Skip to main content

Einmal Tofu blau-gelb, bitte!

Nicht jedes Team ist gleich. Manche werden in der Liga benötigt wie ein Bissen Brot. Andere sind das Sahnestückchen der Meisterschaft. Und dann gibt es Teams, die sind – wie drück ich’s höflich aus – weder Fisch noch Fleisch. Sie sind nicht ganz top, nicht gut genug, um um den Titel mitzuspielen. Sie sind aber auch weit weg vom Abstiegskampf, viel zu gut dafür. Sie sind kein Publikumsmagnet, füllen auswärts nicht die Stadien. Sie sind aber auch nicht Liefering, das wirklich niemand sehen will. Sie sind irgenwie – Tofu. Der SKN St. Pölten ist so ein Team, das gerne übersehen wird. Und gerne unterschätzt.

 
Die Garnierung

Ein schön angebratenes Steak, das kann schon was. Da verlockt schon die Optik zum Abbeißen. Tofu hingegen ist etwas unscheinbar, umso wichtiger ist die Garnierung. St. Pölten kann eine optimale Garnierung aufweisen. Ein Stadion, nein, trotz der kleinen Größe von 8000 überdachten Sitzplätzen sag ich es heute einmal, eine Arena, die der niederösterreichischen Hauptstadt würdig ist. Nicht überdimensioniert, aber modern, mit allen notwendigen Feinheiten, sowie einer 1,45 Hektar großen Photovoltaikanlage. Das Stadion gibt Energie, in jederlei Belang. Kein Wunder also, dass sich die Frauen-Fußballnationalmannschaft und das U21-Nationalteam der Herren diesen Fleck als Heimstätte auserkoren haben. Blöd allerdings, dass St. Pölten das nächste Spiel in der Fremde bestreiten wird. Wobei es heuer für die Niederösterreicher g’hupft wie g’hatscht wäre: zwei gewonnen, zwei Remis, zwei verloren. Festung war sie heuer keine, die NV-Arena. Die erste Heimniederlage kassierte man nebenbei in Runde vier gegen den FC Wacker Innsbruck, ein glattes 0:3 stand – auf dem Papier – zu Buche. Auch im vergangenen Jahr blieb man mit einer Bilanz von 8-5-5 im Mittelfeld. Und das ist der liebste Platz von St. Pölten. Derzeit rangieren sie auf Rang vier, einen Platz vor jener Tabellenposition, mit der sie die vergangene Spielzeit beendeten. Seit ihrem Wiederaufstieg 2008 waren sie letzte Saison nie schlechter als Fünfter, nie besser als Vierter. Aber gerade diese Unscheinbarkeit kann zur Gefahr werden, wie in dieser Saison bereits Lustenau, Kapfenberg, Floridsdorf und Austria Salzburg vor eigenem Publikum erleben mussten. In diesen Spielen konnte der SKN zwölf Punkte bei einem Torverhältnis von 10:2 einfahren, lediglich gegen Liefering und den LASK musste man sich mit einem Tor Unterschied geschlagen geben. Der FCW, der in dieser Saison erst zwei Heimspiele mit mehr als einem Tor Unterschied gewinnen konnte, zu Hause aber bereits sieben Punkte abgeben musste (auswärts: null), sollte gewarnt sein.
 
Die Zubereitung

Jeder Hobbykoch weiß, das wunderbarste Lendenstück lässt sich ganz schnell totbraten, aber zumeist gelingt der Koch- oder Bratvorgang. Bei Tofu hingegen muss man schon Fingerspitzengefühl haben und eigentlich ein kleiner Zauberer sein, um ihn optimal zuzubereiten. Einen solchen Fred Combuse hat sich St. Pölten geschnappt, Karl Daxbacher darf in der sportlichen Küche werken, wie er will. Und es wird langsam, das Gericht. Nach einem mäßigen Start, der noch in Runde sieben Rang acht bedeutete, arbeitete man sich Stück für Stück nach oben. Vier Siege in den letzten fünf Spielen, dabei nur zwei Tore erhalten, dreimal zu null gespielt – es ist wohl nicht nur die Auslosung, die den Blau-Gelben hier entgegenkam. Acht verschiedene Torschützen, darunter wie bei Innsbruck auch zwei Verteidiger, zeigen, dass jede Formation treffen kann. Auch der Tiroler im Dress der Niederösterreicher, Florian Mader. Der Ballverteiler und Spielgestalter dürfte sich schon recht gut eingelebt haben, stand bisher in allen 12 Spielen in der Startformation, durfte gegen Kapfenberg über ein Tor jubeln, wurde allerdings im letzten Spiel gegen Austria Lustenau bereits nach 21 Minuten ausgetauscht. Prompt riss die Siegesserie von vier ungeschlagenen Partien, mit einem 0:1 im Gepäck kommen Sir Karls Buben ins Tivoli. Nicht nur das, sie müssen wohl mit Lukas Thürauer und Tomas Wisio auf zwei weitere Torschützen verzichten, auch bei Brandl und Holzmann steht ein großes Fragezeichen hinter der Rückkehr. Trotz der bitteren Ausfälle stehen Daxbacher noch andere Spieler zur Verfügung, die durch ihren großen Namen und ihr Können dem Spiel Würze verleihen können, etwa Andreas Dober, der ehemalige Grün-Weiße, oder der Spanier Daniel Segovia, der sich derzeit noch mit „nur“ drei Toren noch etwas schwer tut, in seinen bisherigen 91 Erstliga-Partien aber bereits 42mal getroffen hat – ganz zu schweigen von den vier EuroLeague-Quali-Toren in vier Spielen. Und natürlich die Verlässlichen, neben Flo Mader und Segovia vier weitere Spieler, die keine Partie verpasst haben.
 
Mahlzeit!

Der Chefkoch wird ein Menü servieren, das für Innsbruck nicht leicht zu verdauen sein wird. Wie Tofu halt. Ein Selbstläufer wie in Runde vier wird es für Wacker nicht mehr werden, als 38,9% Ballbesitz reichten, um ein ansonsten statistisch völlig ausgeglichenes Match mit 3:0 nach Hause zu spielen. Schwarz-Grün ist berechenbarer geworden, muss auf entscheidende Spieler verzichten, St. Pölten hat sich entwickelt. Nach Experimenten in den ersten beiden Runden vertraut man an der Traisen auf ein 4-4-1-1, das sich nun eingespielt hat. Und darauf brennt, die Statistik an sich zu reißen, denn in sechs Heimspielen gegen den SKN gab es für den FCW lediglich zwei Siege bei zwei Remis und zwei Niederlagen. Tofu mag zwar von Natur aus nur wenig Geschmack haben und geruchlos sein, aber richtig zubereitet kann er was. Wie St. Pölten, die darauf brennen, dem Tabellenführer das Essen zu versalzen.

 

Avatar photo

Autor: Stefan Weis

Dieser Text stellt geistiges Eigentum des tivoli12 magazins dar und ist somit urheberrechtlich geschützt. Um den Text, oder Teile davon nutzen zu können, setzen Sie sich bitte mit dem tivoli12 magazin in Verbindung.
Skip to content