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Dis·zi·p·lin

Es stimmt. Man kann einen Vize- und kommenden Weltmeister während des Spiels am eigenen Speichel teilhaben lassen und dennoch Europameister und dreifacher Champions-League-Sieger werden. Man kann sich mit einem Kopfstoß und der 15. Roten Karte vom aktiven Sport verabschieden und dennoch ein weißes Ballett anführen. Man kann auch mit seiner linken das Mutterland des Fußballs demütigen und dennoch zur Ikone des Fußballs werden. Man kann also die Disziplin schleifen lassen und dennoch ein Held sein. Aber „man“ ist halt zumeist nicht Frank Rijkaard, Zinédine Zidane oder Diego Maradona. Sondern manchmal nur Spieler in Österreichs zweiter Liga, wie etwa die Kicker von Wacker Innsbruck und LASK Linz. Und dann braucht es Disziplin, um erfolgreich zu sein.

 
Viele, viele bunte…

Denn wenn nicht, dann kann das ganz schön ins Auge gehen. Auch wenn es nur kleine Undiszipliniertheiten sind, etwa nur ein klein wenig ausgefahrener Ellbogen in einem Kopfball-Duell, auch, wenn es erst das dritte Foul in 40 Minuten war, es kann einen Ausschluss bedeuten. Gelb-Rot für Sebastian Siller brachte Schwarz-Grün an den Rand einer Niederlage – gegen das Tabellenschlusslicht. Der Sieg durch ein Tor von Thomas Pichlmann war glücklich, ebenso glücklich wie der Sieg in der zweiten Runde des Pokals gegen den Kremser SC, als eine Gelb-Rote von Alexander Riemann den numerischen Vorteil nahm und den Niederösterreichern die Möglichkeit gab, bis auf ein Tor an Wacker heranzukommen. Siller weiß bereits, was so ein Platzverweis bewirken kann, sah er doch schon gegen St. Pölten glatt Rot in einem Spiel, das daraufhin innerhalb von Minuten kippte und dem SKN drei Punkte brachte. Undiszipliniertheiten sind aber keine Innsbrucker Eigenart, man braucht nur in Linz nachzufragen. Der LASK verlor in der ersten Runde im Frühjahr ein Spiel, in welchem man überlegen auftrat. Vielleicht nicht immer brandgefährlich (auch wenn etwa Rene Gartler, der mit neun Toren gefährlichste Kanonier des ASK, zwei riesengroße Möglichkeiten vergab), aber spielbestimmend. 57,3% Ballbesitz, 13 Schüsse, davon vier aufs Tor, sechs Eckbälle (dreimal mehr als der SCWN), dreizehn Flanken (viermal mehr als die Blau-Weißen), die Linzer hätten das Spiel nach Hause bringen müssen. Hätten sie nicht in Führung liegend einen Penalty verursacht, den der gefoulte Daniel Wolf sicher verwandelte. Die Linzer hätten auch ihre Überlegenheit in den letzten Minuten noch zählbar umsetzen und den Druck erhöhen können – hätte nicht Nikola Dovedan in der 85. Minute Rot gesehen und sein Team so geschwächt.
 
…Karten

Disziplin ist grundlegend für erfolgreiches Spiel. Was wohl auch ein Grund ist, warum der nominell so überlegene Kader aus Oberösterreich trotz aller Vorschusslorbeeren derzeit nur auf Rang drei steht. Und Wacker derzeit noch ganz vorne. Beinahe wie in der Fairnesstabelle. Vergibt man für jede Gelbe einen, Gelb-Rot drei und Rot fünf Strafpunkte, dann sind nur die Austrianer aus Lustenau disziplinierter als die Innsbrucker. Am letzten Platz steht nun neu – der LASK. Nur Liefering hat mit 4 direkten Ausschlüssen einen mehr als die Linzer, niemand kassierte bisher so viele Gelbe wie die Schwarz-Weißen (57mal Gelb, Wacker im Vergleich 38mal). Diese Zahlen zeigen sich auch im Einzelfall. Der Mann mit den meisten Karten? Christian Ramsebner (8G, 1R). Vor den Innsbrucker Bad Boys Andreas Hölzl und Christoph Freitag folgen mit Cabrera, Mario Reiter und Nikola Dovedan drei weitere ASKler. Die meisten Gelben? Spitzenreiter Ramsebner, auf Platz drei Mario Reiter, ebenfalls in den Top Ten Cabrera und Imbongo Boele. Mit Dogan Erdogan und Cabrera sahen bereits zwei Oberösterreicher Gelb-Rot in der Liga, Sebastian Siller schrieb in dieser Rangliste für Wacker das einzige mal an. Glatt Rot sahen von den Linzern bereits Ramsebner, Luckeneder und Dovedan, auch hier ist Siller einsamer Vertreter seines Vereins.
 
Hand und Fuß

Aber Disziplin ist mehr als das bloße Vermeiden von Karten. Etwa, wie oft man auf Maradonas Spuren wandelt. Rene Gartler scheint ein großer Fan zu sein, siebenmal spielte er das Spielgerät mit der Hand, so oft wie kein anderer. Vor Innsbrucks Handballer auf Rang 9 (Pichlmann mit 2 Versuchen, wie auch die Linzer Wiesinger und Ranftl) steht noch Nikola Dovedan mit 3 „fair catches“ – die zwar 1848, in der Festschreibung der ersten Regeln noch erlaubt waren, allerdings seit 1871 verboten sind. Die üblichen Verdächtigen finden sich auch in der Rangliste der fleißigsten Foul-Begeher: Dovedan (49) auf Rang zwei, Reiter (45) auf sechs, Gartler (38) auf dreizehn, Imbongo Boele (37) auf fünfzehn, Ranftl (36) auf sechzehn, sie alle stehen vor Hamzic und Freitag, die je 34 Fouls bisher begingen. Interessant dabei, dass mit Sergi Arimany (Ex-KSV, 61) ein Stürmer der „unfairste“ Spieler ist. Spannend auch, dass der LASK nicht nur aktiv die Rangliste anführt – Dovedan, Gartler und Ranftl sind die drei am meisten gefoulten Spieler der Liga. Dovedan wird 3,3mal pro Spiel nicht regelkonform gestört, alle 22 Minuten. Nimmt man seine eigenen Fouls dazu, wird wegen Dovedan alle 12,8 Minuten das Spiel unterbrochen. Disziplin sieht anders aus.
 
Game of gentlemen

Gut nur, dass er am Freitag nicht gegen Wacker auflaufen wird, muss er doch seine Rotsperre absitzen. Ebenso wie die bereits erwähnten Erbek, Cabrera, Ranftl und Wiesinger, die wohl alle wegen Verletzungen pausieren müssen. Und da der wackere Mann fürs Grobe Sebastian Siller auch aussetzt, kann es wohl ein Spiel unter Gentlemen werden, so wie einst an den englischen Schulen angedacht…

 

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Autor: Stefan Weis

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