rang 9. Der Absteiger der höchsten Spielklasse steht auf einem Abstiegsrang in der zweiten Stufe des Profifußballs. Bedrückend, aber nicht völlig unbekannt, diese Situation. Dabei kann es an mangelnder Erfahrung nicht liegen. Es stimmt, die älteste Elf, die Günter Kreissl in dieser Saison auf den Platz schickte, war im Schnitt 24,1 Jahre alt. Das heißt 1,4 Jahre jünger als Wackers jüngstes Team der Spielzeit. Aber dennoch umfasst der Kader 13 Spieler mit Bundesliga-Erfahrung von insgesamt 436 Spielen. Herausragend dabei der Ex-Innsbrucker Christoph Saurer mit 8 Spielzeiten und 172 Einsätzen in Österreichs höchster Spielklasse. Dass bei diesen 436 Einsätzen des niederösterreichischen Kaders nur 22 Tore oder umgerechnet alle 19,8 Spiele ein Treffer zu Buche stehen, ist symptomatisch für das akuteste Problem der Blau-Weißen.
 
Durchleuchtet

Im defensiven Bereich – 10 Verlusttore – liegt Wiener Neustadt in etwa im Ligaschnitt. Vier Mannschaften haben weniger Tore erhalten, allen voran der Titelaspirant aus Oberösterreich mit nur 5 Gegentreffern, aber auch Innsbruck mit 9 Stück in 8 Runden und einem Schnitt von 1,125 pro Match.  Vier Mannschaften mussten öfter ein bauschenden Netz hinnehmen, die Landsmänner von St. Pölten gleich oft. Das wirkliche Problem liegt in der Offensive: nur 2 Tore in 8 Spielen sind ein dramatisches Armutszeugnis. Und gleichzeitig Beweis für eine beeindruckende Effizienz. In den ersten fünf Ligaspielen, in sechs der acht Partien wurde kein einziges Tor erzielt. Dennoch hält man bei 7 Punkten, bei zwei Siegen und einem Remis. Ein Tor gegen Liefering und eines gegen Floridsdorf sowie ein Shut-Out gegen den LASK bei ansonsten durchschnittlich zwei Gegentreffern halten die Hoffnung der Neustädter am Leben. Auch im ÖFB-Pokal reichte ein einziges Tor, um die Vienna aus Döbling aus dem Bewerb zu kicken und ein kleines Derby in Runde 2 feiern zu können. Naja, ein klitzekleines. Kein großes Niederösterreichisches gegen die Admira, die auch Hauptansprechpartner bei Industrieviertler Derbys wäre. Kein mittleres gegen Baden, nein, Ebreichsdorf heißt der nächste Gegner. Sie kennen den Aufsteiger in die Regionalliga Ost? Kein Wunder, war die Rennbahn in Ebreichsdorf doch auch eines der Spielobjekte des kauzigen Austro-Kanadiers, der sich bei der Wiener Austria zu profilieren suchte, Österreich vor einigen Jahren schon beinahe zum Weltmeistertitel geführt hat, Innsbrucks Alter Ego FCT so manches Geld vermeintlich schenkte und es wieder zurück wollte, so, wie er es auch mit seiner der Kernspaltung unterworfenen Partei zu machen pflegt. Und nicht zuletzt lernten ja auch die Wiener Neustädter Frank kennen, seine Großzügigkeiten, aber auch seine Launen und seinen Zorn, der im naheliegenden Forschungszentrum Seibersdorf noch wahrgenommen werden konnte.
 
Fallout-Boy*

Für Innsbruck wird es trotz der positiv scheinenden Ausgangslage kein leichtes Spiel. Wiener Neustadt hat in dieser Saison erst ein Spiel zu Hause verloren, erst in einem Heimspiel Gegentreffer einstecken müssen. In den letzten drei Partien bei den Blau-Weißen konnte Innsbruck nicht gewinnen, in den letzten 8 Auswärtsspielen nur einen einzigen Dreier mit nach Hause nehmen, viermal kein Tor erzielen. Der Radioactive-Man aus Tirol wird mehr gefordert sein als erwünscht, und mit ihm seine Fallout-Boys. Etwa der für Wiener Neustadt gefährlichste Spieler in Schwarz-Grün, Andreas Hölzl. In dreizehn Spielen konnte er bereits viermal scoren – leider kein einziges Mal in Innsbrucker Kluft, sondern immer in schwarz-weiß. Oder Alex Gründler, der in nur drei Spielen zwei Tore erzielen konnte – leider kein einziges in Niederösterreich. Auch wenn eine Niederlage sicherlich kein Super-GAU wäre, unangenehm wäre es. Wohl nicht zuletzt für die Psyche der Innsbrucker Superhelden, für die dann klar wäre, dass die temporären Ausfälle einzelner Spieler das Gesamtsystem in ordentliche Probleme bringen kann. Aber wer weiß, vielleicht retten Radioactive-Man und seine Fallout-Boys auch ganz heldenhaft die Tiroler Fußballwelt. Auf zum Atom!*

*Radioactiv-Man und Fallout-Boy sind „Leinwand-Superhelden“ im Die Sipmsons-Universum und gehen mit dem Spruch „Auf zum Atom!“ in ihre Filmabenteuer.

 

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Autor: Stefan Weis

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