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Eine Blume, lieber Ferdinand!

Es war einmal ein kleiner Stier, der hieß Ferdinand. All die anderen kleinen Stiere, mit denen er lebte, hüpften und tollten und stießen sich mit den Köpfen – aber Ferdinand nicht. Er hatte sein Lieblingsplätzchen draußen auf der Weide, unter einer Korkeiche, und da lag er den lieben langen Tag unter ihrem Schatten und roch an den schönen Blumen… Sie kennen bestimmt die Geschichte von Ferdinand, dem Friedfertigen. Schade nur, dass die Salzburger Jungbullen kein Interesse an den Blumen haben, sie hüpfen und tollen und stoßen sich mit den Köpfen, ganz so, wie Ferdinands Weidegenossen. Sie sind jugendlich und wild, sie stürmen lieber nach vorne, statt hinten dicht zu machen. Das macht sie fehleranfällig – aber auch extrem gefährlich.

Eine große Herde

Die Jungbullen hatten einen holprigen Start in die Meisterschaft. Kein Wunder, musste man sich im überbordenden Kader erst einmal kennenlernen. Ferdinand gibt es keinen, aber zwischen Atanga und Zynel standen bereits 33 (von 41 Kaderspielern) kleine Stiere am Spielplan, 29 davon kamen auch zum Einsatz. Im Vergleich dazu waren es bei Innsbruck aus einem Kader von 25 exakt 24 Kicker am Spielplan und 22 am Feld. Aus einem übervollen Füllhorn an Talenten zu wählen ist für eine Mannschaft nicht immer nur von Vorteil, wie auch die schwankenden Ergebnisse des Überraschungseies der Liga beweisen. Gut nur, dass Lieferings einziges sportliches Ziel als Mannschaft der Klassenerhalt ist und es sich ansonsten nur auf die Entwicklung der Spieler konzentrieren kann. Wohl fehl am Platz für eine Liga, in der der Rest um Überleben im Profifußball oder Aufstieg in die Bundesliga kämpft, aber diesen Schuh hat sich der Verein Bundesliga durch ein schwammiges Regelwerk selbst anzuziehen. Und außerdem beweisen die Salzburger, dass sie sich langsam auch finden, gehen sie doch derzeit beinahe im Gleichschritt mit dem Tabellenführer. In den letzten fünf Spielen mussten die rot(blau)weißen Bullen wie auch die schwarz-grünen Adler je dreimal in der Fremde und zweimal zu Hause antreten, konnten dabei je 3 Spiele bei einem Remis gewinnen, mussten nur einmal als Verlierer vom Platz. Beide Teams erhielten in diesen fünf Spielen sechs Gegentreffer, ihr erfolgreichster Torschütze in dieser Phase (Atanga bzw. Pichlmann) erzielte drei Tore. Je ein Spiel musste Liefering und Innsbruck mit einem Mann weniger beenden, nachdem ihnen der Torero in Schwarz sein rotes Tuch gezeigt hatte. In beiden Fällen setzte es daraufhin eine Niederlage, in beiden Fällen hieß der Gegner St. Pölten. Beide Teams mussten ihren weiteren Punkteverlust, ihr Remis, gegen ein Team hinnehmen, das nunmehr am Abstiegsrang sitzt, während beide den Tabellenzweiten LASK besiegen konnten.
 
Jungbullen

Aber es gibt auch Unterschiede. Und was für welche. Die hitzigen Jungbullen kassierten in den letzten 5 Partien nicht weniger als 13 Gelbe Karten, im Schnitt 2,6 pro Spiel. Mit insgesamt 35 Gelben (Schnitt 2,69) fing man sich 14 Verwarnungen mehr ein als Wacker, insgesamt erhielten die Salzburger bereits fünf Platzverweise – Ligarekord, ebenso wie die drei direkten roten Karten. Die Verwarnungen erhielt man durch 16 Fouls, zweimal Kritik und 17 Unsportlichkeiten. Auch in diesem letzten Wert liegen die Bullen an der Spitze der Bösen-Buben-Statistik. Die Engerln aus den Bergen weisen dabei nur sechs Unsportlichkeiten auf, Routine scheint die heißblütige Jugend dabei zu überflügeln. Unter den 14 jüngsten eingesetzten Spielern der Liga befinden sich neben Thomas Maier (KSV, Rang 2) und Cemal Amet (Klagenfurt, Rang 3) ausschließlich Lieferinger. Jungspund der Saison: Dayot Upamecano, bei seinem Debüt 16 Jahre, 9 Monate und 4 Tage alt. Nur 14 Tage nach seinem ersten Auftritt spielte er sich auch ins Gedächtnis der Innsbrucker, war er doch an so manchem Gegentor beim 4:1-Erfolg der Tiroler in Grödig nicht ganz unbeteiligt und verabschiedete sich zusätzlich noch mit Gelb-Rot vorzeitig vom Platz. Der jüngste Innsbrucker folgt erst mit Respektabstand auf Rang 15 (Rami Tekir, 18 Jahre, 6 Monate, 14 Tage) und durchbricht dabei die Salzburger Phalanx, die 17 von 20 jüngsten Spielern der Liga stellen. Der FCW ist in dieser Rangliste aber am anderen Ende erfolgreich, an der man nicht von Alter spricht, sondern von Erfahrung und Routine. Thomas Pichlmann, war bei seinem Spiel gegen St. Pölten 34 Jahre, 5 Monate und 22 Tage alt, nur Christoph Stückler (Lustenau) mit seinen 35 brachte bisher noch mehr Lebensgeschichte mit ins Spiel. Auf Rang sechs folgt Pascal Grünwald mit 32 Jahren, 11 Monaten und 3 Tagen, unter den Top 20 folgen noch Hauser, Säumel und Hölzl. Kein Wunder also, dass keine Startelf der Liga jünger war als die der Jungbullen, während Innsbruck zwei der ältesten acht Teams der Saison stellte. Doch (füttern wir das Schweinderl): Alter schützt vor Dummheit nicht, und Jugend ist kein Qualitätsmerkmal.
 
Branding: gefährlich.

Tore sind jedoch schon eines. Und davon erzielten die Lieferinger nur zwei weniger als der FCW, in den letzten fünf Spielen sogar vier mehr, im Schnitt 2,6. Damit sind sie etwas über dem Schnitt der letzten fünf direkten Begegnungen, in denen Liefering in jedem Spiel zumindest einmal, insgesamt zehnmal getroffen hat. Das 4:1 aus Runde fünf bedeutete also den ersten Sieg der Innsbrucker über Liefering überhaupt, auswärts konnte man bisher erst einen Punkt erkämpfen. Es wird Zeit für den ersten vollen Erfolg über die kleine Bullenherde in der Fremde, nicht zuletzt, um die makellose Auswärtsbilanz dieser Saison nicht zu gefährden. Das wird jedoch ein hartes Stück Arbeit, die kleinen Salzburger Stiere werden hüpfen und tollen und mit den Köpfen stoßen – und wohl kaum an einer Blume schnuppern, so wie einst Ferdinand.

 

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Autor: Stefan Weis

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