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Wacker Innsbrucks wunderbare Welt der Heimspiele

Zu Hause ist es doch am schönsten. Wenn der erste Schnee die Berge in ein romantisches Weiß hüllt, die Christkindlmärkte einen Duft von Zimt und Kiachln verströmen und der hell erleuchtete Christbaum Weihnachtsstimmung verbreitet. Gut, manche denken da eher an den grau-braunen Matsch, der von den grau-braunen Autos auf die Gehsteige gespritzt wird, betrunkene deutsche Studenten, die versuchen, betrunkene italienische Touristen bei einem (weiteren) Becher lauwarmen Glühweins zu übertönen und dem unvermeidbaren dreiundzwanzigsten Mal „Last Christmas“ aus dezent übersteuerten Kaufhaus-Lautsprechern. Zu Hause kann auch anders sein. Wer weiß das besser als der FC Wacker Innsbruck, der am Freitag noch einmal Gäste im eigenen Wohnzimmer empfängt, diesmal die Kapfenberger Sportvereinigung.

Und nun zu etwas völlig Anderem: der Duden.

Konrad Duden war wohl langweilig. Also ihm, nicht er. So wie einst den Gebrüdern Grimm. Jacob und Wilhelm begründeten 1838 mit 80 Mitarbeitern das „Deutsche Wörterbuch“, Konrad ließ sich 1880 nicht lumpen und schuf das „Vollständige Orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache“. Ein Standardwerk. Und in diesem heißt es: „Heim|stär|ke: Stärke, [häufiges] erfolgreiches Auftreten bei auf eigenem Platz, in eigener Halle o. Ä. ausgetragenen Wettkämpfen, Spielen“. Tja, da haben wir schon das erste Weihnachtsgeschenk für unseren FC Wacker Innsbruck – einen schönen, nigelnagelneuen, gelben Duden. Der schwarz-grüne Duden meint nämlich unter „Heimstärke“… Moment, ich glaube, das Wort fehlt. Der Herbstmeister begeistert auswärts, fuhr in neun Spielen acht Siege ein und musste sich nur einmal geschlagen geben. Der Tabellenführer lockte rund 16.000 Zuschauer in fremde Stadien, ebenso viele wie der ASK aus Linz und knapp mehr als St. Pölten. Er zog im Schnitt 1771 neugierige auf fremden Grund an und eigentlich ja 1992, zählt man das Geisterspiel gegen Salzburg nicht hinzu. Apropos Salzburg: unglaubliche 38.333 Fußballbegeisterte wollten die Violetten bisher bei deren Auswärtsspielen sehen, im Schnitt 4259. Und es gibt viele Erklärungen dafür. Es könnte etwa an der Attraktivität ihres Spiels liegen – hinsichtlich ihrer Tabellensituation eher nein. Oder an der Attraktivität des Vereins – naja. Oder daran, dass die Salzburger bisher erst vier wirkliche Heimspiele auf ihrem kleinen Sportplatz besuchen konnten, seit Jahren nach Profifußball und richtigen Stadien (über 9000 Besucher auf der Gugl, über 7000 in Wals und am Tivoli) dürsten und deshalb brave Auswärtsfahrer sind. Oder es ist einfach Katastrophentourismus der ansässigen Fans, die einen schlagbaren Gegner erwarten, ein paar Schläge aus der Ferne beobachten zu dürfen erhoffen und eine chaotische Austria mit lautstarkem Mob erleben. Haben sie gemerkt, wie gekonnt ich von der „Heimstärke“ der Innsbrucker abgekommen bin…?
 
Und nun zu etwas völlig Anderem: Enochlophobie.
 
Enochlophobie. Etwas Griechisches, so wie Tzatziki. Nur halt nicht essbar, sondern eine Angststörung. Die Furcht, sich in Menschenansammlungen aufzuhalten. Ist jetzt nicht gerade ein Problem der Ersten Liga. Und schon gar keines der Kapfenberger. Obwohl, 23,4% mehr Fans erlebten auch die Steirer in ihrem Fekete-Stadion. Das bedeutet allerdings dennoch einen Schnitt von 758 Zuschauern und damit den letzten Rang, sogar noch hinter Liefering, die gegen den Rivalen aus Maxglan mit 7200 ihre Bilanz retteten. Vielleicht spielen die Steirer deshalb vor eigenem Publikum dermaßen zurückhaltend, dass sie in der Heimtabelle nur auf dem vorletzten Platz rangieren, mit nur zwei Siegen vor eigenem Publikum und zwei Drittel verlorenen Spielen. Auf fremdem Boden läuft es da besser. Viel besser. Die Sportvereinigung konnte fünf ihrer neun Auswärtsauftritte gewinnen, in sechs Punkte mitnehmen, dabei 15 Tore erzielen, drei mehr als zu Hause. Gegen Innsbruck gelang in Runde eins zwar kein Tor, aber doch das eine Remis, das sie derzeit statt auf dem achten auf dem sechsten Rang stehen lässt. 58,3% Ballbesitz brachten sie damals aufs Feld, mit 17 Schüssen gaben sie fünf mehr ab als die Tiroler, mit vier Schüssen brachten sie doppelt so viele aufs Tor. Sie holten mehr Eckbälle heraus (6:4), brachten mehr Flanken ins Spiel (14:10), drückten dem Spiel ihren Stempel auf. Es ist vielleicht doch eine Enochlophilie, die die Industriestädter haben. Die Liebe zu Menschenmassen. Denn auch sie durften auswärts vor mehr als 1700 Zuschauern kicken, und dieses Gefühl, beobachtet zu werden, scheint ihnen gut zu tun. Nebenbei, wussten sie, dass es das Krankheitsbild der Anatidaephobie gibt? Ist auch griechisch und hat sogar was mit Essen zu tun. Naja, mit Essbarem. Es ist die Angst, von Enten beobachtet zu werden. Sehr schön, jetzt denken sie an den Wasservogel im Teich nebenan und nicht an die „Heimstärke“ von Innsbruck…
 
Und nun zu etwas völlig Anderem: Äpfel.

Apfel, oder die fachbiologische Bezeichnung: Malus. Äpfel sind etwas Tolles. Wachsen einfach so, ohne viel Pflege. Geben wunderbaren Saft und sind in Strudelteig eingewickelt einfach köstlich. Verführten einst schon Adam zur Sünde und sind jetzt in der Adventszeit – gebraten, mit Marzipan, Grant’n-Marmelade und Zimt gefüllt – immer noch eine sündige Verführung… Ach, was soll‘s, einmal muss man in den sauren Apfel beißen. Wacker Innsbruck ist zu Hause schwach. Sehr schwach. Oder, auf Latein: malus, schlecht. Von 27 möglichen Punkten wurden nur 13 geholt, ein Schnitt von 48,1%. Nur drei Siege wurden dabei erzielt, lediglich die Violetten von der Salzach, die Floridsdorfer und Kapfenberg gewannen weniger oft vor eigenem Publikum. Mit dreizehn Gegentreffern sind es wieder nur die drei eben genannten Mannschaften, die schlechter abschneiden. Kein anderes Team spielte im eigenen Stadion öfter Remis als Innsbruck. Und dennoch: zwei Niederlagen bedeuten, dass keine einzige Mannschaft seltener als Verlierer vom Platz ging. Vielleicht ist es das, was die 39.834 Fans der Innsbrucker gutierten, wenn sie das Drehkreuz des Tivoli durchschritten. Um 11,8% mehr als im Vorjahr, nebenbei. Und am meisten in der Liga. Die Fans des FC Wacker Innsbruck stehen hinter dem Verein. Auch, wenn von den letzten fünf Heimspielen gegen Kapfenberg in der zweiten Division nur ein einziges gewonnen wurde, damals, 2004. Auch, wenn in den letzten drei Heimspielen gegen Kapfenberg kein Tor erzielt werden konnte. Auch, wenn man seit vier Heimspielen in der Liga auf einen vollen Erfolg wartet. Auch, wenn man in diesen Heimspielen jeweils nur ein Remis gegen den Letzten, Vorletzten und Drittletzten der Liga erkämpfen konnte. Das Publikum wird den Schwarz-Grünen nicht untreu werden, will man doch den Herbstmeister beim Kampf um den Titel des Winterkönigs unterstützen. Ein kräftiger Biss in den steirischen Apfel wäre dafür aber wohl notwendig.

 

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Autor: Stefan Weis

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